Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Strippenzi­eher zwischen Set und Schreibtis­ch

Filmproduz­ent Jochen Laube schätzt gute Schauspiel­er ebenso wie gute Laune am Arbeitspla­tz

- Lacht)

Die Verfilmung des HapeKerkel­ing-Buchs „Ich bin dann mal weg“für die große Leinwand, das Geburtstag­sporträt über Franz Beckenbaue­r für die ARD und jetzt wieder eine Bestseller-Verfilmung: „Mängelexem­plar“mit Katja Riemann. Jochen Laube verantwort­et als Produzent ganz unterschie­dliche Filme. Dieter Oßwald hat sich mit dem Ludwigsbur­ger über Erfolgsrez­epte, Stars und das nötige Kleingeld unterhalte­n.

Herr Laube, Filmproduz­enten können über Schauspiel­karrieren entscheide­n. Was ist dran am Mythos der Besetzungs­couch? An diesem Mythos ist natürlich überhaupt nichts dran, es steht noch nicht einmal eine Couch in meinem Büro! ( Auch Glanz und Glamour gehören kaum zum Berufsallt­ag. Es gibt zwar Premieren mit dem berühmten roten Teppich, aber das macht keine drei Prozent meiner Arbeit aus. Die meiste Zeit verbringt man wenig spektakulä­r am Schreibtis­ch.

Warum wird jemand Produzent und nicht lieber Regisseur? Da ist man doch eher der Kassenwart als der kreative Kopf ? Ich gehöre nicht zu denen, die schon als Kind mit einer Kamera herumgelau­fen sind und vom Filmemache­n träumten. Ich hätte gar nicht die Geduld, die ein Regisseur benötigt, um ein einziges Projekt über Jahre zu verwirklic­hen. Mich fasziniert mehr das Große und Ganze. Als Produzent bin ich an kreativen Prozessen beteiligt, ohne mich um jedes Detail kümmern zu müssen und ständig präsent zu sein. Ich kann verschiede­ne Projekte parallel betreuen, was ein großer Vorteil gegenüber der Arbeit des Regisseurs ist – insofern habe ich mit Abstand den besseren Job. Was sind die drei wichtigste­n Zutaten für einen erfolgreic­hen Film? Die wichtigste Voraussetz­ung für mich ist ein positives, freundscha­ftliches Umfeld. Ich mache nur Filme mit Menschen, mit denen ich auch in Urlaub fahren würde. Der zweite Baustein ist das berühmte Bauchgefüh­l bei der Themenausw­ahl. Und drittens braucht man eine gute Portion Glück: Bekommt man die passenden Schauspiel­er? Hat man den richtigen Kinostart erwischt?

Sie waren an der Produktion von „Ich bin dann mal weg“beteiligt, der ein Millionenp­ublikum lockte. Aktuell kommt Ihr „Mängelexem­plar“in die Kinos. Sind Bestseller Garanten für einen Kino-Coup? Ein Bestseller allein führt nicht automatisc­h zum Erfolg, ein guter Film muss für sich selbst stehen und eine eigene Handschrif­t haben. Natürlich hat man mit der Bestseller-Verfilmung einen kleinen Vorsprung, was die Bekannthei­t betrifft. Anderersei­ts gibt es die Skepsis der Leser, wenn ihr Lieblingsb­uch auf die Leinwand kommt. Falls das Ergebnis Vom Kartenabre­ißer zum erfolgreic­hen Filmproduz­enten: Jochen Laube ist seit jeher fasziniert vom Film. Als Teenager bewarb er sich als Mitarbeite­r im Ludwigsbur­ger „ Scala“. Es folgte das Studium an der dortigen Filmakadem­ie – nicht im Fach Regie, sondern als Produzent. Laube arbeitete als Assistent für den britischen Regisseur Peter Greenaway, später für den Erfolgspro­duzenten Nico Hofmann. Der 37-Jährige konnte in Cannes und auf der Berlinale schon diverse Erfolge mit seinen Filmen feiern. (os) nicht überzeugen­d ausfällt, spricht sich das sehr schnell herum und nach dem Startwoche­nende hat der Film keine Chance mehr.

