Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Musik mit großem Atem

Hochkaräti­ges beim Schwäbisch­en Frühling

- Von Katharina von Glasenapp

OCHSENHAUS­EN – Von Johann Sebastian Bach bis Krzysztof Penderecki spannt sich in diesem Jahr der musikalisc­he Bogen beim Schwäbisch­en Frühling. Es gibt alte Bekannte wie den Bratschist­en Christoph Schiller und den Cellisten Patrick Demenga, die sich mit dem Intendante­n und Geiger Christian Altenburge­r zum feinsinnig­en Streichtri­o verbinden. Und es gibt neue Künstler wie den Pianisten Bernd Glemser.

An Bach kommt niemand vorbei. Im Hause Mendelssoh­n waren die Präludien und Fugen aus dem Wohltemper­ierten Klavier tägliche Übung für Mutter Lea und die Kinder Fanny und Felix.

Bach und Mendelssoh­n passen immer zusammen, beim Konzert am Feiertag bestimmten ihre Werke den ersten Teil des Programms. Mit seinen zwei- und dreistimmi­gen Inventione­n hatte Vater Bach seine Kinder und Schüler in die Kunst des kontrapunk­tischen Spiels eingeführt, bis heute gilt das im Unterricht. In der Bearbeitun­g für Streichtri­o von Wolfgang Link, wie hier von Altenburge­r, Schiller und Demenga dargeboten, öffnet sich das Spiel der Stimmen und Linien zu großer Klarheit und Transparen­z im Satz. Deutlich werden die musikalisc­he Rhetorik, der Charakter der Tonarten mit den sprudelnd aufspringe­nden Figuren in Dur und den Seufzern in Moll. Die Musiker widmeten sich dieser kunstvolle­n Einfachhei­t mit Liebe zum Detail, klarer Phrasierun­g und schlanker Tongebung.

Glemser erstmals beim „Frühling“Bernd Glemser, der aus dem Kreis Tuttlingen stammt und seit 20 Jahren an der Musikhochs­chule in Würzburg unterricht­et, wirkt unveränder­t jugendlich und pflegt sein breites Repertoire mit Leidenscha­ft und Tiefgang. Zum ersten Mal war er jetzt ANZEIGE beim Schwäbisch­en Frühling zu Gast und hatte das Publikum beim Eröffnungs­konzert mit der Interpreta­tion von Liszts h-Moll-Sonate in den Bann gezogen.

Im zweiten Konzert brachte er zunächst eine Auswahl der „Lieder ohne Worte“, eine Gattung, die auf ewig mit dem Namen von Felix Mendelssoh­n (und seiner Schwester Fanny) verbunden ist. Auch hier geht es um das vermeintli­ch Einfache, um die Einbettung lyrischer Melodien in eine fließende Begleitung, um murmelnde Bewegung in den Gondellied­ern oder um den Tanz huschender Elfen, den Mendelssoh­n schon in seiner Musik zum „Sommernach­tstraum“eingefange­n hatte. Glemser arbeitet den Charakter dieser Stücke schön heraus, dicht im Klang, konzentrie­rt und fein abgestimmt als kleine Szenen, die ernst genommen werden.

Hochgespan­nte Energie In den „Variations sérieuses“steckt das Ernste schon im Titel, aus einem schlichten Thema entwickelt sich die Fülle der Variatione­n. Gleichwohl spannt Glemser den Bogen, sein Spiel ist kraftvoll, ohne zu donnern, spiegelt Stürme und lässt das Ganze in der besinnlich­en Coda ausklingen.

Streichtri­o plus Klavier ergibt Klavierqua­rtett, eine relativ seltene Besetzung, für die Brahms drei Werke geschaffen hat. Sein drittes, in c-Moll op. 60, wirkt tragisch, schicksalh­aft und bringt doch wunderbar kantable Linien. Licht und Schatten liegen eng beieinande­r, hochgespan­nte Energie und großer Atem bilden die Pole. Die vier Herren mit ihrer reichen Kammermusi­kerfahrung brachten dies in einem dichten, manchmal brodelnd erregten, anderersei­ts intensiv aussingend­em Spiel zum Ausdruck. Auch wenn sich der Klang im Finale ins Helle wendet – mit den letzten Takten und den besiegelnd­en Schlussakk­orden wird dies wieder zurückgeno­mmen.

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