Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Lehrling mit Studienabschluss
Traineeship statt Direkteinstieg – Wann ein Programm gut ist und für wen es sich lohnt
ie haben ein abgeschlossenes Studium? Und erste Erfahrungen in der Branche etwa im Rahmen von Praktika? Dann bewerben Sie sich für unser Traineeship.“So oder so ähnlich könnte eine der vielen Stellenanzeigen lauten, die sich an Hochschulabsolventen richten. Doch was ist ein Traineeship überhaupt? Was sind Vor- und Nachteile im Vergleich zum Direkteinstieg? Experten geben Antworten auf die wichtigsten Fragen:
Was ist die genaue Definition von Traineeship? Unter einem Traineeship wird in Deutschland in der Regel eine zusätzliche Ausbildung für junge Akademiker nach dem Studium verstanden, die den Berufseinstieg erleichtern soll, sagt Thomas Friedenberger, Karriereberater beim Staufenbiel Institut in Köln. Viele Traineeships sind darauf ausgelegt, Führungskräftenachwuchs heranzuziehen. Häufig dauern sie ein oder zwei Jahre, und Absolventen lernen in der Zeit verschiedene Abteilungen kennen.
Wie verbreitet sind Traineeships? Nach einer repräsentativen Unternehmensbefragung des Instituts der deutschen Wirtschaft waren 2014 Traineeships durchaus üblich. Von den Unternehmen, die schon einmal Masterstudenten eingestellt haben, sagten 40,2 Prozent, dass sie diese Traineeships anbieten. Von jenen, die bereits Bachelorstudenten eingestellt haben, gaben das 37,5 Prozent an.
In welchen Branchen gibt es Traineeships? Sie seien von Anfang an sehr beliebt bei Banken und Versicherungen gewesen, sagt Prof. Norbert Thom, emeritierter Professor für Organisation und Personal an der Universität Bern. Inzwischen gibt es sie in nahezu allen Branchen vom Handel bis zur Autoindustrie.
Welche Vorteile hat ein Traineeship? Für Absolventen hat ein Traineeship den Vorteil, dass sie in verhältnismäßig kurzer Zeit einen sehr guten Überblick über das gesamte Unternehmen bekommen, erläutert Friedenberger. Außerdem lasse sich in kurzer Zeit ein Karrierenetzwerk aus Kollegen aus ganz verschiedenen Abteilungen in der Firma aufbauen. Anders als beim Direkteinstieg hat man nicht sofort Verantwortung, sondern ist erstmal als Lernender im Unternehmen. Gelegentlich ist auch ein Auslandsaufenthalt in das Traineeship integriert. Man steigt danach unter Umständen schneller auf als beim Direkteinstieg.
Was sind die Nachteile eines Traineeships? Der Nachteil ist, dass Absolventen während des Traineeships in kein Thema vertieft einsteigen, erläutert Thom. Außerdem ist das Gehalt oft geringer als bei Direkteinsteigern. Und es steht mit Ende des Traineeships die Frage an, ob jemand übernommen wird.
Für wen lohnt sich ein Traineeship? Thom empfiehlt ein Traineeship allen Hochschulabsolventen, die noch nicht wissen, wohin es beruflich gehen soll: Ein Traineeship sei in gewisser Weise auch ein Selbstfindungsprogramm. Nach dessen Ablauf können Absolventen eine neue Bestandsaufnahme machen: Was haben sie für Stärken, Schwächen und Neigungen?
Wie erkennen Hochschulabsolventen ein gutes Traineeship? Ein Traineeship sollte zwischen zwölf und 24 Monaten dauern, sagt Friedenberger. Trainees sollte während des Programms ein Mentor zur Verfügung stehen, an den sie sich mit Fragen wenden können. Die Bezahlung sollte sich ungefähr am Gehalt der Direkteinsteiger orientieren, mehr als fünf bis zehn Prozent Abweichung seien unangemessen.
Welche Traineeships sind eher nichts? Es gibt bei den Traineeships auch viel Wildwuchs, erklärt Thom. Etwa im Bereich Werbung und Marktforschung würden eine Reihe von Traineeships angeboten, die eigentlich verlängerte Praktika sind. Thom rät deshalb, unbedingt Absolventen des Traineeships zu befragen. Gute Programme bieten es Bewerbern sogar an, mit Ehemaligen ins Gespräch zu kommen. Die sollte man dann fragen: Wie ist das bei euch gelaufen? Wurdet ihr in den Abteilungen von den Vorgesetzten unterstützt oder hatte niemand für euch Verwendung? In manchen Firmen habe sich die Personalabteilung das Konzept Traineeship ausgedacht, es werde im Unternehmen aber nicht gelebt, sagt Thom. Wichtig sei auch, die Absolventen zu fragen, wo sie anschließend gelandet sind. (dpa)