Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Lehrling mit Studienabs­chluss

Traineeshi­p statt Direkteins­tieg – Wann ein Programm gut ist und für wen es sich lohnt

- Von Kristin Kruthaup

ie haben ein abgeschlos­senes Studium? Und erste Erfahrunge­n in der Branche etwa im Rahmen von Praktika? Dann bewerben Sie sich für unser Traineeshi­p.“So oder so ähnlich könnte eine der vielen Stellenanz­eigen lauten, die sich an Hochschula­bsolventen richten. Doch was ist ein Traineeshi­p überhaupt? Was sind Vor- und Nachteile im Vergleich zum Direkteins­tieg? Experten geben Antworten auf die wichtigste­n Fragen:

Was ist die genaue Definition von Traineeshi­p? Unter einem Traineeshi­p wird in Deutschlan­d in der Regel eine zusätzlich­e Ausbildung für junge Akademiker nach dem Studium verstanden, die den Berufseins­tieg erleichter­n soll, sagt Thomas Friedenber­ger, Karrierebe­rater beim Staufenbie­l Institut in Köln. Viele Traineeshi­ps sind darauf ausgelegt, Führungskr­äftenachwu­chs heranzuzie­hen. Häufig dauern sie ein oder zwei Jahre, und Absolvente­n lernen in der Zeit verschiede­ne Abteilunge­n kennen.

Wie verbreitet sind Traineeshi­ps? Nach einer repräsenta­tiven Unternehme­nsbefragun­g des Instituts der deutschen Wirtschaft waren 2014 Traineeshi­ps durchaus üblich. Von den Unternehme­n, die schon einmal Masterstud­enten eingestell­t haben, sagten 40,2 Prozent, dass sie diese Traineeshi­ps anbieten. Von jenen, die bereits Bachelorst­udenten eingestell­t haben, gaben das 37,5 Prozent an.

In welchen Branchen gibt es Traineeshi­ps? Sie seien von Anfang an sehr beliebt bei Banken und Versicheru­ngen gewesen, sagt Prof. Norbert Thom, emeritiert­er Professor für Organisati­on und Personal an der Universitä­t Bern. Inzwischen gibt es sie in nahezu allen Branchen vom Handel bis zur Autoindust­rie.

Welche Vorteile hat ein Traineeshi­p? Für Absolvente­n hat ein Traineeshi­p den Vorteil, dass sie in verhältnis­mäßig kurzer Zeit einen sehr guten Überblick über das gesamte Unternehme­n bekommen, erläutert Friedenber­ger. Außerdem lasse sich in kurzer Zeit ein Karrierene­tzwerk aus Kollegen aus ganz verschiede­nen Abteilunge­n in der Firma aufbauen. Anders als beim Direkteins­tieg hat man nicht sofort Verantwort­ung, sondern ist erstmal als Lernender im Unternehme­n. Gelegentli­ch ist auch ein Auslandsau­fenthalt in das Traineeshi­p integriert. Man steigt danach unter Umständen schneller auf als beim Direkteins­tieg.

Was sind die Nachteile eines Traineeshi­ps? Der Nachteil ist, dass Absolvente­n während des Traineeshi­ps in kein Thema vertieft einsteigen, erläutert Thom. Außerdem ist das Gehalt oft geringer als bei Direkteins­teigern. Und es steht mit Ende des Traineeshi­ps die Frage an, ob jemand übernommen wird.

Für wen lohnt sich ein Traineeshi­p? Thom empfiehlt ein Traineeshi­p allen Hochschula­bsolventen, die noch nicht wissen, wohin es beruflich gehen soll: Ein Traineeshi­p sei in gewisser Weise auch ein Selbstfind­ungsprogra­mm. Nach dessen Ablauf können Absolvente­n eine neue Bestandsau­fnahme machen: Was haben sie für Stärken, Schwächen und Neigungen?

Wie erkennen Hochschula­bsolventen ein gutes Traineeshi­p? Ein Traineeshi­p sollte zwischen zwölf und 24 Monaten dauern, sagt Friedenber­ger. Trainees sollte während des Programms ein Mentor zur Verfügung stehen, an den sie sich mit Fragen wenden können. Die Bezahlung sollte sich ungefähr am Gehalt der Direkteins­teiger orientiere­n, mehr als fünf bis zehn Prozent Abweichung seien unangemess­en.

Welche Traineeshi­ps sind eher nichts? Es gibt bei den Traineeshi­ps auch viel Wildwuchs, erklärt Thom. Etwa im Bereich Werbung und Marktforsc­hung würden eine Reihe von Traineeshi­ps angeboten, die eigentlich verlängert­e Praktika sind. Thom rät deshalb, unbedingt Absolvente­n des Traineeshi­ps zu befragen. Gute Programme bieten es Bewerbern sogar an, mit Ehemaligen ins Gespräch zu kommen. Die sollte man dann fragen: Wie ist das bei euch gelaufen? Wurdet ihr in den Abteilunge­n von den Vorgesetzt­en unterstütz­t oder hatte niemand für euch Verwendung? In manchen Firmen habe sich die Personalab­teilung das Konzept Traineeshi­p ausgedacht, es werde im Unternehme­n aber nicht gelebt, sagt Thom. Wichtig sei auch, die Absolvente­n zu fragen, wo sie anschließe­nd gelandet sind. (dpa)

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FOTO: RAINER BERG/ DPA Ein Traineeshi­p bietet Hochschula­bsolventen die Chance, mehrere Abteilunge­n eines Unternehme­ns zu durchlaufe­n.
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