Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Leipzig plant die Jugendrevolte
Der Bundesliga-Aufsteiger will 50 Millionen Euro investieren, allerdings überwiegend in junge Spieler
LEIPZIG (dpa/SID/sz) - Der Oberschenkel schmerzt noch, doch Ralf Rangnick gönnt sich keine Pause. Schon in vier Wochen will der Sportdirektor und Noch-Trainer von Aufsteiger RB Leipzig das jüngste Team der Fußball-Bundesliga präsentieren. „Die Kaderplanung beginnt heute“, sagte Rangnick am Montag in Leipzig. Mit seinem Trainer-Nachfolger Ralph Hasenhüttl, der ihm direkt nach dem Aufstieg am Sonntag Glückwünsche per WhatsApp übermittelte, will er sich in den nächsten Tagen zusammensetzen.
Umringt von zahlreichen Medienvertretern saß der 57-Jährige im hochmodernen Trainingszentrum auf einem schwarzen Stuhl und schonte seinen lädierten Oberschenkel. Auf der Flucht vor der Bierdusche hatte er sich am Vortag einen Muskelfaserriss im Beuger zugezogen. „In zwei Wochen kann ich wieder joggen“, verkündete Rangnick.
An seinen Plänen ändert das nichts. Fest steht: Der Jugend-Trend bleibt. „Wir werden eine ältere U23Mannschaft stellen und mit großer Wahrscheinlichkeit die jüngste Mannschaft der Bundesliga haben“, sagt Rangnick. So werden nur Transfers getätigt, „die Sinn machen und zu uns passen. Und wenn Ralph Hasenhüttl einen Spieler vorschlägt, den er gerne hätte, und wir auch überzeugt sind, dass er richtig gut zu uns passt, dann spricht auch überhaupt nichts dagegen.“Laut „kicker“sollen 50 Millionen Euro für die Transfer-Offensive bereitstehen, von fünf neuen Leistungsträgern ist die Rede. Die Stürmer Breel Embolo (Basel/19) und Kevin Volland (Hoffenheim/24) werden als Wunschkandidaten gehandelt, auch der Stuttgarter Timo Werner könnte ein Thema werden. Nach der Absage von Leverkusens Torwart Bernd Leno ist offenbar Timo Horn vom 1. FC Köln ein Kandidat für den Posten zwischen den Pfosten. Aus dem Zweitliga-Team rechnet Rangnick lediglich mit Abgängen von Spielern, die nicht so oft zum Einsatz kamen. „Gehen wir mal davon aus, dass es die Spieler der Nummern 16 bis 22 sind“, sagte der Sportchef und sieht sechs Neuzugänge als „realistische Zahl“an. RB-Vor- standschef Oliver Mintzlaff hatte in der Aufstiegseuphorie eine große Zukunft des noch jungen Vereins angekündigt. „Wir haben heute Geschichte geschrieben und werden in den nächsten Jahren noch mehr Geschichte schreiben“, meinte er forsch.
Rangnick gab sich wesentlich verhaltener und formulierte die Zielsetzung für das Premieren-Jahr im Ober- haus so ähnlich wie Ingolstadt in dieser Saison: „Das Entscheidende ist ja das Wie. Die Mannschaft so durch die Saison zu bringen, dass sie quasi nie in Abstiegsgefahr war, das ist schon bemerkenswert. Wenn wir das nächstes Jahr schaffen, das würde ich so sofort unterschreiben.“
RB-Vorstandschef Mintzlaff würdigte noch einmal den enormen Ver- dienst des Schwaben. „Ihm gebührt großer Respekt als Mastermind“, meinte Mintzlaff über den Macher, dem als Coach nach Hannover 96 (2002) und Hoffenheim (2008) zum dritten Mal ein Erstliga-Aufstieg gelang. Vor acht Jahren in Hoffenheim war auch Marvin Compper schon dabei. Der Verteidiger sagt: „Es zeigt einfach, was das hier in Leipzig für ein schlafender Riese war. Den haben wir jetzt geweckt.“
Rückgang der Schimpf-Attacken Glücklich mit seiner Partnerin im Arm und umringt von Red-Bull-Formel-1-Pilot Daniel Ricciardo und ExFahrer Mark Webber strahlte auch Dietrich Mateschitz, der sich nach dem 2:0 gegen den Karlsruher SC den Besuch in der Mannschaftskabine nicht nehmen ließ. „Es war ein Riesenmoment für Herrn Mateschitz, der extrem in den letzten Jahren investiert hat. Mit dem Aufstieg konnten wir viel zurückzahlen“, meinte Mintzlaff über den Millionen-Förderer des Vereins.
Fraglich bleibt, wie der Klub in der neuen Saison die Anfeindungen aus den Fan-Lagern von Traditionsklubs wie Schalke und Dortmund wegsteckt, die in der Bundesliga ein neues Niveau erreichen könnten. „Dem sehen wir extrem gelassen entgegen“, sagte Mintzlaff. Das seien alles Vereine mit toller Geschichte, „doch jetzt haben wir Geschichte geschrieben“.
Kapitän Dominik Kaiser hat bereits einen deutlichen Rückgang der Schimpf-Attacken festgestellt. „Das Thema ist bei uns kein so großes mehr“, sagte der Mittelfeldspieler. Im letzten Jahr seien die Angriffe gegen den Retorten-Klub „deutlich zurückgegangen“. Und Torwart Fabio Coltorti meinte mit Blick auf die neuen Gegner in der Bundesliga: „Die werden sich an uns gewöhnen.“