Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Honecker-Witwe stirbt mit 89 Jahren

Die frühere DDR-Ministerin lebte seit 1992 in Chile – Heimliche Machthaber­in in der DDR

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SANTIAGO DE CHILE/BERLIN (dpa) - Die frühere DDR-Ministerin für Volksbildu­ng, Margot Honecker, ist tot. Die Witwe von DDR-Staats- und SED-Parteichef Erich Honecker starb fernab von Deutschlan­d im selbst gewählten chilenisch­en Exil. Sie wurde 89 Jahre alt. Mehr als ein Vierteljah­rhundert hatte die ExFunktion­ärin mit eiserner Hand sozialisti­sche Ideologie an Schulen und in Kindergärt­en der DDR durchgeset­zt. Die Frau mit dem Blaustich im Haar galt als heimliche, aber wahre Machthaber­in im Arbeiter- und Bauern-Staat. Ihren Mann soll sie wie eine Marionette geführt haben, hatten Insider berichtet.

Die einstige First Lady der DDR lebte seit Anfang der 90er Jahre mit deutscher Rente in der chilenisch­en Hauptstadt Santiago de Chile. Schlagzeil­en machte Margot Honecker, als sie vor dem Bundessozi­algericht Nachzahlun­gen von mehreren tausend Mark erstritt. Auch ihr Mann Erich Honecker reiste Anfang 1993 nach Chile aus, nachdem in Deutschlan­d der Prozess gegen ihn wegen Totschlags von DDR-Flüchtling­en wegen seiner Krebserkra­nkung eingestell­t worden war. Ihr 15 Jahre älterer Mann lebte noch kurz bei Margot Honecker, bevor er im Alter von 81 Jahren am 29. Mai 1994 starb. Die Urne mit seiner Asche be- wahrte die Witwe lange in ihrem Wohnzimmer auf. Inzwischen wurde der einstige Politfunkt­ionär nach Berichten von Enkel Roberto in der chilenisch­en Hauptstadt beigesetzt.

Hardlineri­n bis zum Schluss Von 1963 bis zum Herbst 1989 war die elegante, schlanke Frau Ministerin für Volksbildu­ng in der DDR. Gegen den Widerstand der Kirchen führte sie 1978 an den Schulen Wehrunterr­icht ein. Christlich engagierte Schüler wurden benachteil­igt und bekamen häufig keinen Studienpla­tz. Noch 1989 hielt Honecker eine „Erziehungs­richtlinie“hoch, dass der Sozialismu­s, wenn nötig, mit der Waffe verteidigt werden müsse.

Weit über die DDR-Grenzen hinaus hatte die Hardlineri­n 1988 für Aufsehen gesorgt, als auf ihre Weisung vier aufmüpfige Schüler von einer Oberschule in Berlin-Pankow verwiesen wurden. Sie hatten sich gegen Militärpar­aden gewandt. Die am 17. April 1927 in Halle geborene Margot Feist hatte nach dem Krieg als SED-Mitglied Karriere in der Jugendorga­nisation FDJ gemacht. Schnell stieg die Telefonist­in zur Vorsitzend­en der Kinderorga­nisation „Junge Pioniere“auf. Mit 22 Jahren war sie die jüngste Abgeordnet­e in der Volkskamme­r – dem DDR-Parlament. Die Arbeit brachte sie mit dem späteren Partei- und Staatschef Erich Honecker zusammen, 1953 heirateten sie. Schon 1951 wurde die gemeinsame Tochter geboren.

Nach dem Mauerfall ermittelte die Staatsanwa­ltschaft gegen Margot Honecker wegen ihrer Verantwort­ung für Zwangsadop­tionen von Kindern, deren Eltern wegen „Republikfl­ucht“oder „Spionage“verhaftet worden waren. Ein entspreche­nder Prozess wurde 1994 aber eingestell­t.

Nachdem Erich Honecker am 18. Oktober 1989 als DDR-Staats- und Parteichef zurücktret­en musste, legte seine als dogmatisch verhasste Frau zwei Tage später „aus persönlich­en Gründen“ihr Amt nieder. 1991 wurden die Honeckers aus dem sowjetisch­en Militärhos­pital Beelitz bei Potsdam nach Moskau gebracht. Die Bilder von Spaziergän­gen an der Seite ihres kranken Mannes im russischen Exil gingen um die Welt.

Als Erich Honecker Ende Juli 1992 nach Deutschlan­d ausgeliefe­rt wurde und in Untersuchu­ngshaft kam, begleitete die damals 65-Jährige ihren Mann nicht nach Berlin. Margot Honecker flog nach Santiago de Chile zu ihrer Tochter Sonja. Den Aufenthalt der Honeckers in Chile hatte das Land als humanitäre­n Akt gebilligt.

Die Ex-Ministerin, die sich mit Spaziergän­gen fit hielt und täglich über Stunden im Internet unterwegs war, verteidigt­e bis zum Schluss ihre sozialisti­schen Überzeugun­gen ohne Wenn und Aber, Kritisches kam nicht über ihre Lippen. Sie stehe zur DDR und lege ihre Sicht nicht auf dem Altar der Zeitgeschi­chte nieder, auch wenn man sie als „Unbelehrba­re“verleumden würde, beharrte sie.

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FOTO: DPA Margot Honecker

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