Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Griechen demonstrieren gegen neues Sparpaket
Das Dilemma für Griechenland bleibt: Entweder weitere Reformen und Einschnitte oder die Pleite droht
ATHEN (dpa) - Aus Protest gegen neue Rentenkürzungen und eine Erhöhung der Einkommenssteuer haben in Athen Tausende Griechen vor dem Parlament demonstriert. „Nieder mit dem Sparmaßnahmen-Fallbeil für unsere Renten“, hieß es auf Transparenten, die das griechische Fernsehen zeigte. Zu der Demonstration hatte die kommunistische Gewerkschaft Pame aufgerufen. Am Abend stürzten einige Hundert Randalierer die bis dahin friedliche Demonstration ins Chaos. Sie warfen Brandflaschen auf die Polizei, die Beamten setzten Tränengas ein. Die Sparmaßnahmen sind Voraussetzung für weitere Hilfen seitens der Gläubiger für das von der Pleite bedrohte Griechenland. Die Finanzminister der Eurogruppe wollen heute in Brüssel darüber beraten.
Im Parlament in Athen wurde am späten Sonntagabend nach einer zweitägigen zum Teil stürmisch verlaufenen Debatte das neue harte Sparprogramm gebilligt. Alle 153 Abgeordneten der Regierungskoalition votierten mit „Ja“. Das Paket hat ein Volumen von insgesamt 5,4 Milliarden Euro. Im Detail geht es dabei um Rentenkürzungen und Erhöhungen der direkten und indirekten Steuern um jeweils 1,8 Milliarden Euro.
EU-Kommissionspräsident JeanClaude Juncker sieht das Krisenland auf einem guten Weg. „Wir sind gerade bei der ersten Überprüfung des Programmes, und die Ziele sind so gut wie erreicht“, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die eu- ropäischen Finanzminister würden heute „erste Diskussionen darüber führen, wie man die Schulden für Griechenland langfristig tragfähig machen kann“. Vor allem der Internationale Währungsfonds (IWF) macht sich dafür stark, schnell über Schuldenerleichterungen zu verhandeln. Das Thema müsse „sofort auf den Tisch“, schrieb IWF-Chefin Christine Lagarde an die 19 Eurozonen-Länder.
Regierungsvertreter zuversichtlich Regierungsabgeordnete warben für das Reformprogramm. Bereits am Vortag hatte Regierungschef Alexis Tsipras gewarnt, ohne Reformen werde Athen bald gar keine Renten zahlen können. Die Sprecher der stärksten Oppositionspartei Nea Dimokratia (ND) warfen der Regierung vor, sie habe nicht den Mut, statt die Renten zu kürzen, den staatlichen Bereich zu verkleinern. Regierungsvertreter zeigten sich zuversichtlich: „Das Parlament wird das Gesetz billigen. Es wird keine Abweichler geben“, sagte ein Regierungssprecher im Fernsehen. Dies bekräftigten auch mehrere Minister im Parlament. Die Regierung unter dem linken Premier Alexis Tsipras verfügt über eine knappe Mehrheit von 153 Abgeordneten im Parlament mit 300 Sitzen.
Vor allem der IWF fordert weitere Sparanstrengungen in einem Umfang von 3,6 Milliarden Euro. Die Schritte sollen aber nur in die Tat umgesetzt werden, falls das Krisenland Budgetziele nicht erreicht. Das „Sparpaket auf Vorrat“ist umstritten: Der IWF ordnet den griechischen Staat in eine weitaus prekäreren finanziellen Lage als die Europäer ein. Die Europäer unterstützten die IWF-Forderung, denn sie wollen den Weltwährungsfonds beim dritten Hilfspaket in Höhe von bis zu 86 Milliarden Euro mit an Bord haben. Die Regierung in Athen sieht indes keine Chance, einen solchen Vorratsbeschluss durchs Parlament zu bekommen.
Der IWF verlangt zudem von der Eurozone unverzügliche Verhandlungen über Schuldenerleichterungen für Griechenland. Einen entsprechenden Brief von IWF-Chefin Christine Lagarde hatte am Freitag ein IWF-Sprecher in Washington bestätigt. „Ich kann bestätigen, dass es den Brief gibt“, sagt er der Deutschen Presse-Agentur. Die Gespräche über weitere Haushaltseinsparungen in Griechenland in Höhe von drei Milliarden Euro seien fruchtlos. Die Vereinbarung mit der EU, mittel- und langfristig einen Haushaltsüberschuss (ohne Schuldendienst) von 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erwirtschaften, sei unrealistisch. Dieses Ziel müsse auf 1,5 Prozent nach unten korrigiert werden. „Machen wir uns nichts vor – dieses höhere Ziel wäre nicht nur sehr schwer zu erreichen, es wäre möglicherweise auch kontraproduktiv“, schrieb Lagarde. Um 3,5 Prozent zu erreichen, müsste Griechenland noch heftiger sparen.