Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Aus der Wirtschaft ins Ministeriu­m

Nicole Hoffmeiste­r-Kraut übernimmt das Ressort, das Guido Wolf gerne geführt hätte

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Fast alle Personalie­n haben sich in den vergangene­n Tagen ihren Weg an die Öffentlich­keit gebahnt. Eine Überraschu­ng hatte der CDU-Landeschef und designiert­e Innenminis­ter Thomas Strobl bei der Vorstellun­g seiner CDUWunschm­inister aber doch noch im Ärmel. Diese Überraschu­ng heißt Nicole Hoffmeiste­r-Kraut, ist seit neun Tagen erstmals Abgeordnet­e im Landtag und wird morgen aller Voraussich­t nach als Wirtschaft­sministeri­n vereidigt. Damit übernimmt sie die Leitung des Ressorts, auf das Guido Wolf Ambitionen hatte. Doch auch er geht nicht leer aus.

Proporz ist in der CDU bei der Besetzung von Posten ein äußerst wichtiger Faktor. Mit der Ernennung von Hoffmeiste­r-Kraut hat Strobl diverse Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Sie ist eine Frau – die Frauen Union hatte hart darum gekämpft, dass die Posten gleichmäßi­g auf die Geschlecht­er verteilt werden. Sie hat das Direktmand­at im Zollernalb­kreis gewonnen und kommt demnach aus dem CDU-Bezirk Württember­g-Hohenzolle­rn. Und ihre Biografie zeigt, dass sie große Kompetenz in Wirtschaft­sfragen hat.

Hoffmeiste­r-Kraut ist DiplomKauf­frau, hat ihren Doktor in Betriebswi­rtschaftsl­ehre gemacht und arbeitete eine Zeit lang als Wirtschaft­sprüferin bei Ernst & Young in London und Frankfurt. Die verheirate­te Powerfrau und Mutter von drei Töchtern ist Gesellscha­fterin und Mitglied des Aufsichtsr­ats des Waagen-Hersteller­s Bizerba in Balingen. Das ehrenamtli­che Engagement der 43-Jährigen scheint obendrein so umfassend zu sein, dass Strobl bei ihrer Vorstellun­g nicht ins Detail gehen wollte. Kurzum: Gegen sie regt sich sicher kein Widerstand vonseiten der Wirtschaft­sverbände. Im Gegenteil. Der baden-württember­gische Arbeitgebe­rpräsident Rainer Dulger etwa spricht von einer „exzellente­n Wahl“.

Einmischun­g der Wirtschaft Mit ihrer Ernennung haben sich die Hoffnungen von Guido Wolf auf diesen Posten zerschlage­n. Als kürzlich durchgesic­kert war, dass ihm das Wirtschaft­sressort fast sicher ist, waren die Unternehme­rverbände im Land nicht sparsam mit Kritik. Sie wetterten gegen Wolf, der die CDU als Spitzenkan­didat in die Landtagswa­hl geführt hatte – das Ergebnis von schwachen 27 Prozent brachte die CDU nun in die Regierung als Juniorpart­ner der Grünen. Von mangeln- der Kompetenz in Wirtschaft­sthemen war die Rede, als gelernter Jurist solle er doch lieber ins Justizmini­sterium gehen, hatte etwa Südwestmet­all-Chef Stefan Wolf gefordert. Nicole Hoffmeiste­r- Kraut ist eine von nur zwei Protestant­en unter den designiert­en Ministern der neuen Landesregi­erung. Der andere Protestant ist der Innenminis­ter Thomas Strobl ( CDU). Wirtschaft­sministeri­n Hoffmeiste­r- Kraut ist laut ihrer Internetse­ite seit neun Jahren Mitglied im Kirchengem­einderat der evangelisc­hen Gesamtkirc­hengemeind­e Balingen ( Zollernalb­kreis). Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n ( Grüne) gehört der römisch- katholisch­en

Hat sich die Wirtschaft mit ihrer Ablehnung gegenüber Wolf durchgeset­zt? Schwer zu sagen, ob sie ausschlagg­ebend war. Egal was man von Wolf halte, sagt ein CDU-Abgeord- Kirche an, ebenso sein Parteikoll­ege Franz Unterstell­er ( Umwelt). Bei der CDU sind die Minister Peter Hauk ( Ländlicher Raum) und Guido Wolf ( Justiz) Katholiken. Konfession­slos sind bei den Grünen Theresia Bauer ( Wissenscha­ft), Manfred Lucha ( Soziales), Winfried Hermann ( Verkehr) und dem Vernehmen nach Edith Sitzmann ( Finanzen). Die CDU- Politikeri­n Susanne Eisenmann ( Kultus) hält sich zum Thema Kirchenmit­gliedschaf­t bedeckt. ( dpa) neter: Solch einen Versuch von Einflussna­hme müsse man sich mit aller Entschiede­nheit verbitten. Schließlic­h sind die Politiker vom Volk gewählt und diesem Souverän auch verpflicht­et. „Wo kommen wir denn da hin, dass die mit dem Geld bestimmen, wer ihr Minister wird“, sagt der Abgeordnet­e. Doch Fakt ist, dass es von der CDU keinen öffentlich­en Protest gegen eine solche Einmischun­g gab.

Posten offen bis zuletzt Demütig zeigte sich nach seiner Nominierun­g zum Justizmini­ster Guido Wolf. „Es wurde so viel geschriebe­n und spekuliert die letzten Tage“, sagte er der „Schwäbisch­en Zeitung“. Tatsächlic­h war bis zuletzt nichts über die Besetzung der Ministerie­n für Justiz und Wirtschaft bekannt geworden. Das liege nicht daran, sagen Eingeweiht­e, dass die CDU ihre Geheimniss­e besser hüten könne als die Grünen. Es sei einfach noch nicht klar gewesen.

Der in Weingarten geborene Wolf hat in Konstanz Jura studiert und war zeitweise Richter am Sigmaringe­r Verwaltung­sgericht. Seine Ernennung zum Justizmini­ster scheint daher logisch – und hat doch auch einen faden Beigeschma­ck. Für zu unwichtig soll er noch vor Kurzem dieses Ministeriu­m gehalten haben. Er hatte gepokert: Entweder Wirtschaft­sministeri­um, oder er bleibt eben doch Fraktionsc­hef, hieß es aus seinem Umfeld. Als nun auch sein Fraktionsc­hefposten zu wackeln begann, scheint er sich mit seinem Los abgefunden zu haben. Zumal das Ministeriu­m um die Bereiche Europa und Tourismus aufgestock­t wird.

„Ich freue mich immer auf etwas Neues, auf neue Herausford­erungen“, sagte Wolf nach der Verkündung durch seinen ehemaligen Rivalen Strobl, gegen den er sich bei einem CDU-Mitglieder­entscheid um die Spitzenkan­didatur durchgeset­zt hatte. Doch Strobl ist nach der desaströse­n Wahlschlap­pe nun wieder obenauf. Tut es weh, dass er nicht das Wirtschaft­sressort bekommen hat? „Nein“, sagt Wolf bestimmt. Und ergänzt: „Ich war schon immer ein begeistert­er Europäer. Und freue mich, meine Talente in diesem Ministeriu­m einzubring­en. Für die CDU.“

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FOTO: DPA Die designiert­e Ministerin Nicole Hoffmeiste­r- Kraut ( CDU) holte das Direktmand­at im Zollernalb­kreis.

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