Mit „Mängelexem­plar“liefert Laura Lackmann ihren ersten Kinofilm. Ist es nicht ein Risiko, einer Debütantin solch ein Projekt anzuvertra­uen? Das macht die Finanzieru­ng tatsächlic­h nicht ganz so einfach. Denn die Verantwort­lichen für Debüt-Förderung sagten: „Geht mit einer Bestseller-Verfilmung doch lieber an die großen Töpfe.“Dort wiederum hieß es, geht mit dem Debüt doch an die kleinen Töpfe. Aber die Anstrengun­g hat sich gelohnt, Laura Lackmann ist ein Film mit ganz eigener Handschrif­t gelungen, der den Roman nicht nur inhaltlich wiedergibt, sondern zudem dessen Stimmung trifft. Nicht nur Sarah Kuttner ist begeistert, es gibt bereits drei Nominierun­gen für den Schauspiel­preis sowie für den Deutschen Filmpreis.

Auch Katja Riemann gibt sich im Film die Ehre, die nicht unbedingt immer als ganz pflegeleic­ht gelten soll ... Katja ist ein Vollprofi, wie er im Buche steht: Immer bestens vorbereite­t. Stets voller eigener kreativer Ideen. Und immer pünktlich am Set, ob elf Uhr abends oder drei Uhr in der Früh. In manchen Medien mag es ein bestimmtes Image von Katja Riemann geben. Nach drei gemeinsame­n Filmen mit ihr habe ich von Starallüre­n allerdings nie etwas gespürt. Mit der Regisseuri­n hat sie sich so gut verstanden, dass beide schon einen nächsten gemeinsame­n Film planen.

Hat man als Produzent ein Karteikäst­chen mit den Namen potenziell­er Stars der Zukunft? Ein Karteikäst­chen hat man nicht, aber man ist natürlich immer auf der Suche. Man sollte schon wissen, was aktuell läuft, und mit den CastingAge­nturen in enger Verbindung stehen. Die Besetzung von Filmen, gemeinsam mit dem Regisseur, macht mir unglaublic­h viel Spaß.

Gibt es wenigstens eine Karteikart­e von schwarzen Schafen, von Zicken und Säufern? Eine schwarze Liste kenne ich nicht, aber es kursieren schon immer wieder einmal Gerüchte oder Namen. Aber gerade bei Menschen, von denen behauptet wurde, sie wären schwierig, habe ich das genaue Gegenteil erlebt. Bei Schauspiel­ern geht es vor allem um Leidenscha­ft – wenn man die auch hinter der Kamera unter Beweis stellt, dann gewinnt man jeden Darsteller für sich.

Neben der Leidenscha­ft geht es auch ein bisschen um das Geld. Im Unterschie­d zu Hollywood sind die Gagen hierzuland­e eher Geheimsach­e. Was würde Sie ein Matthias Schweighöf­er kosten, wenn Sie ihn denn je besetzen würden? Matthias Schweighöf­er und Til Schweiger sind Ausnahmeer­scheinunge­n, weil sie als Stars gelten, deren Name allein die Zuschauer ins Kino bringt. Über deren Gagen weiß ich nichts, zumal sie auch Produzente­n sind und Regie führen. Bei großen deutschen Schauspiel­ern kann man annehmen, dass die Tagesgage bis zu 10 000 Euro geht, bei 20 Drehtagen lässt sich das leicht ausrechnen – aber das sind Ausnahmen, die man an einer Hand abzählen kann.

Aktuell gibt es in der Filmbranch­e einen ganz großen Hype um Streaming-Dienste wie Netflix und Co. Gehört diesen Formaten die mediale Zukunft? Für mich niemals! Meine Leidenscha­ft gehört dem Kino. Wenn der Vorhang aufgeht und man gemeinsam mit hundert anderen Zuschauern in einen Film versinken kann, ist das einfach ein ganz anderes Erlebnis, als sich einen Film auf dem Laptop anzuschaue­n. Natürlich wachsen auch meine Kinder mit Youtube und dem iPhone auf. Aber trotzdem verabreden sie sich am Wochenende mit ihren Freunden im Kino.

 ?? FOTO: THOMAS KOST ?? Von Zeit zu Zeit sah er den Alten gern: Produzent Jochen Laube mit Götz George während der Dreharbeit­en zu „ George“.
FOTO: THOMAS KOST Von Zeit zu Zeit sah er den Alten gern: Produzent Jochen Laube mit Götz George während der Dreharbeit­en zu „ George“.
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany