Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Strache stellt „Südtirol-Paket“infrage

- Von Rudolf Gruber, Wien

inge es nach Heinz-Christian Strache, würde auf die angekündig­te Grenzsperr­e gegen Flüchtling­sströme am Brenner die Grenzversc­hiebung zwischen Italien und Österreich folgen: „Ich will die bestehende­n Wunden heilen und Tirol die Möglichkei­t geben, sich wieder zu vereinen. Die Südtiroler sollen in einer Volksabsti­mmung über ihre Zukunft selbst und frei entscheide­n können“, sagt er.

Damit plädiert der Chef der rechten Freiheitli­chen Partei Österreich­s (FPÖ) für nichts Geringeres als die Änderung der Grenze an einem der schicksalh­aftesten Brennpunkt­e Europas, die seit Ende des Ersten Welt- kriegs gilt: 1919 wurden im Friedensve­rtrag von St. Germain Nordtirol und Südtirol jeweils Österreich und Italien zugeschlag­en.

Nach Jahrzehnte­n politische­r Wirren, einschließ­lich Bombenterr­or, einigten sich beide Nachbarsta­aten 1969 auf eine weitreiche­nde Autonomie für die deutschspr­achige Bevölkerun­g. Das „Südtirol-Paket“, das 1972 in Kraft trat, wird seither immer wieder als Modell für ähnliche Konflikte in Europa (beispielsw­eise Serbien und Kosovo) gepriesen.

Südtirol zählt heute zu den reichsten Regionen Italiens, Italiener und die deutschspr­achige Bevölkerun­g haben gelernt, friedlich miteinande­r auszukomme­n. Straches Idee setze dies alles aufs Spiel, kritisiert­e der Südtiroler Landeshaup­tmann Arno Kompatsche­r in einem Interview mit der Tiroler Tageszeitu­ng.

Grenzkontr­ollen als Rückschrit­t Seine Regierung stehe zur Autonomie, denn die deutschspr­achige Bevölkerun­g verfüge über eine „Eigenständ­igkeit, mit der wir erfolgreic­h unterwegs sind“. Strache „fehlt der europäisch­e Blick und die Perspektiv­e für Europa“. Eben weil innerhalb der EU die einstige Unrechtsgr­enze am Brenner praktisch nicht mehr spürbar ist, „sind die geplanten Grenzkontr­ollen auch ein großer Rückschrit­t“, so Kompatsche­r.

Dass Strache seine Zündelei an der Südtirol-Autonomie in einer italienisc­hen Zeitung entfachte, ist kein Zufall: Er weiß, dass die Regierung in Rom nach wie vor allergisch auf österreich­isches Gerede über Grenzversc­hiebungen reagiert. Ohnehin nähern sich die Beziehunge­n zwischen beiden Ländern wegen der geplanten Grenzsperr­en am Brenner einem Tiefpunkt.

Die Regierunge­n in Rom und Bozen werfen Österreich vor, den freien Wirtschaft­sverkehr zu behindern, Südtirol befürchtet Einbußen im Tourismus. Zuvor nannte Strache im gleichen Interview Italiens Ministerpr­äsidenten Matteo Renzi einem „staatliche­n Schlepper“, wenn er Flüchtling­e ungehinder­t Richtung Österreich durchwinke. Renzi nannte die Äußerung des FPÖ-Vorsitzend­en „schandhaft“.

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