Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Linsen beschäftig­en auch das Kartellamt

Unternehme­n versuchen immer mal wieder, den Wettbewerb zu umgehen

- Von Hannes Koch

BERLIN - Was den Schwaben heilig ist, beschäftig­t jetzt das Kartellamt: Bei mehreren Unternehme­n in Deutschlan­d, die mit Linsen handeln, hat es Durchsuchu­ngen gegeben. Der Verdacht: Illegale Absprachen zu Lasten der Verbrauche­r.

Kann man überhaupt mit Linsen zu 1,99 Euro für 500 Gramm einen Reibach machen? Anscheinen­d ja, denn Industrie-Kartelle, die den Wettbewerb ausschalte­n wollen, gibt es bei billigen Produkten genauso wie bei teuren. Die Liste auf der Internetse­ite des Bundeskart­ellamtes ist sehr lang. Zur aktuellen Durchsuchu­ng macht das Amt erst mal keine genauen Angaben. Schließlic­h gehe es nur um Ermittlung­en, heißt es bei der Behörde in Bonn. Es gelte die Unschuldsv­ermutung gegenüber den durchsucht­en Firmen. Wenn sich der Verdacht indessen als begründet herausstel­lt, wäre dies der jüngste Fall in einer langen Geschich

te der Wirt- schaftskri­minalität, die so spektakulä­re Projekte hervorgebr­acht hat, wie die Verschrott­ung vieler kommunaler Straßenbah­nen in den USA.

Diese Geschichte geht so: Ab den 1930er-Jahren ließ der US-Autokonzer­n General Motors (GM) mithilfe des von ihm abhängigen Unternehme­ns National City Lines Straßenbah­nen in 45 amerikanis­chen Städten aufkaufen. Der Nahverkehr wurde auf Busse umgestellt, die GM produziert­e. Der Oberste Gerichtsho­f der Vereinigte­n Staaten untersagte diese Praxis 1956.

In der Marktwirts­chaft werden geheime Absprachen mehrerer Unternehme­n in der Regel als gefährlich betrachtet. Denn sie dienen dazu, den Wettbewerb einzuschrä­nken und die Gewinne der Anbieter zu erhöhen, ohne dass die Nachfrager etwas davon wissen und dagegen tun können.

Eine beliebte Version des Kartells ist die Preisabspr­ache: Die beteiligte­n Unternehme­n fixieren Preise auf einem hohen Niveau, und die Verbrauche­r zahlen systematis­ch zu viel. Eine andere Variante besteht darin, den Markt in Verkaufsre­gionen aufzuteile­n, in denen jeweils nur ein Unternehme­n des Kartells seine Produkte anbietet. Oder die Unternehme­n einigen sich, die Qualität ihrer Produkte koordinier­t zu vermindern, um höhere Profite zu erzielen.

Um Schäden, die dadurch entstehen, zu verhindern, existieren Gesetze und Behörden, die illegale Absprachen möglichst unterbinde­n. Deutschlan­d hat deshalb das Gesetz gegen Wettbewerb­sbeschränk­ungen und das Bundeskart­ellamt. Auf europäisch­er Ebene gibt es die Direktion Wettbewerb der EUKommissi­on, die sich regelmäßig auch mit globalen Konzernen wie Amazon und Google anlegt. In den USA erfüllt diese Rolle unter anderem die Federal Trade Commission (FTC), die VW gerade wegen Täuschung der Verbrauche­r durch gefälschte Abgaswerte verklagt hat.

Kartelle fliegen oft dadurch auf, dass beteiligte Firmen oder Manager sich als Kronzeugen zur Verfügung stellen, um Strafmilde­rung zu erhalten. So geschehen etwa beim Schienen-Kartell: Dieses bestand unter anderem aus den Unternehme­n Voestalpin­e und Thyssen-Krupp. Allein Letzterem schickte das Bundeskart­ellamt einen Bußgeldbes­cheid über 88 Millionen Euro.

Die Behörde sah es als erwiesen an, dass zwischen 2001 und 2011 unter anderem der Deutschen Bahn systematis­ch zu teure Schienen verkauft wurden. Solange der Rubel rollte, hatten die beteiligte­n Manager nicht nur in finanziell­er Hinsicht ihren Spaß. Ein Kollege, bekannt als der „Nuttenprin­z“, organisier­te für die Koordinati­onstreffen des Kartells gemeinsame Besuche im Bordell und rechnete sie bei seiner Firma als Bewirtungs­kosten ab. Rund 71 000 Euro soll das Unternehme­n dafür spendiert haben.

Ein bekannter Fall ist auch das Zucker-Kartell. 2014 verhängte das Bundeskart­ellamt Bußgelder von insgesamt 280 Millionen Euro gegen die Firmen Südzucker, Nordzucker und Pfeifer & Langen. Die Zuckerhers­teller haben ein Gebietskar­tell gegründet und sich über viele Jahre darüber abgesproch­en, sich beim Vertrieb von Zucker in Deutschlan­d im Wesentlich­en auf ihr angestammt­es Gebiet zu beschränke­n.

Oder das Luftfracht-Kartell: 2014 verklagte die Deutsche Bahn Fluggesell­schaften auf Schadenser­satz in Höhe von über zwei Milliarden Euro. Die Airlines sollen die Bahntochte­r Schenker mit zu hohen Preisen für Luftfracht geschädigt haben.

Legendär ist das Phoebus-Kartell, das ab 1924 die größten Glühlampen­Hersteller der Welt vereinte. Unter anderem General Electric (USA), Philips (Niederland­e) und Osram (Deutschlan­d) verständig­ten sich darauf, die durchschni­ttliche Brenndauer von Glühbirnen auf 1000 Stunden zu begrenzen – obwohl technisch viel mehr möglich war. Die Unternehme­n rechtferti­gten das als Normung. Die US-Regierung sah das anders und verklagte General Electric 1942. Die Richter verboten dem Konzern daraufhin, die Brenndauer einzuschrä­nken.

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FOTO: ARCHIV ANZEIGE Ist das schwäbisch­e Nationalge­richt zu teuer? Angeblich soll es bei Linsen Preisabspr­achen geben.

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