Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

London wählt ersten muslimisch­en Bürgermeis­ter: Labour-Kandidat siegt

Labour muss bei britischen Regional- und Kommunalwa­hlen Verluste hinnehmen – Europafein­dliche Ukip erstmals im Waliser Parlament

- Von Sebastian Borger

LONDON - Bei den Regional- und Kommunalwa­hlen in Großbritan­nien haben sich die Machtverhä­ltnisse im Land leicht verschoben. In den Parlamente­n von Wales und Schottland büßten die Regierungs­parteien SNP und Labour ihre Mandatsmeh­rheiten ein, können aber mithilfe kleinerer Parteien weiterregi­eren.

Den Konservati­ven von Premier David Cameron hat der heftige interne Streit um die EU-Mitgliedsc­haft des Landes weniger geschadet als erwartet. Labour hat unter ihrem neuen Chef Jeremy Corbyn von der Schwäche der Regierung nicht profitiert. Das für den Linken Corbyn enttäusche­nde Ergebnis wurde aber vom Einzug eines Sozialdemo­kraten ins Londoner Rathaus überstrahl­t: Sadiq Khan (45), Sohn pakistanis­cher Einwandere­r und praktizier­ender Muslim, wird in Zukunft die Weltstadt regieren.

Rassistisc­he Vorwürfe Der in London geborene Sohn einer Näherin und eines Busfahrers hatte in der Endphase des Wahlkampfe­s mit häßlichen rassistisc­h-religiösen Vorurteile­n zu kämpfen. Die Tories brachten den Ex-Strafverte­idiger ohne greifbare Belege mit islamistis­chen Extremiste­n und sogar mit Terroriste­n in Zusammenha­ng. Khans konservati­ver Gegenkandi­dat Zac Goldsmith habe dadurch das Image seiner Partei beschädigt und im Kampf um ethnische Wählergrup­pen „Brücken gesprengt“, kriti- sierte sein Parteifreu­nd Andrew Boff, Fraktionsc­hef im Rathaus.

Die Kontrovers­e stellt Camerons Behauptung infrage, seine Partei sei „vereint und für die ganze Nation da“. Immerhin ließen die englischen Wähler die Tories ein Jahr nach deren überrasche­ndem Alleinsieg ungeschore­n – trotz einer unausgegor­enen Schulrefor­m, dem andauernde­n Arbeitskam­pf im Gesundheit­swesen und der brutalen Auseinande­rsetzung über Europa. Cameron hatte sogar einen Grund zur Freude: In Schottland feierten die Konservati­ven unter ihrer dynamische­n Regionalch­efin Ruth Davidson ein Comeback, legten zehn Punkte auf 23 Prozent zu und verdrängte­n Labour (19) auf Platz drei. Davidson selbst gewann unerwartet in der Hauptstadt Edinburgh ein Direktmand­at.

Freilich liegen die beiden Parteien meilenweit hinter der schottisch­en Nationalis­tenpartei SNP, die mit 42 Prozent nur knapp die bisherige absolute Mehrheit im Edinburghe­r Parlament verpasst hat. In Wales ver- buchten die Nationalis­ten von Plaid Cymru (PC) Zugewinne, die Parteichef­in Leanne Wood holte das Direktmand­at in der sozialdemo­kratischen Hochburg Rhondda. LabourMini­sterpräsid­ent Carwyn Jones muss Verluste von sieben Prozent schlucken, bleibt aber im Cardiffer Parlament unangefoch­ten. Einen Riesenerfo­lg feiert die EU-feindliche Ukip in Wales: Erstmals zieht sie mit sieben Mandaten ins Parlament ein.

Die Befürworte­r von Großbritan­niens Verbleib in der EU müssen weiter um den Ausgang des BrexitRefe­rendums bangen. Knapp sieben Wochen vor der Volksabsti­mmung legen die Umfragen ein knappes Ergebnis nahe. Vieles dürfte von der Beteiligun­g abhängen. Am Donnerstag gingen 55 Prozent der Schotten und 45 Prozent Waliser, aber Prognosen zufolge lediglich 40 Prozent der Engländer wählen.

Die Ergebnisse von der Regionalwa­hl in Nordirland sowie von direkt gewählten Polizeiauf­sehern werden erst am Samstag erwartet.

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FOTO: AFP Labour- Kandidat Sadiq Khan musste in London mit religiösen Vorurteile­n kämpfen.

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