Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„Beim Reiten hat Kommandosprache nichts verloren“
Die Ravensburger Reitlehrerin Sonja Waggershauser spricht über Harmonie im Sattel und Regeln mit dem Pferd
RAVENSBURG - Reiten ist der Traum vieler Mädchen, aber auch Jungs. Doch mit einfach aufs Pferd sitzen ist es nicht getan. Sonja Waggershauer, Reitlehrerin und Besitzerin des Bachäckerhofs in RavensburgDürnast, erklärt im Gespräch mit Jasmin Bühler, welche Reitmethode sie für die beste hält, wie Pferdesprache geht und warum man bei ihr auf dem Hof die Pferde nicht über den Zaun hinweg streicheln darf.
Frau Waggershauser, wie sehen Sie die Verbindung zwischen Mensch und Pferd? Das Pferd ist Partner und Freund des Menschen. Deshalb sollte er es auf Augenhöhe behandeln. Gleichzeitig ist und bleibt das Pferd aber auch ein Tier – und als solches hat es das Recht, sein eigenes Leben zu führen.
Lässt sich das aufs Reiten übertragen? Beim Reiten ist das genauso. Der Reiter hat eine Verantwortung gegenüber seinem Tier. Schließlich ist nicht selbstverständlich, dass ein Pferd jemanden auf seinem Rücken trägt. Daher muss zunächst ein Vertrauensverhältnis entstehen. Reiten ist im Prinzip wie Pferdesprache lernen. Und Reiten beginnt nicht in dem Moment, indem man im Sattel sitzt, sondern schon dann, wenn man zu dem Pferd geht.
Sie unterrichten nach einer ganz bestimmten Methode, dem sogenannten „Centered Riding“(auf Deutsch: „Reiten aus der Körpermitte“). In Deutschland gibt es nur vier Centered-Riding-Reitlehrer auf Ihrem Niveau. Was unterscheidet Sie von anderen Reitschulen? In vielen Reitschulen wird nach der „Kommando-Methode“unterrichtet. Die Lehrer sprechen mit ihren Schülern in Kommandosprache, zum Beispiel: „Ganze Abteilung, Trab, Marsch“oder „Fersen nach unten, Rücken gerade, Fäuste geschlossen“. Das kommt noch aus den Zei- ten vor dem Zweiten Weltkrieg, als vor allem Männer geritten sind, die im Militär dienten. Aber beim Reiten hat Kommandosprache heute nichts mehr verloren. Zudem passiert es leider immer wieder, dass in den Reitstunden einfach hintereinanderher geritten wird, ohne dass die Schüler eine persönliche Reitbeziehung zum Pferd aufbauen.
Und beim Centered Riding ist das anders? Beim Centered Riding geht es um die Harmonie im Sattel, um das Gleichgewicht zwischen Reiter und Pferd und um Achtsamkeit. Wenn ich unterrichte, gebe ich keine Kommandos. Ich sage dem Reiter nicht die ganze Zeit, was er zu tun hat. Stattdessen bringe ich ihm bei, wie er mit seinem Pferd tiergerecht umgeht und wie er sich und dem Tier beim Reiten Gutes tun kann. Die Schüler lernen nicht nur durchs Hören, sondern auch durchs Sehen und Fühlen. Es ist mir wichtig, ein Bewusstsein für das Pferd zu schaffen.
Kann das jeder lernen? Ja, egal ob Kinder oder Erwachsene, Sonja Waggershauser ist unter anderem staatlich geprüfte Pferdewirtin und Centered- Riding- Instructor ( Level III). Im Alter von 16 Jahren hat sie sich ihr erstes eigenes Pferd gekauft. Den Bachäckerhof betreibt sie seit 2001. Insgesamt 17 Pferde zählt der ob Anfänger oder Fortgeschrittene. Viele Reitschüler kommen gerade deswegen zu mir, weil sie mit dem Reitunterricht in anderen Ställen nicht einverstanden sind. Ihnen fehlt der Einklang mit dem Pferd. Dabei darf man eines aber nicht verwechseln: Centered Riding ist kein Stil, sondern eine Methode. Und als sol- Stall, die meisten davon sind Islandpferde. Sonja Waggershauser bietet altersgerechten Reitunterricht für Kinder ab vier Jahren an. Aber auch Erwachsene sind willkommen. Den Unterricht hält sie auf Deutsch, Englisch oder Französisch. ( jab) che kann sie auf alle Reitstile – egal ob Dressur, Springen oder Westernreiten – angewandt werden.
Wie leben die Pferde bei Ihnen auf dem Hof? Als Pferde. Sie sind nicht in Boxen eingesperrt, sondern 24 Stunden an der frischen Luft und immer in Bewegung. Denn ich möchte keine Roboter als Angestellte, die beim Reitunterricht in Schritt fallen, nur weil ich Schritt sage. Deshalb gibt es hier auf dem Hof auch ganz bestimmte Regeln, an die sich Besucher zu halten haben.
Zum Beispiel? Ich will nicht, dass die Pferde, wenn sie auf der Koppel stehen, über den Zaun hinweg gestreichelt werden. Denn die Koppel ist sozusagen ihr Wohnzimmer und wenn sie dort sind, haben sie frei. Viele Menschen verstehen das aber nicht und wollen die Pferde immer anfassen. Dabei sollten sie sich mal selbst fragen, ob es ihnen gefallen würde, wenn ständig ein Fremder vorbeikommt und ihnen ins Gesicht fasst. Das fänden sie wahrscheinlich auch nicht so gut. Und genauso geht es dem Tier. Das meinte ich mit Partnerschaft auf Augenhöhe.
Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Voraussetzungen, die ein Reiter mitbringen muss – abgesehen vom Reithelm? Ein gutes Herz und einen freien Kopf.
Die Islandpferdereitschule Bachäckerhof, Alberskircher Straße 10, Ravensburg- Dürnast veranstaltet am Sonntag, 8. Mai, von 10 bis 17 Uhr ein Hoffest für alle Reiter, Freunde und Interessierte. Bei dem Tag der offenen Tür wird es Vorführungen im Centered Riding geben, Ponyreiten – und als Extra ein „ Horseball“- Match, eine Art Handball auf Pferden.