Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Grüne und CDU besiegeln Koalitionsvertrag
Parteien unterzeichnen Koalitionsvertrag – Strobl spricht vom „Atem der Geschichte“
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und sein designierter Stellvertreter, CDU-Landeschef Thomas Strobl, haben am Montag Deutschlands ersten grün-schwarzen Koalitionsvertrag unterzeichnet. Auch Vertreter ihrer Parteien und Landtagsfraktionen unterschrieben das Vertragswerk (Foto: dpa), das Kretschmann als „Grundlage für eine verlässliche Landesregierung“bezeichnete. Heute wollen die beiden Frontmänner ihre Minister offiziell bekannt geben.
STUTTGART - „Es kann losgehen“, hat Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Montagmittag in Stuttgart gesagt. Mit „es“meinte er Deutschlands erste grünschwarze Regierung, die die Grünen als Seniorpartner mit der CDU in Baden-Württemberg bilden. Den gemeinsamen Koalitionsvertrag haben Kretschmann und sein designierter Vize, der CDU-Landeschef Thomas Strobl, im gläsernen „Cube“des Kunstmuseums über den Dächern der Stuttgarter Innenstadt unterzeichnet.
Still war es im gläsernen Raum, als die beiden Chefunterhändler des ersten Kiwi-Bündnisses mit ihrer Unterschrift die Zusammenarbeit für die kommenden fünf Jahre besiegelten. Allein das Geläut von Kirchenglocken drang in diesem historischen Moment ins Innere. Ein Gläschen Sekt nach der Unterzeichnung, dann gingen die künftigen Koalitionäre nach einer knappen halben Stunde des gemeinsamen Auftritts wieder ihrer Wege.
Zuvor hatte Strobl schon fast lyrisch erklärt: „Der Atem der Geschichte weht durch diese Räume, durch Stuttgart und durch BadenWürttemberg – wenigstens ein bisschen.“Während in Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt die Regierungskoalitionen längst stünden, habe man im Südwesten ein bisschen länger gebraucht – schließlich seien es harte Verhandlungen gewesen. Aber, so Strobl, man habe sie mit „heißem Herzen und kühlem Verstand geführt“. Thomas Strobl, CDU- Landeschef
Diese grün-schwarze Koalition wertete er als „Chance, Lösungen zu finden und umzusetzen, die länger andauern als fünf Jahre.“Das Beispiel, das er und auch Kretschmann in diesem Zusammenhang nannten, ist die Schulpolitik. Das klare Votum der Parteibasis von Grünen und CDU am Wochenende – auf Delegiertenkonferenzen gab es von beiden Parteien mehr als 90 Prozent Zu- stimmung zum Koalitionsvertrag – gebe beiden Partnern „Kraft und Rückenwind“, sagte Strobl.
Auch Kretschmann betonte die Chancen der gemeinsamen Koalition, neue Schwerpunkte und Akzente setzen zu können: bei der Nachhaltigkeit und der Erhaltung der Schöpfung ebenso wie mit einer Digitalisierungsoffensive in Wirtschaft, Verkehr und Bildung. Immer wieder hatten Kretschmann und Strobl betont, dass ihre Parteien keine gemeinsame Koalition angestrebt hätten.
Nun liegen laut Strobl „intensive Wochen, aber auch eine schöne Zeit“der Koalitionsverhandlungen hinter ihnen – eine Zeit des besseren Kennenlernens. Kretschmann scheint das ähnlich zu sehen, denn er sagte in Richtung seines designierten Stellvertreters Strobl: „Ich freue mich auf die künftige Zusammenarbeit mit Ihnen und Ihrer Mannschaft.“
Heute wollen Kretschmann und Strobl ihre jeweils fünf Minister und vier Staatssekretäre offiziell bekannt geben. Zudem tagen morgen die Landtagsfraktionen beider Parteien. Dabei wird es auch um die Frage gehen, wie sich ihr jeweiliger Vorstand aufstellt. Die bisherige Grünen-Fraktionschefin Edith Sitzmann wird al- ler Voraussicht nach neue Finanzministerin. Ihr Nachfolger sowie die künftig fünf statt vier Stellvertreter sollen gewählt werden. Die GrünenFraktion sucht zudem nach einem neuen Landtagspräsidenten, die CDU nach einem Stellvertreter.
Falls Guido Wolf Minister wird – Justiz ist mittlerweile wahrscheinlicher als Wirtschaft, braucht auch die CDU-Fraktion einen neuen Chef.
„90 Prozent Zustimmung gibt beiden Partnern Kraft und Rückenwind.“ „Ich freue mich auf die künftige Zusammenarbeit mit Ihnen.“
Ministerpräsident Winfried Kretschmann ( Grüne)
Aber auch wenn Wolf Vorsitzender bleiben möchte, könnte es zu einer Kampfabstimmung kommen. Ex-Finanzminister Willi Stächele soll sich in Position bringen, wie zu vernehmen war. Zudem ist davon auszugehen, dass Wissenschaftsministerin Theresia Bauer, Verkehrsminister Winfried Hermann und Umweltminister Franz Untersteller ihre Ressorts behalten.