Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Der Weg für Grün-Schwarz ist frei
Grüne stimmen mit über 90 Prozent zu – Lucha wird wohl Sozialminister
LEINFELDEN-ECHTERDINGEN - Der Ravensburger Grünen-Abgeordnete Manne Lucha wird aller Voraussicht nach Sozialminister im 16. Landtag von Baden-Württemberg. Das hat die „Schwäbische Zeitung“am Rande der Delegiertenkonferenz der Grünen in Leinfelden aus verlässlichen Quellen erfahren. Lucha selbst wollte sich nicht dazu äußern. 202 von 221 Delegierten haben sich am Samstagmittag für den Koalitionsvertrag mit der CDU ausgesprochen. Nach dem positiven Votum der CDU-Basis vom Freitag ist nun der Weg frei für Deutschlands erste grün-schwarze Koalition. Die Unterzeichnung des Koalitionsvertrags folgt heute.
Die grüne Bundestagsabgeordnete Agnieszka Brugger aus Ravensburg hat ihre Wette verloren. Es waren nicht mindestens genauso viele Delegierte wie am Vorabend bei der CDU, die dem gemeinsamen Vertragswerk zugestimmt haben, wie sie gedacht hatte. 94,2 Prozent der CDUStimmen hatten in offener Wahl die Koalition abgesegnet, bei den Grünen waren es in geheimer Wahl nur 91,4 Prozent.
Kritik der Grünen Jugend Viel Kritik hatten die Anwesenden während der Aussprache nicht geäußert. Mit Transparenten bestückt führte vor allem die Grüne Jugend den Protest an – auch nicht grundsätzlich gegen die „demokratische Zwangsheirat“, wie die Vorsitzende Leonie Wolf die Koalition mit der CDU nannte, sondern gegen konkrete Kompromisse. Enttäuschend sei, dass die Grünen nicht die Kenn- zeichnungspflicht für Polizisten hätten durchsetzen können. Als „Skandal“bezeichnete sie geplante Online-Durchsuchungen und präventive Abhörmaßnahmen. Die Gesundheitskarte für Flüchtlinge sei nicht im Vertrag, dafür aber eine Wohnsitzauflage, kritisierte sie.
Der Landesvorsitzende Oliver Hildenbrand räumte ein, dass die Grünen sich nicht in allen Punkten hätten durchsetzen können. Doch er konterte: „Wir haben schwarze Angriffe abgewehrt und grüne Akzente gesetzt.“So seien etwa die Bodycams, die Polizisten am Körper tragen werden, auch dazu da, das Agieren der Polizei zu kontrollieren. Freiwillige Rückkehr habe weiterhin Vorrang vor Abschiebung, betonte er. Und er zitierte aus dem Koalitionsvertrag, in dem der Familie eine besondere Bedeutung beigemessen werde, „unabhängig von der konkreten Form des Zusammenlebens“.
Von vielen bitter beklagt wurde der Verlust des Landwirtschaftsministeriums an die CDU, doch sprach der scheidende Minister Alexander Bonde mit Verweis auf den Koalitionsvertrag von einer „ökologischen Schnellbleiche“der CDU – etwa beim Jagdgesetz, an dem kaum Veränderungen vorgenommen werden. Was aus seiner politischen Zukunft wird, ließ er offen. Er bekräftigte, dass er für ein Amt in erster Reihe nicht zur Verfügung stehe. Doch falls ihn die Partei für ein Amt in hinterer Reihe brauche, sei er zu Hause in Bai- ersbronn zu finden. Ein Abgeordnetenmandat hat er nicht.
Der grüne Bundesvorsitzende Cem Özdemir lobte, dass sich Modernisierung und Klimaschutz „wie ein grüner Faden“durch den Koalitionsvertrag zögen. Er forderte seine Parteifreunde auf, selbstbewusst zu sein und einzusehen, wie erfolgreich die Grünen mittlerweile seien. Ähnlich äußerte sich der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer. „Ich werbe nicht um Zustimmung für diesen Koalitionsvertrag“, sagte er, sondern um „Begeisterung“.
Lob für Sitzmann Ministerpräsident Kretschmann erinnerte daran, dass viel passiert sei, seitdem er 1979 den Landesverband der Grünen mitgegründet habe. „Wir sind nun wirklich voll angekommen in diesem Land“, sagte er. Er nannte das Bündnis mit der CDU eine „Koalition des gesellschaftlichen Zusammenhalts“, um deren Bildung schwierige Kompromisse nötig gewesen seien.
Die Fraktionschefin Edith Sitzmann lobte er für ihr hartes Verhandlungsgeschick während der Koalitionsgespräche. Aus Parteikreisen wurde am Rande der Konferenz bekannt, dass sie künftig das Finanzministerium verantworten soll. Damit scheinen die fünf Ministerien, die die Grünen künftig besetzen, vergeben zu sein. Als unstrittig gilt, dass Wissenschaftsministerin Theresia Bauer, Umweltminister Franz Untersteller und Verkehrsminister Winfried Hermann in ihren Ämtern verbleiben. Spätestens am Dienstag will Kretschmann die Spekulationen um Posten beenden.