Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
London wählt ersten muslimischen Bürgermeister: Labour-Kandidat siegt
Labour muss bei britischen Regional- und Kommunalwahlen Verluste hinnehmen – Europafeindliche Ukip erstmals im Waliser Parlament
LONDON - Bei den Regional- und Kommunalwahlen in Großbritannien haben sich die Machtverhältnisse im Land leicht verschoben. In den Parlamenten von Wales und Schottland büßten die Regierungsparteien SNP und Labour ihre Mandatsmehrheiten ein, können aber mithilfe kleinerer Parteien weiterregieren.
Den Konservativen von Premier David Cameron hat der heftige interne Streit um die EU-Mitgliedschaft des Landes weniger geschadet als erwartet. Labour hat unter ihrem neuen Chef Jeremy Corbyn von der Schwäche der Regierung nicht profitiert. Das für den Linken Corbyn enttäuschende Ergebnis wurde aber vom Einzug eines Sozialdemokraten ins Londoner Rathaus überstrahlt: Sadiq Khan (45), Sohn pakistanischer Einwanderer und praktizierender Muslim, wird in Zukunft die Weltstadt regieren.
Rassistische Vorwürfe Der in London geborene Sohn einer Näherin und eines Busfahrers hatte in der Endphase des Wahlkampfes mit häßlichen rassistisch-religiösen Vorurteilen zu kämpfen. Die Tories brachten den Ex-Strafverteidiger ohne greifbare Belege mit islamistischen Extremisten und sogar mit Terroristen in Zusammenhang. Khans konservativer Gegenkandidat Zac Goldsmith habe dadurch das Image seiner Partei beschädigt und im Kampf um ethnische Wählergruppen „Brücken gesprengt“, kriti- sierte sein Parteifreund Andrew Boff, Fraktionschef im Rathaus.
Die Kontroverse stellt Camerons Behauptung infrage, seine Partei sei „vereint und für die ganze Nation da“. Immerhin ließen die englischen Wähler die Tories ein Jahr nach deren überraschendem Alleinsieg ungeschoren – trotz einer unausgegorenen Schulreform, dem andauernden Arbeitskampf im Gesundheitswesen und der brutalen Auseinandersetzung über Europa. Cameron hatte sogar einen Grund zur Freude: In Schottland feierten die Konservativen unter ihrer dynamischen Regionalchefin Ruth Davidson ein Comeback, legten zehn Punkte auf 23 Prozent zu und verdrängten Labour (19) auf Platz drei. Davidson selbst gewann unerwartet in der Hauptstadt Edinburgh ein Direktmandat.
Freilich liegen die beiden Parteien meilenweit hinter der schottischen Nationalistenpartei SNP, die mit 42 Prozent nur knapp die bisherige absolute Mehrheit im Edinburgher Parlament verpasst hat. In Wales ver- buchten die Nationalisten von Plaid Cymru (PC) Zugewinne, die Parteichefin Leanne Wood holte das Direktmandat in der sozialdemokratischen Hochburg Rhondda. LabourMinisterpräsident Carwyn Jones muss Verluste von sieben Prozent schlucken, bleibt aber im Cardiffer Parlament unangefochten. Einen Riesenerfolg feiert die EU-feindliche Ukip in Wales: Erstmals zieht sie mit sieben Mandaten ins Parlament ein.
Die Befürworter von Großbritanniens Verbleib in der EU müssen weiter um den Ausgang des BrexitReferendums bangen. Knapp sieben Wochen vor der Volksabstimmung legen die Umfragen ein knappes Ergebnis nahe. Vieles dürfte von der Beteiligung abhängen. Am Donnerstag gingen 55 Prozent der Schotten und 45 Prozent Waliser, aber Prognosen zufolge lediglich 40 Prozent der Engländer wählen.
Die Ergebnisse von der Regionalwahl in Nordirland sowie von direkt gewählten Polizeiaufsehern werden erst am Samstag erwartet.