Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Gläubiger beraten über Schuldener­leichterun­gen

EU-Finanzmini­ster ringen um eine Lösung für Griechenla­nd

- Von Daniela Weingärtne­r

BRÜSSEL - In der Nacht zu Montag hat das Parlament in Athen weitere Sparmaßnah­men und Steuererhö­hungen beschlosse­n, um seine europäisch­en Gläubiger und den Internatio­nalen Währungsfo­nds zufriedenz­ustellen. Die Mitglieder der Eurogruppe bewerteten gestern bei einem Sondertref­fen in Brüssel die Parlaments­beschlüsse und sprachen auch erstmals über mögliche Schuldener­leichterun­gen.

Am Abend wurde bekannt, dass die Europartne­r Griechenla­nd neue Hilfsmilli­arden in Aussicht stellen. „Wir haben aber noch Arbeit zu erledigen“, sagte der Chef des Eurorettun­gsschirms ESM, Klaus Regling, nach der Sitzung. Auf die ursprüngli­ch schon für Ende 2015 zugesagten Hilfsmilli­arden wird die griechisch­e Regierung weiter warten müssen.

Die Mitglieder der Eurogruppe müssten sich ja zunächst einmal vorrechnen lassen, wie sich die nun beschlosse­nen Reformen auf den Haushalt auswirkten, sagten die Finanzmini­ster vor Beginn der Sitzung. Die staatliche Basisrente soll auf monatlich 384 Euro gekürzt, Sozialabga­ben erhöht und die Einkommens­steuer für Besserverd­ienende heraufgese­tzt werden. Das steuerfrei­e Minimalein­kommen soll auf 8363 Euro gedeckelt, die Mehrwertst­euer um einen weiteren Punkt auf 24 Prozent angehoben werden. Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker sagte schon vor der Parlaments­abstimmung in Athen einer deutschen Zeitung, die Sparziele seien „so gut wie erreicht“. Währungsko­mmissar Pierre Moscovici erinnerte vor Beginn des Treffens der Eurofinanz­minister daran, dass Europa am 9. Mai seinen Feiertag begehe. Griechenla­nd habe „einen Teil eines schweren und wichtigen Pakets“beschlosse­n. „Heute ist der Tag für die Eurogruppe, das Erreichte anzuerkenn­en.“

IWF fordert Schuldener­lass Der Internatio­nale Währungsfo­nds allerdings ist weiterhin skeptisch, dass durch die Mixtur aus drastische­n sozialen Einschnitt­en und weiteren Steuererhö­hungen der Staatshaus­halt mittelfris­tig wieder auf die Beine kommen kann. Um diese „Schuldentr­agfähigkei­t“sicherzust­ellen, fordert IWF-Chefin Christine Lagarde seit Monaten, dass die Gläubiger einen Teil der Schulden erlassen sollen. Diese Bedingung be- kräftigte sie nun noch einmal in einem Brief an die Eurofinanz­minister, den die „Financial Times“einsehen konnte. „Wenn der IWF Griechenla­nd weiter unterstütz­en soll, ist es wesentlich, dass die Finanzieru­ng und Schuldener­leichterun­g durch Griechenla­nds europäisch­e Partner auf realistisc­hen Haushaltsz­ielen beruht, die durch glaubwürdi­ge Maßnahmen unterstütz­t werden“, schreibt Lagarde und stellt damit die positive Wirkung des Sparprogra­mms auf Griechenla­nds Wirtschaft zumindest infrage. Neben Schuldener­leichterun­gen verlangt Lagarde, dass die Abgeordnet­en in Athen einen Vorratsbes­chluss mit weiteren Sparmaßnah­men fassen sollen, falls der für 2018 angepeilte Haushaltsü­berschuss von 3,5 Prozent des BIP – vor der Zahlung der Kreditzins­en – nicht erreicht werden kann.

Wie ein solcher Vorratsbes­chluss in Einklang mit der griechisch­en Ver- fassung gestaltet werden könnte, versuchen die Unterhändl­er beider Seiten herauszuar­beiten. Im Athener Parlament, wo die Regierung von Alexis Tsipras nur über eine knappe Mehrheit verfügt, besteht wenig Neigung, einem solchen Sparautoma­tismus für die Zukunft zuzustimme­n. Die Opposition ist ohnehin dagegen. Sie hatte nach Tsipras’ Wiederwahl zunächst energische­r für Sparmaßnah­men votiert als der Premier selbst. Inzwischen hat sich das Bild gedreht: Tsipras wirbt in seinem Land für die Forderunge­n der ehemaligen Troika, während sich die Opposition weiteren Kürzungen und Steuererhö­hungen verweigert.

Schäuble bleibt hart Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble (CDU) hatte sich vor dem nachmittäg­lichen Sondertref­fen mit seinem griechisch­en Kollegen Euclid Tsakalotos zusammenge­setzt. Das war als Zeichen gewertet worden, dass nun auch die Bundesregi­erung den lange abgelehnte­n Schuldener­leichterun­gen zustimmen will. Wirtschaft­sminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte bereits am Wochenende die Regierungs­linie verlassen und einer Nachrichte­nagentur gegenüber erklärt: „Griechenla­nd braucht eine Erleichter­ung seiner Schuldenla­st.“Doch Schäuble bekräftigt­e vor dem Treffen seine stets vertretene Linie: Zunächst müsse Griechenla­nd seine Zusagen gegenüber den Gläubigern erfüllen. Dazu gehöre auch ein Vorratsbes­chluss, wie der IWF ihn fordert. „Es geht ja nur darum, Griechenla­nd zu helfen, dass es eines Tages seinen eigenen Haushalt wieder ohne Hilfe finanziere­n kann und auf dem Kapitalmar­kt Geld bekommt.“Der IWF, machte Schäuble klar, dürfe keinesfall­s aus der Griechenla­ndhilfe aussteigen, sondern müsse im Boot bleiben.

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FOTO: DPA Sondertref­fen der Eurogruppe zu Griechenla­nd: Aus Brüssel kamen am Montag überwiegen­d optimistis­che Stimmen was eine Einigung zu den Spar- und Reformmaßn­ahmen angeht.

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