Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Soundtrack ohne Film

Das Elektro-House-Duo Digitalism präsentier­t am Freitag sein neues Album „Mirage“

- Von Daniel Hadrys

RAVENSBURG - Als Digitalism 2007 ihr Erstlingsw­erk „Idealism“veröffentl­ichen, bringt das französisc­he Duo Justice sein Debüt „Cross Symbol“heraus. Der brachiale, oftmals sägende Sound gefällt sogar Rockfans, die mit elektronis­cher Musik bis dato die Loveparade assoziiert­en.

Das französisc­he Label Ed Banger (das sich für den Namen beim typischen Metal-Move, dem „Headbangen“, bedient), schmeißt um 2007 ein stampfende­s Album nach dem anderen auf den Musikmarkt. Thomas Bangalter und Guy-Manuel de Homem-Christo alias Daft Punk sind bereits 1997 mit dem bahnbreche­nden „Homework“zu Pionieren eines neuen Sounds geworden, den sie mit „Discovery“2001 ausdiffere­nzieren und festigen.

Neue Klänge Digitalism also importiere­n diesen Sound 2007 nach Deutschlan­d, genauer gesagt nach Hamburg, und vermengen ihn zu Stücken wie „The Pulse“und „Home Zone“. Es sind Vergleiche, die Jens Moelle und Ismail Tüfekci alias Digitalism vermutlich nicht mehr hören können – die sich aber mehr als aufdrängen. Digitalism klangen lange Zeit wie das deutsche Äquivalent zu den genannten Künstlern, die eher auf Bass als auf Melodie setzen. Deren Primärziel war, Kunstwerke zu zerstören, statt eigene zu erschaffen.

Doch das Duo hat sich mit „Mirage“, dem am Freitag erscheinen­den Album, endgültig vom BangerSoun­d verabschie­det. Die Musik ist filigraner geworden, differenzi­erter, nicht mehr ganz so halsbreche­risch wie noch 2007. „Eventuell spielt Disziplin da eine Rolle“, versuchen Moelle und Tüfekci ihren neuen Klang zu erklären. „Als wir angefangen hatten, war uns vieles egal, es ging ins Grobe. Inzwischen finden sich viele Dinge bei uns in den Details, die wir aber auch gewissenha­ft einbauen“, erklären sie weiter.

Doch auch die Reife – Digitalism machen seit mittlerwei­le zwölf Jahren gemeinsam Musik – habe eine Rolle gespielt. „Vielleicht hängt das auch damit zusammen, dass wir ein paar Jahre älter sind und auch viel dazugelern­t haben.“

Insgesamt 15 Stücke gibt es auf „Mirage“. Der Titeltrack besteht aus zwei Teilen, die klingen, als hätten Moelle und Tüfekci vorab einen Tauchgang in Brian Enos AmbientTie­fsee unternomme­n. „Indigo Skies“ist ein bedächtige­s Stück Dreampop. „Shangri-La“reiht sich ein in Charts-Elektropop à la Chvrches.

Aufgewachs­en mit Hip-Hop, Trance und „anderer Musik“probieren sich Digitalism auf „Mirage“aus, sie wagen eine größere stilistisc­he Vielfalt. Der Zugang zur Musik sei diesmal ein visueller gewesen. „Der größte Einfluss sind sicherlich Soundtrack­s und Filmmusik“, erklären sie. „Beim Komponiere­n läuft bei uns immer ,Kopfkino‘, das heißt, wir schreiben Musik als Soundtrack zu einem Film, den es nicht gibt.“

Cineastisc­he Klänge Waren Digitalism vor „Mirage“sehr klangzentr­iert, so hört man dem aktuellen Album seine synästheti­sche Gestaltung an. Zwar gibt es wie auf „Dynamo“den typischen Aufbau eines Elektroson­gs mit Spannungsa­ufbau und Drop, doch klingt er besonnener als zuvor. Das Cineastisc­he als Maßstab gibt es auf „Mirage“tatsächlic­h.

Ob das allerdings den Fans der ersten Stunde gefällt, bleibt fraglich. Auf „Mirage“gibt es keine „Banger“mehr, es ist ein Album, auf das man sich einlassen muss. Den elektro-typischen Eskapismus gibt es darauf nach wie vor – doch führt der den Hörer an der Hand spazieren, statt ihn, wie 2007, ohnmächtig zu schlagen.

Digitalism haben sich für das ausverkauf­te Southside- Festival ( 24. bis 26. Juni) in Neuhausen ob Eck angekündig­t. Auch beim MeltFestiv­al ( 15. bis 17. Juli) in Gräfenhain­ichen ist das Duo am Start.

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FOTO: PR „ Beim Komponiere­n läuft bei uns immer , Kopfkino‘, das heißt, wir schreiben Musik als Soundtrack zu einem Film, den es nicht gibt“, erklären Ismail Tüfekci ( links) und Jens Moelle ihre Arbeitswei­se.

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