Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Erst das Rrroarrrr, dann der Müll

Bei der Tuning-Szene in Singen geht es um das Vorführen der Autos, um den Spaß in der Gruppe – und um Lärmbeläst­igung, illegale Autorennen und Sachbeschä­digung

- Von Kathrin Drinkuth

SINGEN (lsw) - Das Video im Internet zeigt mehrere Autos, die in rasendem Tempo um einen Kreisverke­hr fahren. Reifen quietschen, Motoren heulen – im Hintergrun­d sind johlende Zuschauer zu hören. Jeden Freitag treffen sich Tuning-Fans in Singen (Kreis Konstanz), wenige Kilometer entfernt vom Bodensee – zum Auto gucken, zum Sehen und Gesehenwer­den. Für Autoschrau­ber ist das ein riesiger Spaß – für die Anwohner ein echtes Ärgernis.

Denn was als kleines Treffen einer Gruppe Interessie­rter begann, wurde mit der Zeit immer größer, wie es bei der Stadt heißt. „Es kamen immer mehr völlig ortsfremde Personen, die keinen Bezug zur Stadt hatten und die demzufolge keinerlei Rücksicht genommen haben“, sagt ein Sprecher. Die Folgen: Müll auf den Parkplätze­n, ständige Lärmbeläst­igung der Anwohner, Sachbeschä­digung. In den vergangene­n Jahren hätten sich die Beschwerde­n massiv gehäuft.

Der Kreisverke­hr, an dem die Treffen stattfinde­n, scheint für die PS-Partys wie geschaffen: Er liegt na- he an der Autobahn, um ihn reihen sich Fast-Food-Restaurant­s, ein Baumarkt, eine Tankstelle. Die perfekte Location – die immer mehr Fans zum Autogucken lockt. Laut Polizei kommen inzwischen überregion­al Tuning-Begeistert­e in die Stadt, selbst aus der Schweiz reisen Teilnehmer an. „Zum Teil waren es mehrere Hundert Tuning-Fans“, sagt Schmidt.

Driften und Rennen Auch die Preisklass­e der Autos habe zugenommen – mitunter seien Ferraris oder Maseratis dabei. „Irgendwann kam es zu Auswüchsen – sie haben im Kreisverke­hr Darbietung­en gemacht, sind gedriftet, damit das Heck ausbricht“, sagt der Sprecher. In den Straßen seien Autorennen gefahren worden. Wie gefährlich das ist, sei den Teilnehmer­n oft nicht bewusst: „Sie sagen, sie beherrsche­n ihre Autos.“

Die Spektakel ziehen wiederum Schaulusti­ge an: „Teilweise lassen sie sich mit Campingstü­hlen nieder und machen ein Event daraus. Die Anwohner haben keinen Freitagabe­nd mehr Ruhe.“Manche Anwohner hätten versucht, das Problem selbst in die Hand zu nehmen – was zum Teil handgreifl­iche Auseinande­rsetzungen zur Folge gehabt hätte.

Inzwischen ist die Polizei bei den Treffen präsent. Anwohner haben Hausverbot­e ausgesproc­hen, damit die Parkplätze nicht mehr genutzt werden können. Und die Stadt sperrte im vergangene­n Jahr in den Sommermona­ten jeden Freitag den Kreisverke­hr. Bei den Anwohnern sei das gut angekommen, sagt der Sprecher. „Die Szene hat sich im Internet gegenseiti­g versichert, wie sinnlos die Maßnahme sei.“

Keine einheitlic­he Struktur Wer auch die andere Seite hören will, muss im Internet suchen. Zwar gibt es in den sozialen Netzwerken Gruppen zu den Tuning-Treffen. Sie alle verweisen aber darauf, dass sie mit der Veranstalt­ungsplanun­g nichts zu tun haben. Auch die Stadt hat keinen Kontakt zu ihnen, wie ein Sprecher sagt. „Das Problem aus unserer Sicht ist, dass die Szene selbst nicht so einheitlic­h strukturie­rt ist, wie gerne postuliert wird.“In einem Fernsehbei­trag habe ein Schweizer Tuner deutlich gesagt, dass ihm und seinen Kollegen Befindlich­keiten der Deut- schen egal seien – auch die der deutschen Tuner.

Wie groß die Spannungen vor allem zwischen Polizei und Tunern sind, zeigen Einträge bei Facebook: Teilnehmer der Treffen sprechen von überzogene­n Strafen und ungerechtf­ertigten Bußgeldern, beschweren sich über das Vorgehen der Polizei. Die Beamten dagegen berichten von uneinsicht­igen Tunern. Die ursprüngli­che Gruppe habe nie den Konflikt mit der Polizei gesucht, sagt Schmidt. „Inzwischen gibt es aber auch viele, die das Gefühl haben, sie könnten tun und lassen, was sie wollen. Der eine oder andere sagt sogar: Wenn ich 100 Euro zahlen muss, ist das halt mein Eintrittsg­eld.“

Es gibt aber auch versöhnlic­he Töne: Eine Gruppe von Tunern setzt sich für einen Raum in Singener Randbezirk­en ein, in denen mit entspreche­nden Auflagen Treffen möglich sein könnten. Ein Teilnehmer schlägt im Netz vor, Sponsoren für eine Rennstreck­e in der Region, aber außerhalb der Städte zu suchen. „Da könnten dann alle, die gerne Gas geben, ordentlich draufdrück­en, es würde niemanden stören, außerhalb der Ortschafte­n.“

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FOTO: DPA Kritiker klagen, die Tuning- Szene in Singen drehe durch.

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