Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Griechen streiken gegen neues Sparpaket
Teile des öffentlichen Lebens lahmgelegt – Finanzexperten sehen keine Alternative
ATHEN/BRÜSSEL (dpa) - In ganz Griechenland haben massive Streiks aus Protest gegen ein neues Sparprogramm mit Rentenkürzungen und höheren Steuern am Freitag Teile des öffentlichen Lebens lahmgelegt. Tausende Menschen gingen auf Initiative der Gewerkschaften auf die Straßen. Die meisten Ägäis-Fähren blieben in den Häfen, die Eisenbahner legten ihre Arbeit nieder, der Nahverkehr in Athen und in anderen Städten brach zusammen.
Der Regierung unter Alexis Tsipras bleibt aber nach Ansicht von Finanzexperten wegen der anhaltenden Gefahr einer Staatspleite keine andere Wahl, als die Renten abermals zu kürzen. Die meisten Ausstände werden wohl das gesamte Wochenende andauern. Am späten Sonntagabend soll das Parlament die Sparmaßnahmen billigen. Ohne eine Einigung auf die Auflagen können keine neuen Milliardenhilfen an das pleitebedrohte Land fließen. Schon im Juli wird es eng: Es müssen zusammen 3,67 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF), die Europäische Zentralbank (EZB) und andere Gläubiger zurückgezahlt werden. Dieses Geld hat die Regierung in Athen zurzeit nicht.
Gewerkschaften: „Überfall auf die Renten“Der Gewerkschaftsverband des privaten Bereichs GSEE bezeichnete die Rentenkürzungen als „Grabstein“des Rentensystems. Wer ab Montag in die Rente geht, solle bis zu 30 Prozent weniger Geld bekommen, hieß es. Die Staatsbediensteten-Gewerkschaft ADEDY sprach von ei- nem „Überfall auf die Renten“und rief zum Widerstand auf. Neben Rentenkürzungen von 1,8 Milliarden Euro sind 1,8 Milliarden Euro an Steuererhöhungen vorgesehen. So soll die Mehrwertsteuer von 23 auf 24 Prozent angehoben werden, einen der höchsten Sätze innerhalb der EU.
Klaus Regling, Chef des Euro-Rettungsschirm ESM, verteidigt das geforderte Sparkpaket. Diese Maßnahmen seien eine „Art Versicherung“für den Fall unerwarteter Entwicklungen, sagte Regling einer italienischen Tageszeitung. Die Athener Regierung sei jedoch überzeugt, dass dieses Paket nicht nötig sei. Insbesondere der Internationale Währungsfonds pocht jedoch auf das Extrapaket, weil seine wirtschaftlichen Prognosen für das Krisenland pessimistischer sind als die der Europäer.