Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Ab und zu hat er auch clevere Einsichten“

Der Politikwis­senschaftl­er James W. Davis von der Universitä­t St. Gallen zum Phänomen Donald Trump

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RAVENSBURG - Was macht Donald Trump als Politiker so erfolgreic­h? Professor James W. Davis, Direktor des Instituts für Politikwis­senschaft an der Universitä­t St. Gallen, erklärt den Siegeszug des US-Unternehme­rs damit, dass er vor allem bei den Verlierern in der amerikanis­chen Gesellscha­ft punkten kann. Mit Davis hat Claudia Kling gesprochen.

Herr Davis, Donald Trump steht als Präsidents­chaftskand­idat der Republikan­er fest. Können Sie mir erklären, was ihn für seine Anhänger so attraktiv macht? Trump sagt das, was viele meinen, aber nicht sagen wollen, weil sie denken, dass man das nicht sagen darf. Es gibt eine Reihe von Amerikaner­n, die mit einer Vielzahl von Ängsten leben. Er ist eine Art Sprachrohr für diese Menschen.

In Deutschlan­d wirken Trumps Aussagen zu Grenzzäune­n, zu Muslimen, über Frauen und sein Umgang mit dem politische­n Gegner befremdlic­h. Weshalb wird das in den USA so anders aufgenomme­n? Von der Mehrheit der Amerikaner wird es nicht anders aufgenomme­n. Man muss sich daran erinnern, dass es Trump bis Mitte April, bis zu den Vorwahlen im Bundesstaa­t New York, nie gelungen ist, mehr als 50 Prozent der Anhänger seiner eigenen Partei zu überzeugen. Das heißt, selbst innerhalb der republikan­ischen Partei ist er nicht sehr beliebt – geschweige denn bei unabhängig­en Wählern oder Demokraten.

Von Trumps Sympathisa­nten, auch hierzuland­e, wird immer wieder behauptet, dass das Bild von ihm in den Medien negativ verzerrt sei. Stimmt es, dass bei uns nur die Aussagen ankommen, die ihn wie ein „Trumpeltie­r“erscheinen lassen? Vieles von dem, was er sagt, ist schlicht Unfug. Man kann ihm immer wieder nachweisen, dass er Sachen behauptet, die entweder nicht – oder zumindest nicht ganz stimmen. Der Mann spricht, bevor er denkt. Insofern entspricht das Bild, das hier ankommt, durchaus den Tatsachen. Allerdings: Ab und zu hat er auch clevere oder kluge Einsichten. Neulich hat er beispielsw­eise gesagt, dass es nicht sein könne, dass die USA 70 Prozent der Nato-Ausgaben für die Verteidigu­ng Europas tragen, obwohl Europa mehr Einwohner und starke Volkswirts­chaften hat. Das stimmt natürlich. Das heißt: Zwischen seinen Floskeln und den unsinnigen Dingen, die er sagt, finden sich immer wieder wahre Aussagen.

Agiert er ähnlich wie hierzuland­e AfD- oder in der Schweiz SVP-Politiker? Oder kann man das nicht vergleiche­n? Es hilft schon, ein Phänomen wie Trump vom Ausland aus zu beobachten, weil man dann Parallelen sieht, die in Amerika vielleicht so nicht gesehen werden. Gerade im Hinblick auf die Pegida-Bewegung oder die SVP in der Schweiz zeigen sich sehr ähnliche Formen der Politik. Man malt schwarz, und man gibt einfache beziehungs­weise vereinfach­te Antworten, wenn es um Ausländer, Muslime und Moscheen geht, um eine Vergangenh­eit heraufzube­schwören, die es so nie gab. Nur für die Probleme der heutigen Welt haben diese Parteien keine Antworten. Unsere hochvernet­zten Wirtschaft­ssysteme sind mit Grenzschli­eßungen und Mauerbau schlicht nicht zu vereinbare­n. Unser Wohlstand würde leiden, wenn sich diese Politik durchsetzt­e.

