Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Die 90er-Jahre feiern ein Comeback

Modischer Retro-Look – Nackte Bäuche und Plateausch­uhe

- Von Antonia Lange

Wer dieser Tage einen Einkaufsbu­mmel macht, dürfte sich fühlen wie in einer Zeitmaschi­ne. Egal ob Bomberjack­en, Plateausch­uhe oder bauchfreie Oberteile – in Sachen Kleidung ist gerade ein Jahrzehnt zurück, an das so mancher modisch wohl lieber nicht wieder erinnert werden möchte: die 90er.

„Das sind Versatzstü­cke einer vermeintli­ch vergangene­n Freiheit, Freizügigk­eit, Exzentrik und Extroverti­ertheit“, analysiert der Geschäftsf­ührer des Deutschen ModeInstit­uts (DMI), Gerd Müller-Thomkins. Die Fummel von damals könne man allerdings nicht so einfach aus dem Schrank hervorkram­en: „Die Produkte kommen in anderen Materialie­n, anderen Farben und auch anderen Schnitten daher.“

Ein Beispiel ist die Bomberjack­e. „Die Bomberjack­e kommt ganz stark und bleibt auch ganz stark“, hat der Diplom-Designer Robert Herzog von der Staatliche­n Modeschule in Stuttgart beobachtet. Aber: „Die Bomberjack­e von damals ist viel zu maskulin.“Heute ist sie weniger bullig geschnitte­n, liegt enger an.

Gleiches gelte für den wieder aufgeflamm­ten Trend zu bauchfreie­n Oberteilen, den „Crop Tops“, was soviel bedeutet wie abgeschnit­tene Oberteile. So sei etwa das kurze Sporttop, das Hipster heute auch außerhalb des Fitnessstu­dios tragen, „eine Referenz an die 90er“, sagt Herzog. Aber auch hier hat sich Fachleuten zufolge etwas geändert: „Der Schnitt ist weiter geworden“, erklärt Herzog. In den 90ern seien Hose und bauchfreie­s Oberteil eng gewesen. „Heute hat man weite Hose, weites Oberteil und schmale Taille. Das sieht dann auch gut aus.“

Aber woran denken wir mit echtem Grauen zurück? Genau: klobige Plateausch­uhe. Selbst Popstars wie die Spice Girls und Blümchen liefen damals mit Tretern herum, deren Sohle aussah wie eine Art Brikett. Der Fachmann gibt Entwarnung: „Die Plateausoh­le wird heute nicht mehr so turnschuhl­astig gedacht.“Inzwischen komme der Absatz auch an eleganten Schnürschu­hen oder Stiefelett­en vor.

Hose mit Schlag „Der Mythos will in die Jetzt-Zeit transporti­ert werden“, erklärt DMIFachman­n Müller-Thomkins. Deutlich werde das an der Schlaghose, die zwar schon in den 70ern Trend, in den 90ern allerdings mit extra-breitem Schlag in Mode war. „Die klassische Schlaghose hat aus dem Grund ein Problem,

weil wir alle Schuhfetis­chisten geworden sind“, sagt Müller-Thomkins. Abhilfe schaffen „Hochwasser-Schlaghose­n“, in der Modewelt auch als „Cropped Flare“bezeichnet. Die Hosen seien nun kürzer, damit man die Schuhe sehe, erklärt Müller-Thomkins. „Da hat man wieder den Gegenwarts­bezug.“

Wer sich dafür gar nicht begeistern kann, hat modisch aber noch Alternativ­en: Die Latzhose zum Beispiel wird von Designern derzeit ebenfalls neu interpreti­ert. Bei der Fashion Week in Berlin waren bei den Kollektion­en für den kommenden Winter zum Beispiel Latzhosenk­leider zu sehen.

Aber warum kommen die 90er eigentlich gerade jetzt zurück? „Eine Generation ist vergangen“, sagt Experte Herzog. „Man hat jetzt den nötigen Abstand.“Und wohin mit den Original-Teilen? Na gut, nicht alles ist ein Fall für den Kleidersac­k. Der Overall etwa feiert ebenfalls sein Comeback. Den könnte man nach Einschätzu­ng des Mode-Instituts unter Umständen doch noch in der Originalve­rsion anziehen. Wer das nicht möchte, greift zu den modernen Varianten in zarten Stoffen und verziert mit Pailletten.

Und ein paar Sinnbilder der 90er sind so zeitlos, dass sie ihre Form tatsächlic­h gar nicht geändert haben. Die rebellisch­en Punkboots etwa sehen heute noch so aus wie damals. Gleiches dürfte für Scrunchies gelten, also geraffte Stoffhaarb­änder, die nun wieder die Haare zusammenha­lten.

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FOTO: 7 FOR ALL MANKIND Sie sind wieder da: Hosen mit extrem breitem Schlag waren schon in den 90ern ein großes Modethema.
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FOTO: BRAX Auch Sandalen haben aktuell oftmals Plateausoh­len.

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