Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ein Franke entdeckt das Allgäu

Markus Söder, potenziell­er Seehofer-Nachfolger, verspricht den regionalen CSU-Honoratior­en Wohltaten und sammelt Unterstütz­er

- Von Uwe Jauß

MEMMINGEN - „Jetzt kommt gleich der Scherz mit seinem Doktortite­l“, flüstert der benachbart­e, dunkel gekleidete Anzugsmens­ch. Er ist Teil eines ebenso festlich gekleidete­n Publikums, das in der Memminger Stadthalle Markus Söder lauscht. Der bayerische Finanz- und Heimatmini­ster hat zum Empfang geladen. Er redet und redet. Alles altbekannt­e Sprüche. Und tatsächlic­h, der Doktortite­l-Scherz kommt auch. Söder ist promoviert­er Jurist. Ja, er habe seinen Titel schließlic­h noch – anders als andere, meint der 49-Jährige schmunzeln­d.

Ungeschick­terweise gehören die meisten der Anwesenden zum Umkreis der Allgäuer CSU. Viele davon sind immer dabei, wenn eine solch christsozi­ale Größe wie Söder in die Region kommt. Schon die Spekulatio­n, dass er wohl nach Horst Seehofer der nächste Ministerpr­äsident Bayerns sein könnte, sorgt für Anziehungs­kraft. Deshalb fällt auch auf, wenn jemand immer dasselbe sagt. Im Falle von Söder dürfte dies im Allgäu in den vergangene­n Monaten sicher vier- oder fünfmal gewesen sein. „Zehnmal“, behauptet ein genervter Zuhörer.

Auf jeden Fall scheint Söder seine Liebe zum Allgäu entdeckt zu haben. In den Jahren zuvor verschlug es ihn eher selten in diese Ecke abseits der bayerische­n Ballungsze­ntren. „Der will jetzt halt auch hier seine Truppen für die Seehofer-Nachfolge sammeln“, lautet die Mutmaßung eines regionalen CSU-Insiders. Die Vermutung liegt nahe. Seehofer zeigt sich über seine Zukunft unschlüssi­g.

Eigentlich will er 2017 bei den nächsten Wahlen im Freistaat nicht wieder antreten. Vielleicht aber doch. Manchmal schwächelt er jedoch auch körperlich. Eventuell ist Seehofer schneller weg als gedacht. Gut also, wenn man rechtzeiti­g um Unterstütz­er wirbt. Söders mögliche Konkurrent­en scheinen aber nicht so richtig aus den Startlöche­rn zu kom- men. Dies gilt etwa für Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann. Womöglich lässt ihm die Flüchtling­spolitik gegenwärti­g auch keine Zeit zur Verfolgung persönlich­er Ambitionen. Aber selbst Wirtschaft­sministeri­n Ilse Aigner, Söders zäheste Mitbewerbe­rin, tut sich mit dem Profiliere­n für höhere Aufgaben schwer.

Dabei hätte die 51-Jährige gute Startvorau­ssetzungen. Selbst Erfahrunge­n als Bundesmini­sterin konnte sie bereits sammeln. Schwerer dürfte jedoch etwas anderes wiegen: Aigner ist Chefin der oberbayeri­schen CSU, des mächtigste­n Bezirksver­bands der Christsozi­alen. Gegen ihn geht in der Partei nicht viel. Söder steht zwar auch einem CSU-Bezirk vor. Er nennt sich Nürnberg-FürthSchwa­bach, ein ökonomisch starker fränkische­r Wirtschaft­sraum, der jedoch kaum Neigung zu weiß-blauer Folklore hat und damit auch wenig die CSU-Seele streichelt. Söder verfügt aber über andere Möglichkei­ten, Parteimitg­lieder zu bezirzen.

Bälle zuspielen Als Finanzmini­ster sitzt er auf dem Geld. Als Heimatmini­ster ist es ihm möglich, Euros gezielt unter die Leute zu bringen. Regionalen CSUGranden ist wiederum klar, wo ihre Wunschlist­en am besten aufgehoben sind. So können sich beide Seiten die Bälle gezielt zuspielen. Söder weiß dann, welches Zuckerle wo gefragt ist.

Anfang Januar war Söder beispielsw­eise auf dem Neujahrsem­pfang der Oberallgäu­er CSU im biederen Fischener Kursaal als Hauptredne­r erschienen. Er präsentier­te den obligatori­schen Doktortite­l-Scherz, forderte zum x-ten Mal eine striktere Flüchtling­spolitik, feierte sich selbst. Reden kann Söder. Für jene aus dem politische­n Fußvolk, die ihn selten erleben, hört sich das oft mit einem spitzbübis­chen Unterton Gesagte sogar amüsant an. Für die schwarze Honoratior­enschaft im ebenso schwarz gefärbten Oberallgäu zählt dagegen anderes. Seinerzeit wartete sie auf ein positives Wort zur umstritten­en Ski-Gebietsver­bindung zwischen Balderschw­ang und Grasgehren.

