Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Gläubiger beraten über Schuldenerleichterungen
EU-Finanzminister ringen um eine Lösung für Griechenland
BRÜSSEL - In der Nacht zu Montag hat das Parlament in Athen weitere Sparmaßnahmen und Steuererhöhungen beschlossen, um seine europäischen Gläubiger und den Internationalen Währungsfonds zufriedenzustellen. Die Mitglieder der Eurogruppe bewerteten gestern bei einem Sondertreffen in Brüssel die Parlamentsbeschlüsse und sprachen auch erstmals über mögliche Schuldenerleichterungen.
Am Abend wurde bekannt, dass die Europartner Griechenland neue Hilfsmilliarden in Aussicht stellen. „Wir haben aber noch Arbeit zu erledigen“, sagte der Chef des Eurorettungsschirms ESM, Klaus Regling, nach der Sitzung. Auf die ursprünglich schon für Ende 2015 zugesagten Hilfsmilliarden wird die griechische Regierung weiter warten müssen.
Die Mitglieder der Eurogruppe müssten sich ja zunächst einmal vorrechnen lassen, wie sich die nun beschlossenen Reformen auf den Haushalt auswirkten, sagten die Finanzminister vor Beginn der Sitzung. Die staatliche Basisrente soll auf monatlich 384 Euro gekürzt, Sozialabgaben erhöht und die Einkommenssteuer für Besserverdienende heraufgesetzt werden. Das steuerfreie Minimaleinkommen soll auf 8363 Euro gedeckelt, die Mehrwertsteuer um einen weiteren Punkt auf 24 Prozent angehoben werden. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte schon vor der Parlamentsabstimmung in Athen einer deutschen Zeitung, die Sparziele seien „so gut wie erreicht“. Währungskommissar Pierre Moscovici erinnerte vor Beginn des Treffens der Eurofinanzminister daran, dass Europa am 9. Mai seinen Feiertag begehe. Griechenland habe „einen Teil eines schweren und wichtigen Pakets“beschlossen. „Heute ist der Tag für die Eurogruppe, das Erreichte anzuerkennen.“
IWF fordert Schuldenerlass Der Internationale Währungsfonds allerdings ist weiterhin skeptisch, dass durch die Mixtur aus drastischen sozialen Einschnitten und weiteren Steuererhöhungen der Staatshaushalt mittelfristig wieder auf die Beine kommen kann. Um diese „Schuldentragfähigkeit“sicherzustellen, fordert IWF-Chefin Christine Lagarde seit Monaten, dass die Gläubiger einen Teil der Schulden erlassen sollen. Diese Bedingung be- kräftigte sie nun noch einmal in einem Brief an die Eurofinanzminister, den die „Financial Times“einsehen konnte. „Wenn der IWF Griechenland weiter unterstützen soll, ist es wesentlich, dass die Finanzierung und Schuldenerleichterung durch Griechenlands europäische Partner auf realistischen Haushaltszielen beruht, die durch glaubwürdige Maßnahmen unterstützt werden“, schreibt Lagarde und stellt damit die positive Wirkung des Sparprogramms auf Griechenlands Wirtschaft zumindest infrage. Neben Schuldenerleichterungen verlangt Lagarde, dass die Abgeordneten in Athen einen Vorratsbeschluss mit weiteren Sparmaßnahmen fassen sollen, falls der für 2018 angepeilte Haushaltsüberschuss von 3,5 Prozent des BIP – vor der Zahlung der Kreditzinsen – nicht erreicht werden kann.
Wie ein solcher Vorratsbeschluss in Einklang mit der griechischen Ver- fassung gestaltet werden könnte, versuchen die Unterhändler beider Seiten herauszuarbeiten. Im Athener Parlament, wo die Regierung von Alexis Tsipras nur über eine knappe Mehrheit verfügt, besteht wenig Neigung, einem solchen Sparautomatismus für die Zukunft zuzustimmen. Die Opposition ist ohnehin dagegen. Sie hatte nach Tsipras’ Wiederwahl zunächst energischer für Sparmaßnahmen votiert als der Premier selbst. Inzwischen hat sich das Bild gedreht: Tsipras wirbt in seinem Land für die Forderungen der ehemaligen Troika, während sich die Opposition weiteren Kürzungen und Steuererhöhungen verweigert.
Schäuble bleibt hart Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte sich vor dem nachmittäglichen Sondertreffen mit seinem griechischen Kollegen Euclid Tsakalotos zusammengesetzt. Das war als Zeichen gewertet worden, dass nun auch die Bundesregierung den lange abgelehnten Schuldenerleichterungen zustimmen will. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte bereits am Wochenende die Regierungslinie verlassen und einer Nachrichtenagentur gegenüber erklärt: „Griechenland braucht eine Erleichterung seiner Schuldenlast.“Doch Schäuble bekräftigte vor dem Treffen seine stets vertretene Linie: Zunächst müsse Griechenland seine Zusagen gegenüber den Gläubigern erfüllen. Dazu gehöre auch ein Vorratsbeschluss, wie der IWF ihn fordert. „Es geht ja nur darum, Griechenland zu helfen, dass es eines Tages seinen eigenen Haushalt wieder ohne Hilfe finanzieren kann und auf dem Kapitalmarkt Geld bekommt.“Der IWF, machte Schäuble klar, dürfe keinesfalls aus der Griechenlandhilfe aussteigen, sondern müsse im Boot bleiben.