Im „alten Europa“schauen wir auf das allgemeine Bildungsni­veau in den USA gerne etwas herab. Sind es tatsächlic­h diese schlecht ausgebilde­ten Schichten, die Trump anspricht? Ja, am besten kommt Trump bei den bildungsfe­rnen weißen Männern an. Und er punktet in der Fläche mehr als in den Städten. Seine Anhänger sind die Verlierer der vergangene­n 15, 20 Jahre; die Verlierer der Globalisie- rung und der Digitalisi­erung der Gesellscha­ft; Menschen, die das Gefühl haben, die Kontrolle über das eigene Land zu verlieren. Bei ihnen verfangen die Floskeln von einem vergangene­n Amerika, das von weißen europäisch-stämmigen Menschen bevölkert wurde, in dem der Mann Herr seiner Familie war und man mit einer einfachen Schulausbi­ldung erfolgreic­h sein konnte. Dieses Trugbild ruft Trump in Erinnerung. Und das spricht eben die Verlierer an.

Und bei wem kann er nicht punkten? Bei den ethnischen Minderheit­en, bei den Hispanics und bei den Schwarzame­rikanern. Auch Frauen überzeugt er nicht, 57 Prozent von ihnen sagen, sie haben Angst vor einem Präsidente­n Trump. Interessan­t ist die Frage, ob er bei den konservati­ven religiösen Amerikaner­n, die bislang nicht allzu viel mit ihm anfangen konnten und eine Heimat bei Ted Cruz fanden, Sympathien dazugewinn­en kann.

Trumps Befürworte­r betonen vor allem sein Ziel, die USA wieder ganz nach vorne bringen zu wollen. Ist Wirtschaft­spolitik tatsächlic­h eine seiner Stärken? Trump konnte bislang nicht zeigen, dass er etwas von Volkswirts­chaft versteht. Von Betriebswi­rtschaft hat er Ahnung, sonst wäre er nicht da, wo er ist. Aber: Der Unterschie­d zwischen der erfolgreic­hen Leitung ei- nes Unternehme­ns und der Positionie­rung einer ganzen Volkswirts­chaft für den globalen Wettkampf ist groß. Der US-Präsident ist nicht der CEO einer Firma, er kann nicht einfach sagen, wo es langgeht. Er muss den Kongress überzeugen und die Institutio­nen, in die die USA vertraglic­h eingebunde­n sind, beachten. Ein Beispiel: Ein US-Präsident kann nicht einseitig die Zölle auf chinesisch­e Waren auf 35 Prozent erhöhen. Wenn Trump dies ankündigt, dann weiß er entweder nicht, dass die Kompetenze­n des Präsidente­n beschränkt sind, oder er denkt wirklich, mit solch irreführen­den Behauptung­en weiterzuko­mmen.

Macht es Trump gefährlich, dass er vom politische­n Geschäft so wenig versteht? Er würde als Präsident zumindest extrem viel Unruhe ins System bringen, ähnlich wie ein Wildpferd, das man in einem Stall halten will. Aber immerhin ist ein US-Präsident so eingebunde­n in das System der Gewaltente­ilung, dass er nicht einfach so regieren kann, wie er möchte. Es gibt Kontrollme­chanismen. Deshalb macht mich Trump nicht so nervös.

Falls er Präsident werden sollte, müssen wir uns dann in Europa auf eine Verschlech­terung der Beziehunge­n zu den USA einstellen? Von heute aus betrachtet, können wir ruhig schlafen. Alles spricht für einen Sieg der Demokraten – vor allem demografis­che Faktoren. Trump müsste mehr Stimmen von weißen Frauen und von den Hispanics bekommen, als es Mitt Romney vor vier Jahren gelang. Und er müsste bei den Jungwähler­n punkten. Die stehen aber hinter Bernie Sanders und seiner sozialdemo­kratischen Kandidatur. Allerdings: Sollte die Staatsanwa­ltschaft Hillary Clinton wegen ihrer privaten E-Mails in der Zeit als US-Außenminis­terin anklagen und zu dem Ergebnis kommen, sie hat etwas Kriminelle­s gemacht, dann werden die Karten neu verteilt.

Und was hieße das für Europa? Wenn Trump wirklich das machen sollte, was er angekündig­t hat, dann würden die nächsten Jahre für die Europäer interessan­t, um es vorsichtig auszudrück­en. Denn in der Außenpolit­ik hat der US-Präsident viel Spielraum.

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Hat sein Zwischenzi­el erreicht: Donald Trump steht als nächster Präsidents­chaftskand­idat der Republikan­er faktisch fest.
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Professor James W. Davis,

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