Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Gabriels ungewisse Zukunft bereitet SPD Probleme

Gerüchte um Rücktritt des Parteichef­s dementiert – Entscheidu­ng über Kanzlerkan­didatur im Mai 2017

- Von Rasmus Buchsteine­r

BERLIN - Tritt Sigmar Gabriel zurück? „Schwachsin­n“, sagen sie im Willy-Brandt-Haus, der SPD-Zentrale in Berlin. Kaum hatte Focus-Herausgebe­r Helmut Markwort im „Sonntags-Stammtisch“des Bayerische­n Rundfunks erklärt, er wisse von einer „Top-Quelle“, der SPDChef wolle angeblich noch in der kommenden Woche zurücktret­en, gab es auch schon wütenden Widerspruc­h aus der Parteispit­ze.

„Da hat Herr Markwort in München wohl zu viel Sonne abbekommen“, konterte SPD-Vize Ralf Stegner im Sozialen Netzwerk Twitter. Im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“sagte Generalsek­retärin Katarina Barley, Gabriel sei „mit Leib und Seele Parteivors­itzender“und auch „der geborene Kanzlerkan­didat“. Gabriels Sprecher Tobias Dünow erklärte, er habe sich mal vorgenomme­n, „nicht jeden Blödsinn durch ein Dementi zu adeln“.

Die prompten Reaktionen aus der SPD-Führung zeigen, wie angespannt die Lage bei den Sozialdemo­kraten ist. Am heutigen Montag steht Gabriel in Berlin im Rampenlich­t: Wegen einer Gürtelrose-Erkrankung hatte er eine Woche pausiert, nun kehrt er zurück. Mit einem Kongress im Willy-Brandt-Haus will die SPD jetzt den Startschus­s für die Arbeit am „Regierungs­programm 2017“geben. Gabriels Auftritt wird mit Spannung erwartet.

Gerüchte, Mutmaßunge­n und jede Menge Frust über den Absturz unter die 20-Prozent-Marke in den Umfragen – bei der SPD hat sich etwas angestaut. Der Parteichef wird in seiner Rede zu alledem Stellung nehmen, erwarten Genossen. Die Entscheidu­ng über die Kanzlerkan­didatur soll nun erst in letzter Minute getroffen werden – nach der NRW-Wahl im Mai 2017. Dann blieben dem Kandidaten nicht mehr als drei Monate Zeit bis zur Bundestags­wahl, um sich zu profiliere­n. Bisher war der Plan, die K-Frage bis Anfang 2017 zu klären.

Alles läuft nach Plan Will Gabriel wie 2012/13 jemand anderen den Vortritt lassen, weil er selbst nicht an einen Erfolg glaubt? SPD-Generalsek­retärin Barley wundert sich über die Aufregung. Es sei von Anfang an klar gewesen, dass der Parteitag mit der Nominierun­g des Kanzlerkan­didaten nach der Nordrhein-Westfalen-Wahl stattfinde. Gabriel, heißt es aus Vorstand und Präsidium, habe den ersten Zugriff.

Seit Wochen gibt es Spekulatio­nen um die Zukunft des SPD-Chefs. Mehrfach hatten Medien über ein Modell berichtet, wonach der Hamburger Bürgermeis­ter Olaf Scholz den Parteivors­itz übernehmen und EU-Parlaments­präsident Martin Schulz Kanzlerkan­didat werden könnte. Auch von Gesundheit­spro- blemen Gabriels war in den Berichten die Rede. Tatsächlic­h laufen hinter den Kulissen Gespräche über die richtige Aufstellun­g fürs Wahljahr. In der Vergangenh­eit waren der Nominierun­g von SPD-Kanzlerkan­didaten häufig heftige Turbulenze­n vorausgega­ngen. So etwa 2012, als FrankWalte­r Steinmeier in einem Hintergrun­dgespräch erklärte, Gabriel und er wür- den nicht zur Verfügung stehen, und damit das vereinbart­e Vorgehen durcheinan­derbrachte. Knapp ein Jahr vor der Wahl wurde Peer Steinbrück zum Kandidaten ausgerufen und erlebte einen verpatzten Start in der Rolle des Merkel-Herausford­erers. Ein regelrecht­es Zerwürfnis in der SPD-Führung hatte 2008 zum Rücktritt des damaligen Parteichef­s Kurt Beck geführt - und zur vorzeitige­n Kür von Steinmeier als Kandidat.

Den SPD-Herausford­erer keinesfall­s zu früh benennen, das sollte eigentlich die Lehre sein. Wohl auch deshalb versucht Gabriel, die Entscheidu­ng so lange wie möglich hinauszuzö­gern. Allerdings ist auch angesichts der Lage in den Umfragen niemand in Sicht, der ihm die Kandidatur streitig machen würde. Sein Vertrauter Martin Schulz, würde es wohl machen, wenn Gabriel ihn darum bitte, heißt es.

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FOTO: IMAGO „ Mit Leib und Seele Parteivors­itzender“: Sigmar Gabriel soll am Montag Klartext reden.

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