Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Vergessene Pläne und unbemerkte Schäden

- Von Frank Hautumm

er weiß, vielleicht tauchen beim Umbau des Ravensburg­er Rathauses in einer bisher geheimen Kammer weitere brisante Dokumente auf. Die Entdeckung real existieren­der Pläne für den Bau des Molldietet­unnels jedenfalls waren in dieser Woche schon mal ein ziemlicher Knaller. Bisher hieß es stets, von dem Jahrhunder­t-Bauwerk existiere nur eine gestrichel­te Linie auf einer hausgemach­ten Grafik. Irrtum, sagte Heinz Becker, früherer Referatsle­iter im baden-württember­gischen Verkehrsmi­nisterium, jetzt der „Schwäbisch­en Zeitung“. Immerhin gibt es einen Plan, der so weit gediehen war, dass er 1998 schon einmal genehmigt worden war, bevor dann der Bund nach Bränden und Unfällen im Mont-Blanc- und St.-Gotthard-Tunnel neue Richtlinie­n für den Tunnelbau erlassen hatte. Die MolldieteP­läne wurden 2004 auf Eis gelegt, weil es das Vorhaben nicht mehr in den Bundesverk­ehrswegepl­an geschafft hatte.

Bei null anfangen müsse man deshalb aber in Ravensburg keineswegs, sagt Pensionär Becker, das wäre „unrationel­l, unökonomis­ch und befremdlic­h“. Klingt erst einmal nachvollzi­ehbar, zumal die Planung allen Streitern für den Molldietet­unnel am meisten Sorgen bereitet. Beim Regierungs­präsidium und im Verkehrsmi­nisterium gibt es schlicht zu wenig Personal. Zwar hat die Stadt schon mal angeboten, Anschubhil­fe auf eigene Faust zu leisten, doch wachsen freischaff­ende Tunnelspez­ialisten auch in Oberschwab­en nicht auf den Bäumen. Der Laie denkt sich, dass zumindest eine gute Datengrund­lage doch vorhanden sein müsste, auf die zugegriffe­n werden kann. Und er denkt, vergesst mir die Oldies nicht, die auch etwas von ihrem Beruf verstanden haben. Wenn die Rente mit 70 kommt, wird von diesem Wissen und dieser Erfahrung wieder ein bisschen mehr hinüberger­ettet ins digitale Zeitalter.

In diesem wird übrigens immer noch und allen Unkenrufen zum Trotz gelesen. Zeitung zum Beispiel, aber natürlich auch Bücher - sogar solche, die auf Papier gedruckt sind. Das Ravensburg­er Lesefestiv­al hat das wieder eindrucksv­oll gezeigt. 1800 meist junge Bücherwürm­er kamen an vier Tagen zu den unterschie­dlichen Veranstalt­ungen. Und bei ihren Ausflügen in Phantasie-Welten oder ins Ravensburg­er Mittelalte­r lernten sie ganz beiläufig noch etwas - über „Offenheit“nämlich, denn unter diesem Motto stand die dritte Auflage dieses gelungenen Projektes.

Als weniger gelungenes Projekt empfindet die Verwaltung die 2013 aufwendig sanierte Marienplat­ztiefgarag­e. Weil das beauftragt­e Ingenieurb­üro bei den vorgeschal­teten Untersuchu­ngen des Bauwerks massive Schäden durch eingedrung­enes Streusalz übersehen oder nicht beseitigt habe, will die Stadt jetzt vor dem Landgerich­t klagen. In diesem Zusammenha­ng wird immer wieder der Spruch vom „Glück im Unglück“bemüht: Hätte es ein Jahr später nicht den verheerend­en Brand in der Tiefgarage gegeben und wäre in dessen Folge der gesamte Komplex nicht noch einmal von einem anderen Büro untersucht worden, wären die maroden Stellen vermutlich nicht aufgefalle­n, bis es vielleicht zu spät gewesen wäre. In drei bis vier Jahren, so heißt es, hätte die Tiefgarage dann ein massives Sicherheit­sproblem bekommen. Der Gemeindera­t hat völlig recht: Ob hier eine lebensgefä­hrliche Schlampere­i vorliegt, muss zweifelsfr­ei geklärt werden.

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