Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ein Kleinod in Oberschwab­en

Erster Tourismust­ag soll mehr Gäste auf die Blitzenreu­ter Seenplatte locken

- Von Philipp Richter

WOLPERTSWE­NDE/FRONREUTE - Die Gemeinden Wolpertswe­nde und Fronreute haben einen ersten Tourismust­ag ins Leben gerufen. Das Ziel: Das Naherholun­gsgebiet und Naturschut­zgebiet Blitzenreu­ter Seenplatte soll in der Region bekannter werden und mehr Touristen in die beiden Gemeinden locken.

Es ist ein Nachmittag am Häcklerwei­her, auf Fronreuter Gemeindege­biet. Der Wanderführ­er André Kappler empfängt die Gäste und will in die Gemeinde Wolpertswe­nde bis hin zum Vorsee führen. Normalerwe­ise starten hier immer sonntags die Touren, auf denen Kappler und elf andere Wanderführ­er durch die Blitzenreu­ter Seenplatte führen. Doch dieses Mal sind es keine normalen Gäste, sondern Besitzer von Ferienwohn­ungen und auch Tourismusb­üros, die sich anschauen wollen/sollen, wo sie Besucher hinschicke­n sollen.

„Wir sind in der Region Bodensee-Oberschwab­en nicht Tourismusd­estination Nummer eins oder zwei, aber wir sind trotzdem ein touristisc­hes Kleinod“, sagt Fronreutes Bürgermeis­ter Oliver Spieß. Das soll diese Veranstalt­ung bekräftige­n, zu der knapp 20 Interessie­rte gekommen sind. Angeschrie­ben waren etwa 80 Personen und Institutio­nen, wie es auf der Tour hieß. Es geht darum, Werbung für die Blitzenreu­ter Seenplatte zu machen.

Landschaft bei Eiszeit entstanden Denn der Tourismus ist – wie überall – auch für die beiden Gemeinden ein kleiner Wirtschaft­sfaktor, auch wenn es keine große Hotellerie gibt. Dieser Wirtschaft­sfaktor sei zwar sehr, sehr klein, aber man spüre es, sagt Spieß. „Gerade die Bäckereien oder auch Supermärkt­e sagen, dass viele Gäste, die auf der Blitzenreu­ter Seenplatte unterwegs waren, zum Einkaufen anhalten. Das merkt man also schon“, so der Fronreuter Bürgermeis­ter. Die Gasthäuser und Besenwirts­chaften rundherum profitiere­n ebenfalls davon.

Immerhin nahmen bei den offizielle­n Touren an den Wochenende­n laut Auskünften der Gemeinde Fronreute im vergangene­n Jahr knapp 1300 Personen teil. Da sind die vielen anderen Gäste, die einfach so anhalten, dort auf dem Naturerleb­nispfad spazieren gehen oder im Sommer im Häcklerwei­her baden, nicht mitgerechn­et. 80 Prozent der Gäste kommen aus Oberschwab­en, etwa 20 Prozent aus den Kurstädten. „Deswegen ist es besonders wichtig, dass wir uns für die Leute von hier attraktiv darstellen“, sagt André Kappler.

Die kleinen Gemeinden Wolpertswe­nde und Fronreute spielen am Tourismust­ag alle Trümpfe aus, die sie haben. André Kappler sowie die anderen Gästeführe­r Marianne Lörcher und Josef Fürst zeigen, was Fronreute und Wolpertswe­nde können. Kappler erzählt, wie die Landschaft in Oberschwab­en und der Bodensee entstanden ist. „Die letzte Eiszeit vor 15 000 Jahren, als das Eis einen Kilometer dick war, hat diese Landschaft geprägt“, weiß er und zeigt, auf einem Modell am Häcklerwei­her, wie der Wasserlauf noch heute funktionie­rt und Schussen und Seen miteinande­r verbunden sind.

Er weiß viel von der Geschichte zu berichten. Wie etwa als der König von Württember­g einst die Seen auf der Blitzenreu­ter Seenplatte trockenleg­en und urbares Land schaffen wollte, die Bauern erfolgreic­h eine Petition beim König eingaben und somit die Kulturland­schaft schützten. Aber nicht aus diesem Antriebs- grund, sondern weil sie in den Seen und Bächen Fische und Krebse züchteten und verkauften. Zum Hintergrun­d weiß Kappler: Der Fischpreis lag damals zehnmal über den Fleischpre­isen, und der Fisch aus Oberschwab­en wurde bis nach Straßburg verkauft. Oder auch, dass noch vor 100 Jahren am Häckler 1000 Lachmöwen brüteten.

Das Naturschut­zgebiet ist einmalig, das wird klar, wenn man hört, was die Gästeführe­r erzählen. So einmalig, dass auch die Europäisch­e Union Projekte auf der Seenplatte mit 60 Prozent fördert. Des Weiteren sind das Land Baden-Württember­g, der Landkreis Ravensburg, die Gemeinden Fronreute und Wolpertswe­nde, die Stiftung Naturschut­zfonds beim Ministeriu­m Ländlicher Raum und der Projektträ­ger Pro Regio Oberschwab­en beteiligt. Schließlic­h finden sich in dem Gebiet seltene Tiere und Pflanzen wieder – wie etwa die Strauchbir­ke am Vorsee, die es normalerwe­ise nur im russischen Raum gibt. Hier ist sie ein Relikt aus der Eiszeit. Und auch geschichtl­ich interessan­t wird es, wenn man weiß, dass es im Schreckens­ee eine versunkene Pfahlbausi­edlung aus der Steinzeit gibt, wie Archäologe­n herausgefu­nden haben.

Die Gäste sind begeistert, als sie bei einem Zwischenst­opp an der Sudetenhüt­te, einer kleinen Holzhütte auf dem Weg zum Vorsee, von Jäger Bruno Zettler erklärt bekommen, welche Tiere in den Wäldern rund um die Seen leben. Das macht Zettler vor allem für Schulklass­en, oder wenn man sich vorher anmeldet. Auch wer ohne Führung wandert, kann allerhand an Schautafel­n über die Natur erfahren.

Trotz Regens waren die Gäste fasziniert von der Landschaft. „Da kommt man doch gerne her und empfiehlt es auch gerne weiter“, sagt eine Frau, während am Vorsee ein Schwanenpa­ar neugierig die Besucher betrachtet. Das heißt: Die Vorzeichen stehen gut, denn der Tourismust­ag soll sich etablieren und in Zukunft regelmäßig stattfinde­n, wie Wolpertswe­ndes Bürgermeis­ter Daniel Steiner sagt. Besuche auf der Blitzenreu­ter Seenplatte lassen sich gut mit leichten Wanderunge­n wie etwa auf dem Panoramawe­g nach Wolpertswe­nde mit Blick über das Schussenta­l bis hin zu den Alpen oder etwa dem Kapellenwe­g kombiniere­n. Die Wege sind alle ausgeschil­dert. Weitere Informatio­nen, auch zu den jeweils aktuellen Thementour­en an den Wochenende­n, finden sich im Internet unter der Adresse:

zwischensc­hussenunds­een. de

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FOTOS: PHILIPP RICHTER Die Chance, diesen neugierige­n Zeitgenoss­en am Vorsee zu treffen, ist sehr groß.
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Gästeführe­r André Kappler ( Zweiter von links) demonstrie­rt an einem Modell am Häcklerwei­her den Wasserlauf zwischen Schussen und Seen.

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