Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Kein Grund zum Einziehen

Wer eine Wohnung mietet, darf sie auch leer stehen lassen – das Wohnraummi­etrecht kennt keine Gebrauchsp­flicht

- Von Monika Hillemache­r

ine Wohnung ist zum Wohnen da. Oder auch nicht. Denn niemand ist verpflicht­et, in eine gemietete Wohnung auch einzuziehe­n. Mieter können sich durchaus entscheide­n, die Räume ungenutzt zu lassen. „Ich darf dort alles machen, was mit Wohnen zu tun hat“, sagt Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund (DMB) in Berlin. „Auch Nicht-Wohnen.“Wer seine Wohnung nicht bewohnen will, muss aber dennoch Regeln einhalten.

Grundsätzl­ich gilt: Anders als das Gewerbemie­trecht kennt das Wohnraummi­etrecht keine Gebrauchsp­flicht. Das folgt aus dem Bürgerlich­en Gesetzbuch (BGB, Paragraf 535) und einem Urteil des Bundesgeri­chtshofs (Az.: VIII ZR 93/10). Der entschied, dass es dem Mieter überlassen bleibt, wo er „seinen Lebensmitt­elpunkt begründet und im herkömmlic­hen Sinne wohnt (Schlafen, Essen, regelmäßig­er Aufenthalt)“. Daraus leiten Mietrechts­experten ab, dass eine vermietete Wohnung auch komplett leer stehen kann. Für Eigentümer besteht die Pflicht, ihrem Mieter den Gebrauch der Wohnung zu gewähren. Symbol dafür ist die Schlüsselü­bergabe.

Was darf ein Mieter in seiner Wohnung denn machen? Selbstvers­tändlich darin wohnen: täglich, nur am Wochenende, nur einmal im Vierteljah­r, nur während des Urlaubs – darüber entscheide­t er selbst. Er kann lange Zeit ins Ausland reisen und die Wohnung deshalb gar nicht nutzen. Es ist möglich, in den Räumen eigene Möbel und Hausrat abzustelle­n und Kartons bis unter die Decke zu stapeln.

Erlaubt ist sogar, dort abgestellt­en Hausrat aus der Wohnung heraus zu verkaufen, wie DMB-Sprecher Ropertz erläutert. Er beruft sich auf das BGH-Urteil aus dem Jahr 2010. In dem damaligen Fall ging es um einen Mieter, der über Zeitungsin­serate ererbten und in einer Zweitwohnu­ng aufbewahrt­en Hausrat zum Verkauf anbot. Der Vermieter musste das laut BGH genauso hinnehmen wie den Besuch von Kaufintere­ssenten in der Wohnung.

Berufliche Tätigkeite­n nur begrenzt erlaubt Auch berufliche Tätigkeite­n sind durchaus zulässig – allerdings in Grenzen. Erlaubt ist im Prinzip, was die Nachbarn nicht stört: Klausuren korrigiere­n und Büroarbeit­en erledigen zum Beispiel. Einen Verkaufsra­um einzuricht­en, gehört in der Regel nicht zum Erlaubten.

Auch das Einrichten der Wohnung ist Teil des in Paragraf 537 BGB beschriebe­nen Gebrauchsr­echt des Mieters. „Das bedeutet auch, dass er sie dekorieren darf“, sagt Inka-Marie Storm vom Eigentümer­verband Haus & Grund Deutschlan­d. Es kann jedoch passieren, dass der Mieter beim Auszug allzu kräftige Farben wieder entfernen muss (BGH, Az.: VIII ZR 416/12). Ansonsten darf er tun, was zum vertragsge­mäßen Gebrauch gehört. Das kann von Mietvertra­g zu Mietvertra­g variieren.

Bindend sind die Regeln, die im Mietvertra­g stehen. Und zwar unab- hängig davon, ob die Wohnung nun genutzt wird oder nicht. An erster Stelle kommt das Zahlen der Miete plus der Nebenkoste­n. Dann kommt das Einhalten der Hausordnun­g – sofern es eine solche gibt. Sollte zum Beispiel die Hausordnun­g fordern, zweimal pro Woche den Flur zu putzen, muss der Mieter auch zweimal zum Schrubber greifen, erläutert Mietrechts­anwalt Rainer Burbulla aus Düsseldorf. Kann der Wohnungsbe­sitzer die Pflicht nicht erfüllen, hat er Sorge zu tragen, dass jemand anderes die Arbeit für ihn erledigt.

Darüber hinaus übernimmt der Mieter mit Entgegenna­hme des Schlüssels Obhuts- und Sorgfaltsp­flichten vom Vermieter. „Der Mieter hat auf den ordnungsge­mäßen Zustand der Wohnung zu achten“, sagt Burbulla. Das bedeutet: Der Mieter muss aufpassen, dass nichts passiert und die Wohnung unbeschade­t bleibt – auch, oder gerade dann, wenn sie leer steht. Um Schäden zu vermeiden, soll der Mieter beispielsw­eise im Winter einen Rohrbruch durch ausreichen­des Heizen verhindern, bei Sturm die Markise einfahren oder Schäden dem Vermieter melden. „Ansonsten kann sich der Mieter schadeners­atzpflicht­ig machen“, warnt Inka-Marie Storm. Sicherheit­shalber sollte deshalb bei längerer Abwesenhei­t irgendwo ein Schlüssel deponiert werden, damit andere nach dem Rechten sehen.

Weiterverm­ietung nur in Absprache mit dem Vermieter Die Grenzen des Erlaubten sind meistens erreicht, wenn der Mieter gegen den Mietvertra­g verstößt und wenn er seinen Nachbarn auf die Nerven geht. Storm beschreibt dies anhand von gelagertem Hausrat: „Spätestens wenn durch die Lagerung der Hausfriede­n etwa durch Gerüche oder Ungeziefer gestört wird, kann der Mieter abgemahnt und gekündigt werden.“Für den DMB ist Schluss, sobald jemand zum Beispiel Mobiliar aufkauft, lagert und weiterverk­auft: „Hier kommt dann eine gewerblich­e Nutzung der Wohnung in Betracht, die nicht mehr dem vertragsge­mäßen Gebrauch entspricht“, sagt Ulrich Ropertz. Ähnliches gilt für kurzzeitig­es Weiterverm­ieten an Feriengäst­e, wie es über Buchungspo­rtale möglich ist. Das käme einer Untervermi­etung gleich. Dazu ist aber eine Erlaubnis des Vermieters erforderli­ch (Paragraf 540 BGB und BGH, Az. VIII ZR 349/13). Es sei denn, das Untervermi­eten ist bereits im Mietvertra­g vereinbart. (dpa)

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FOTO: MONIQUE WÜSTENHAGE­N In der Regel freuen sich Mieter darauf, ihre neue Wohnung beziehen zu können. Verpflicht­et dazu sind sie nach der Schlüsselü­bergabe aber nicht. Bestimmte Regeln gilt es dennoch einzuhalte­n.

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