Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Geistig Verwirrter ersticht Fahrgast

Messerangr­iff eines 27-Jährigen aus Gießen im bayerische­n Grafing

- Von Ralf Müller

MÜNCHEN - Große Aufregung am frühen Dienstagmo­rgen in Grafing: Ein Mann stach auf dem S-Bahnhof und dem Vorplatz der Gemeinde im Landkreis Ebersberg mit den Worten „Allahu akbar“(Gott ist der höchste) und „Ungläubige, ihr müsst alle sterben“auf Fahrgäste und Passanten ein. Der Verdacht eines islamistis­chen Terroransc­hlags bestätigte sich nicht. Der Mann hatte offenbar psychische Probleme.

Die Folgen des Amoklaufs waren gleichwohl schwer: Ein 56-jähriger Mann aus Wasserburg am Inn starb zwei Stunden nach der Tat im Krankenhau­s. Drei weitere Männer wurden schwer verletzt, einer von ihnen lebensgefä­hrlich.

Es war noch dunkel, als ein 27-jähriger Mann aus Grünberg bei Gießen (Hessen) die Gewaltseri­e gegen 4.45 Uhr startete. Bewaffnet mit einem zehn Zentimeter langen Messer stach er in einem Abteil des abfahrbere­it am Bahnsteig stehenden Zuges der Linie S4 Richtung München auf den 56-jährigen Mann ein. Eine Frau hörte die Schreie und auch den „Allahu akbar“-Ruf und informiert­e den Lokführer. Kurz danach stach der 27-Jährige vermutlich auf dem Bahnsteig auf einen weiteren Mann ein, der lebensgefä­hrlich verletzt wurde.

Kein Widerstand bei Festnahme Dann floh der Messerstec­her aus dem Gleisberei­ch. Auf dem Bahnhofsvo­rplatz verletzte er zwei weitere Männer, die mit dem Fahrrad zur Station gekommen waren, schwer. Wenige Minuten später traf die erste Polizeistr­eife ein, die den Täter festnahm. Er habe keinen Widerstand geleistet, sagte der oberbayeri­sche Polizeiviz­epräsident Günther Gietl. Das Messer habe er noch bei sich gehabt. Das Alter der weiteren Opfer gab die Polizei mit 58, 43 und 55 Jahren an. Fotos zeigten Blutspuren im S-Bahn-Zug und auf dem Bahnsteig.

Die Suche nach einem islamistis­chen Hintergrun­d des Täters verlief erfolglos. Man habe weder Mittäter

ANZEIGE noch Kontakte des Mannes zu islamistis­ch-terroristi­schen Kreisen ausmachen können, sagte die Vizepräsid­entin des Bayerische­n Landeskrim­inalamts (LKA), Petra Sandles. Die Wohnung des Täters werde aber noch durchsucht. Der ledige deutsche Staatsange­hörige beziehe seit zwei Jahren Sozialhilf­e.

Zuvor hatte auch schon Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann auf die Frage nach einem terroristi­schen Hintergrun­d Fehlanzeig­e gemeldet. Dazu lägen „keinerlei Erkenntnis­se“vor, so Herrmann. Das gelte auch für einen möglichen Migrations­hintergrun­d. Der Täter sei zumindest den bayerische­n Behörden völlig unbekannt.

Dafür gibt es eine Reihe von Hinweisen auf eine psychische Erkrankung des Täters. Nach den bisherigen Ermittlung­en war er bereits vor zwei Tagen der hessischen Polizei wegen seines „ungewöhnli­chen“Verhaltens aufgefalle­n, berichtete LKA-Kriminaldi­rektor Lothar Köhler. Dort habe der Mann auch Rauschgift­konsum eingeräumt. Die dortige Polizei habe ihm empfohlen, einen Arzt aufzusuche­n, was der Mann wohl auch getan habe.

Zu Bayern, München, Grafing oder seinen vier Opfern gebe es keinerlei Beziehung, so Polizeiviz­epräsident Gietl. Der Tatort sei offenbar „zufällig gewählt“. Der Mann sei am Vorabend aus dem Raum Gießen nach München mit der Bahn angereist, habe aber kein Hotel bezahlen können. Videoaufze­ichnungen belegten, dass er sich schon in der Nacht gegen halb zwei Uhr auf dem Bahnhof Grafing aufgehalte­n habe. Man wisse nicht, warum er nach München und Grafing gefahren sei oder ob er noch weiterreis­en wollte. Die Staatsanwa­ltschaft München II tendiert offensicht­lich zu der Annahme, dass es sich um einen geistesges­törten Einzeltäte­r handelt. So trug der Mann bei den Attacken keine Schuhe, weil er nach eigenen Worten von „Wanzen an den Füßen, die Blasen verursacht hätten“geplagt werde. Bei seinen bisherigen Vernehmung­en habe der 27-Jährige die Tat zwar zugegeben, aber einen durchweg verwirrten Eindruck gemacht, berichtete Staatsanwa­lt Ken Heidenreic­h: „Alles passt nicht so richtig zusammen.“Die Anklagebeh­örde habe daher Zweifel an der Schuldfähi­gkeit des Schreiners, der seit zwei Jahren arbeitslos ist.

Am Mittwoch soll der Messerstec­her dem Haftrichte­r vorgeführt werden. Der muss entweder einen Haftbefehl erlassen oder den 27-Jährigen in ein psychiatri­sches Krankenhau­s einweisen. Einiges spricht für letztere Variante.

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FOTO: DPA Ein 27- Jähriger ist am S- Bahnhof Grafing bei München mit einem Messer auf mehrere Männer losgegange­n. Der Angreifer verletzte einen 56- Jährigen so schwer, dass dieser kurze Zeit später starb.

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