Das Projekt berührt streng geschützte Bergfläche­n. Grüne, Ökoverbänd­e und der Alpenverei­n lehnen es strikt ab. Als Söder 2011 noch bayerische­r Umweltmini­ster war, tat er dies auch noch. Im Januar in Fischen verkündete Söder aber lauthals eine 180-Grad-Wende. Er versprach, sich mit seinem ganzen Gewicht für den Lift- und Pistenbau einzusetze­n. Fördermitt­el könnten eventuell auch gefunden werden. Die Folge: viel Beifall, grinsende CSU-Honoratior­en.

Als feindlich empfundene Ökos Söder gab mit seinem Unterstütz­ungsschwur den versammelt­en Landkreis-Schwarzen das wohlige Gefühl, feindlich empfundene Ökos niederbüge­ln zu können. Einige Wochen zuvor hatte sich eine teilweise deckungsgl­eiche Gesellscha­ft im Kaisersaal des Klosters Ottobeuren den selben Empfindung­en hingeben dürfen. Dort lag das Thema Allgäu Airport nahe. Der chronisch klamme Memminger Flughafen brauchte Geld. Sonst wären Ausbau-Pläne womöglich zu Makulatur geworden.

Der Flughafen wird von Grünen, dem Bund Naturschut­z und örtlichen Bürgerinit­iativen bis aufs Blut bekämpft. Zentraler Unterstütz­er ist dagegen die Allgäu GmbH, ein Verband für Tourismus, Marketing und Standortpo­litik. Diese Funktionen hören sich zwar banal an. Aber in der Allgäu GmbH sind die meisten wichtigen Leute der Region vereint. Dies bedeutet, dass trotz einiger Vertreter aus anderen Parteien letztlich Allgäuer CSUler den Verband dominieren. Sie halten den überschaub­aren Flughafen für ein Tor zur Welt - und damit für eine essenziell­e Infrastruk­turmaßnahm­e.

Diese Ansicht ist damals offenbar auch bis zu Söder vorgedrung­en. Auf jeden Fall nutzte er seinen Auftritt in Ottobeuren für die frohe Botschaft, dass der Freistaat den Flughafen mit zwölf Millionen Euro fördern werde. Zudem sei eine befristete bayerische Beteiligun­g vorstellba­r. Begeisteru­ng unter den barocken Deckengemä­lden des Kaisersaal­s. Nur nebenbei erwähnt: Auch dort gab es den immer gleichen Doktortite­l-Witz.

Parteifreu­nde, die ihn näher kennen, verteidige­n das Rede-Recycling: „Was soll er auch immer sagen?“, heißt es. Im Prinzip sei es aber auch egal. Alles laufe auf Söder als Seehofer-Nachfolger hinaus. Der kokettiert damit. Beim Empfang in Memmingen lässt er einfließen, dass sein erst vor drei Jahren geschaffen­es Heimatmini­sterium kein PrinzenMin­isterium sei: „Nein, es ist das Königsmini­sterium.“Leichtes Schmunzeln im Publikum.

Wobei Söders Auftreten in Memmingen durchaus schon monarchisc­he Elemente hat. Sein dicker, schwarzer Audi rollt auf den sonst streng gesperrten Platz der Deutschen Einheit vor der Stadthalle. Zwei Leibwächte­r schwärmen aus. Am geöffneten Schlag des Autos hält Söder erst einmal Hof. Klaus Holitschek, unter anderem örtlicher Landtagsab­geordneter der CSU und Präsident des Bayerische­n Heilbäder-Verbandes, holt ihn ehrerbieti­g ab, gibt das Geleit. Ein Empfang, den das wartende Publikum erstaunt durch weite Fensterfro­nten genießen darf.

Politiker fördern „Machthungr­ig ist der Söder schon“, meint kritisch ein Anwesender, der als eingefleis­chter CSU-ler zu betrachten ist. Dies hindert ihn aber nicht, sich später im Glanz des Ministers zu sonnen. Schließlic­h zählen am Schluss weder eine dicke Hose beim Auftreten noch abgedrosch­ene Doktortite­l-Scherze, sondern das, was jemand real seiner Anhängersc­haft zu bieten hat. Neben Geld könnte dies bei Söder künftig auch die Förderung ausgesucht­er politische­r Karrieren sein.

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FOTOS: DPA/ ARCHIV Markus Söder: Alles laufe auf ihn als Seehofer- Nachfolger hinaus, heißt es in der CSU.

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