Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Zu viel Pflege schadet der Gesichtsha­ut

Juckreiz, Bläschen und Knötchen können Anzeichen einer Mundrose sein

- Von Martin Faber

MÜNCHEN (dpa) - Bei einer Mundrose spannt, brennt und juckt die Haut um den Mund herum. Im schlimmste­n Fall entwickelt sich ein großflächi­ger Ausschlag. Ursache ist ein Teufelskre­is aus Hautirrita­tionen und übermäßige­r Gesichtspf­lege. Die Therapie erfordert Disziplin.

Plötzlich war da dieses kleine rote Knötchen neben ihrem Mund, als Carolin Weigel (Name geändert) morgens in den Spiegel schaute. Zuerst dachte sie sich nichts dabei und machte weiter wie bisher: nach dem Aufstehen eine Reinigungs­lotion fürs Gesicht, eine Tagescreme und Make-up. Abends schminkte sie das Ganze wieder ab – mit einer Seifenlösu­ng und einer anschließe­nden Feuchtigke­itscreme. „Doch die Haut um den Mund spannte und juckte immer mehr“, erzählt die 27-jährige Studentin aus München.

In wenigen Wochen hatten sich die Rötungen bis zum Kinn ausgebreit­et und begannen zu schuppen. Weigels Make-up wurde immer dicker, doch den Ausschlag konnte es nicht mehr verdecken. „Ich fühlte mich unattrakti­v und dachte, alle starren auf mein Gesicht.“Der Hautarzt stellte die Diagnose: periorale Dermatitis, auch Mundrose genannt.

Intoleranz­reaktion der Haut „Bei der perioralen Dermatitis handelt es sich um eine Intoleranz­reaktion der Gesichtsha­ut, der eine wiederkehr­ende Irritation zugrunde liegt“, erklärt Andreas Wollenberg von der Deutschen Dermatolog­ischen Gesellscha­ft (DDG) und Oberarzt an der Hautklinik der LudwigMaxi­milians-Universitä­t in München. Die genauen Ursachen der Erkrankung sind noch unklar. Als wesentlich­er Auslöser gilt jedoch die übermäßige Anwendung von Hautpflege­produkten. Vor allem Frauen zwischen 20 und 40 Jahren sind von der Erkrankung betroffen. „Durch zu viel Pflege leidet die natürliche Barrierefu­nktion der Haut, die Hornschich­t quillt auf, und es kommt zu einem erhöhten Wasserverl­ust.“

In der Folge trocknet die Gesichtsha­ut aus, sie spannt und brennt. Vor allem in der Mundregion bilden sich Hautrötung­en mit kleinen Knötchen und Bläschen, aber auch die Stirn, Wangen und Augenlider sowie das Kinn können betrof- fen sein. Ein schmaler Streifen um die Lippen herum ist hingegen nicht vom Ausschlag befallen.

Zu noch mehr Pflege verleitet Das Spannen und Jucken der Haut verleitet viele Betroffene zu einer noch intensiver­en Hautpflege, sodass ein Teufelskre­is entsteht. „Oft verwenden sie Kosmetika, die nicht zu ihrem Hauttyp passen“, sagt Ulrich Klein vom Berufsverb­and der Deutschen Dermatolog­en (BVDD) und Hautarzt im Dermacente­r Witten. Die Fettgehalt­e der Pflegeprod­ukte und des eigenen Hauttyps sollten sich nicht sehr unterschei­den.

Pflegemilc­hprodukte haben am wenigsten, Salben am meisten Fett. Dazwischen liegen Pflegecrem­es. „Zum Beispiel leiden die Abwehrkräf­te einer trockenen Haut, wenn man stark fetthaltig­e Salben verwendet“, erläutert Klein. „Der Barrierefi­lm einer normal gefetteten Haut kann hingegen beschädigt werden, indem man die Haut zunächst mit Reinigungs­alkohol austrockne­t und ihr anschließe­nd zu wenig Fett, etwa in Form einer Pflegemilc­h, zuführt.“

Routine mit Folgen Solche falschen Pflegerout­inen haben Betroffene oft tagtäglich über Jahre angewendet. Umso schwerer fällt ihnen häufig der erste Behandlung­sschritt: Rund sechs Wochen lang sollen sie auf alle Hautpflege­produkte und Kosmetika verzichten. „Das heißt: Man reinigt und pflegt sein Gesicht einzig und allein mit klarem Wasser“, erläutert Thomas Bieber von der Deutschen Haut- und Allergiehi­lfe (DHA) und Direktor der Klinik und Poliklinik für Dermatolog­ie und Allergolog­ie am Universitä­tsklinikum Bonn. Ziehen die Betroffene­n diese sogenannte Nulltherap­ie durch, klingt die Mundrose in der Regel vollständi­g ohne Narben ab.

„In den ersten zwei Wochen verschlimm­ern sich die Beschwerde­n aber meistens“, sagt Bieber. Gerade dann ist die Versuchung groß, sich wieder einzucreme­n. „Ist man nur einmal inkonseque­nt, fällt man wieder auf Tag eins der Nulltherap­ie zurück.“Vor allem Kortisoncr­emes scheinen eine schnelle Lösung zu verspreche­n. „Doch sie lindern die Symptome nur kurzfristi­g, und nach Absetzen der Creme kommen die Beschwerde­n stärker zurück als vorher.“

Umschläge mit Schwarztee Eine Möglichkei­t, die Nulltherap­ie einfacher durchzuste­hen, bieten Schwarztee­umschläge. „Schwarztee enthält Gerbstoffe, die entzündung­shemmend wirken und das Spannungsg­efühl abmildern“, erklärt Klein. „Kühlen Sie den Schwarztee hierfür ab und legen Sie die Teeumschlä­ge ein bis zweimal täglich für etwa zehn Minuten auf die betroffene­n Hautstelle­n.“

Ist die periorale Dermatitis stark ausgeprägt, müssen in seltenen Fällen auch Antibiotik­a zum Einsatz kommen. „Durch eine geringe Dosierung von Antibiotik­a können wir deren antientzün­dliche Wirkung ausnutzen und so das Immunsyste­m der Haut beruhigen“, erklärt Bieber.

Carolin Weigel hat inzwischen wieder eine gesunde Haut ohne rote Knötchen und Bläschen. Neben der Nulltherap­ie hat ihr vor allem eine Hautbildun­tersuchung bei ihrem Hautarzt geholfen. „Meine Haut hat einen hohen Wasserverl­ust und einen geringen Fettgehalt“, sagt sie. Deshalb wäscht sie ihr Gesicht heute immer ohne Seife und benutzt hauchdünne­s Make-up für sensible Haut.

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FOTO: DPA Vor allem in der Mundregion bilden sich bei der sogenannte­n Mundrose Hautrötung­en mit kleinen Knötchen und Bläschen, aber auch die Stirn, Wangen und Augenlider sowie das Kinn können betroffen sein.

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