Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Rentner rast in Straßencaf­é – Zwei Tote

Autoclubs und Politiker lehnen verpflicht­ende Fahrtests für Senioren ab

- Von Kathrin Drinkuth und Annika Grah

BAD SÄCKINGEN (dpa) - Ein 84-Jähriger verliert die Kontrolle über sein Auto und rast in eine Menschengr­uppe, zwei Menschen sterben. Warum er in der Fußgängerz­one von Bad Säckingen unterwegs war, ist ein Rätsel. Der Unfall vom Samstag befeuert die Debatte um Senioren am Steuer neu. Dann ereignet sich ein ähnlicher Unfall, bei dem ein 16-Jähriger am Steuer sitzt.

Es ist ein warmer Samstag in Bad Säckingen, die Sonne hat zahlreiche Passanten in die Fußgängerz­one gelockt. Die Menschen essen Eis, bummeln durch die Straßen – doch die Idylle in der Kurstadt im Landkreis Waldshut wird jäh unterbroch­en: Kurz nach 12 Uhr verliert ein 84-Jähriger die Kontrolle über sein Auto und rast in eine Menschenme­nge vor einem Straßencaf­é. Der Mann hatte statt der Bremse das Gaspedal durchgedrü­ckt. Zwei Menschen sterben bei dem Unfall, viele Weitere werden verletzt – manche schwer.

Die Fußgängerz­one der kleinen Stadt nahe der Schweizer Grenze verwandelt sich daraufhin in ein Einsatzzen­trum. In den schmalen Gassen, in denen Passanten kurz zuvor noch den Vormittag genossen haben, stehen nun Polizisten, Feuerwehrl­eute, Sanitäter und ein Kriseninte­rventionst­eam aus dem nahegelege­nen Waldshut. Über Bad Säckingen fliegen mehrere Rettungshu­bschrauber, zahlreiche Sirenen sind zu hören. Die Ecke wird von den Einsatzkrä­ften mit einem Bauzaun und einer blauen Plane abgeschirm­t. Als ein Sarg in einen goldfarben­en Wagen gebracht und abtranspor­tiert wird, halten vier Feuerwehrl­eute braune Decken als Sichtschut­z in die Höhe.

Erst nach und nach wird auch der Hergang des Unfalls klarer: Ein Fahrfehler sei die Ursache, heißt es bei der Polizei. Das Auto des 84-Jährigen habe stark beschleuni­gt und mehrere Tische auf der Terrasse des Cafés umgefahren. Warum der Mann mit seinem Wagen in der Fußgängerz­one unterwegs war, ist noch unklar.

Demografie als wichtiger Faktor Das Thema Fahrtüchti­gkeit im Alter wird in Deutschlan­d immer wieder kontrovers diskutiert. Erst kürzlich hatten Experten Testfahrte­n für ältere Autofahrer gefordert – gesetzlich verpflicht­end und mit geschulten Beobachter­n. Solche Überprüfun­gen seien aufschluss­reicher als medizinisc­he Tests – und Handlungsb­edarf gebe es, weil die Zahl älterer Fahrer wegen der demografis­chen Entwick- lung stark zunehmen werde, hieß es im Januar von der Unfallfors­chung der Versichere­r.

Das Bundesverk­ehrsminist­erium erteilt generellen Fahrtests für ältere Autofahrer allerdings eine Absage. Es gebe keine Überlegung­en für Pflichttes­ts für Senioren, sagte ein Sprecher des Ministeriu­ms am Wochenende. Auch der baden-württember­gische Verkehrsmi­nister Winfried Hermann (Grüne) setzt auf Freiwillig­keit und Vernunft statt auf Zwang. Gemessen an ihrem Bevölkerun­gsanteil ist die Gruppe der Senioren pauschal betrachtet keine unfallauff­ällige Gruppe, heißt es auch aus dem Landesmini­sterium.

ADAC sieht Tests kritisch Auch der ADAC verweist auf die Statistik und spricht sich gegen Pflichttes­ts aus. Der Auto Club Europa (ACE) sieht diese ebenfalls kritisch. Trainings seien eine mögliche Lösung, sagte ein ACE-Sprecher. Aber auch das Umfeld älterer Menschen sei in der Pflicht. „Das darf kein Tabuthema sein, sondern muss in der Familie thematisie­rt werden.“Allerdings machten auch jüngere Fahrer Fehler.

Das zeigte am Samstag ein weiterer tragischer Unfall: Ein 16 Jahre alter Jugendlich­er übte mit seinen El- tern auf einem Parkplatz im südbadisch­en Tengen einparken und verwechsel­te Bremse mit Gaspedal. Das Auto fuhr nach Polizeiang­aben über einen Absatz auf eine Wiese und erfasste einen 52-Jährigen, der dort auf einer Bank saß. Der Mann wurde lebensgefä­hrlich verletzt. Der Junge hatte noch keinen Führersche­in.

In Bad Säckingen wurde eine 63 Jahre alte Frau bei dem Unfall tödlich verletzt, ein Mann starb später im Krankenhau­s. Seine Identität war auch am Sonntag zunächst weiterhin ungeklärt, weil der Mann noch von Angehörige­n identifizi­ert werden musste. Insgesamt waren 13 Menschen in Krankenhäu­ser gebracht worden. Auch der 84-Jährige sei in Behandlung.

Bereits am Freitag hatte eine 86 Jahre alte Autofahrer­in im bayerische­n Kemnath beim Ausparken aus ihrer Garage eine Fußgängeri­n angefahren und getötet. Die 83 Jahre alte Rentnerin wurde zwar noch in das Klinikum Bayreuth geflogen, dort verstarb die Frau aber nach wenigen Stunden. Auch in Dortmund verlor ein 79-Jähriger die Kontrolle über sein Auto. Auf dem Parkplatz eines Einkaufsze­ntrums raste er in zwei parkende Autos. Er und seine Beifahreri­n sowie die Insassen eines geparkten Autos wurden verletzt.

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FOTO: DPA Die Fußgängerz­one von Bad Säckingen an der Schweizer Grenze wurde zum Einsatzzen­trum, nachdem ein 84 Jahre alter Mann dort am Samstagmit­tag mit seinem Auto einen folgenschw­eren Unfall hatte.

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