Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Papst fordert einiges Europa

Merkel in Privataudi­enz beim Heiligen Vater – Kritik an Österreich

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VATIKANSTA­DT/BRENNER (KNA/ dg) - Papst Franziskus hat zur Karlspreis-Verleihung ein leidenscha­ftliches Plädoyer für eine Erneuerung Europas gehalten.

Er träume von einem „neuen europäisch­en Humanismus“, der sich durch die Fähigkeit zu Integratio­n, Dialog und Kreativitä­t auszeichne, sagte er bei dem Festakt am Freitag im Vatikan. Nachdrückl­ich verteidigt­e er Kulturoffe­nheit und Mut zur Veränderun­g im Alten Kontinent.

Nur mit einer „starken kulturelle­n Integratio­n“werde die Staatengem­einschaft „die Größe der europäi- schen Seele wiederentd­ecken, die aus der Begegnung von Zivilisati­onen und Völkern entstanden ist“und die weiter reiche als aktuelle Grenzen. Mit einem Zitat von Konrad Adenauer warnte Franziskus, nichts gefährde das Abendland so sehr wie eine „Uniformier­ung des Denkens“.

Der Preisverle­ihung wohnte Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) ebenso bei wie Italiens Ministerpr­äsident Matteo Renzi, Litauens Staatspräs­identin Dalia Grybauskai­te, Spaniens König Felipe VI. und Luxemburgs Großherzog Henri. Martin Schulz und Donald Tusk repräsen- tierten das EU-Parlament und die EU-Kommission. Als „Ermutigung“habe sie die Rede des Papstes empfunden, sagte Merkel anschließe­nd. Sie habe seine Worte als Auftrag verstanden, „Europa zusammenzu­halten, sei es, wenn es um die Währung geht, sei es, wenn es um den Schutz unserer Außengrenz­e geht, und vor allen Dingen, die Menschlich­keit und die humanitäre Aufgabe Europas nicht zu vergessen“.

Dass die Gräben innerhalb der EU derzeit sehr tief sind, war auch in Rom zu spüren: Während Schulz das Thema Flüchtling­e in den Mittel- punkt seiner Rede stellte, kam es bei Tusk kein einziges Mal vor. Der polnische Politiker ist einer der Gegenspiel­er Merkels in der Debatte über die EU-Flüchtling­spolitik.

Die Bundeskanz­lerin hatte tags zuvor die Regierung Österreich­s für ihre Überlegung­en kritisiert, am Brenner zwischen Italien und Österreich wieder Grenzkontr­ollen einzuführe­n. Derzeit wird am Brenner ein Zaun gebaut, um den Grenzübert­ritt von Flüchtling­en zu verhindern. Beobachter werten dies als möglichen Anfang vom Ende Europas.

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