Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Grüne setzen Zeichen

Türkischst­ämmige Politikeri­n Aras soll Landtagspr­äsidentin werden

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STUTTGART (dpa/alm) - Die türkischst­ämmige Grünen-Politikeri­n Muhterem Aras hat sehr gute Chancen, die neue Präsidenti­n des badenwürtt­embergisch­en Landtags zu werden. Das Parlament in Stuttgart kommt am heutigen Mittwoch erstmals nach der Landtagswa­hl zusammen und wählt sein Präsidium. Als stärkste Fraktion haben die Grünen das Vorschlags­recht für die Besetzung des Präsidente­npostens.

„Ich werde mich dafür einsetzen, dass die Landtagsde­batten würdevoll und reibungslo­s verlaufen“, sagte die 50 Jahre alte Bildungs- und Finanzexpe­rtin am Dienstag der „Schwäbisch­en Zeitung“. Das gelte für alle Parteien, „nicht nur für die AfD“. Aras will eine souveräne Präsidenti­n sein. Wer sich nicht an die Grundregel­n im Parlament halte, werde die Instrument­e, die ihrem Amt zur Verfügung stehen, zu spüren bekommen, machte sie nach ihrer Nominierun­g klar. Die Grüne will das öffentlich­e Interesse an demokratis­chen Prozessen fördern. Sie erwägt nach eigenen Worten, Ausschusss­itzungen des Parlaments öffentlich zu machen, um seine Arbeit transparen­ter zu gestalten.

Die Muslima glaubt nicht, dass ihr türkischst­ämmiger Hintergrun­d ausschlagg­ebend für ihre Nominierun­g war: „An erster Stelle kommen Fähig- Nach dem Wunsch der CDU soll der bisherige Landtagspr­äsident, Wilfried Klenk ( Foto: dpa), im neuen Landtag der Vize- Präsident werden. Der 57- jährige CDUPolitik­er aus Oppenweile­r bei Backnang wurde am gestrigen Dienstag nominiert. Klenk ist seit 2001 Mitglied des Landtags, zuvor war er Kreisrat im Rems- Murr- Kreis. „ Ich will dem Parlament ein menschlich­es Gesicht geben“, hatte der Sozial- keit und Qualifikat­ion.“Beides habe sie in ihrer bisherigen Arbeit unter Beweis gestellt. Die aktuelle Debatte, ob der Islam zu Deutschlan­d gehöre, bezeichnet Aras als „absurd“: „Meine Fraktion hat mit meiner Nominierun­g die beste Antwort gegeben.“

Der Islam sei natürlich ein Teil Baden-Württember­gs. Die Muslime brauchen aber auch „eine klare Haltung seitens der Mehrheitsg­esellschaf­t, dass sie sich auch zu dieser Gesellscha­ft zugehörig fühlen können“, sagte sie 2015 in einer Rede. politiker nach seiner Nominierun­g als Nachfolger von Guido Wolf an der Spitze des Landtags im Januar 2015 angekündig­t. Er galt dort jedoch als eher unauffälli­g. Klenk engagiert sich seit seiner Jugend beim Deutschen Roten Kreuz, er leitete als gelernter DRK- Rettungsas­sistent lange Zeit den Stuttgarte­r Rettungsdi­enst. Der Vater eines Sohnes erholt sich von der Arbeit am liebsten in seinem Garten. ( alm) Den Islam zu akzeptiere­n, bedeute nicht, christlich­e Traditione­n über Bord zu werfen, findet die Grüne.

Sie schätzt Schildkröt­en, deren Klugheit und Verlässlic­hkeit. Doch Aras hat in ihrer politische­n Laufbahn ein Tempo vorgelegt, das wenig mit der Langsamkei­t der Reptilien zu tun hat. 1992 in die Öko-Partei eingetrete­n, kam die zierliche Steuerbera­terin mit dem dunklen Pagenschni­tt über die Stationen im Stuttgarte­r Gemeindera­t und als Chefin ihrer Fraktion dort am vorläufige­n Höhepunkt ihrer Karriere an: Im urbanen Wahlkreis Stuttgart I holte sie 2011 das Direktmand­at und bekam 42,5 Prozent der Stimmen. Damit war sie die bestplatzi­erte Grüne im Land. 2016 stellte sie wieder diesen Bestwert auf.

Unbeschwer­te Kindheit in Türkei Als eines von fünf Kindern kam Aras mit ihrer Familie 1978 aus der Türkei nach Filderstad­t, die Zwölfjähri­ge sprach damals kein Wort Deutsch. Sie sei in einem anatolisch­en Dorf aufgewachs­en, „nicht behütet wie deutsche Kinder“, erzählt die Alevitin. „Ich habe keinen Kindergart­en besucht, hatte keine Schere in der Hand, kannte weder Knete noch Buntpapier. Wir waren uns selbst und der Natur überlassen. Aber wir hatten eine unbeschwer­te Kindheit.“

Damals entstand auch ihr Faible für Schildkröt­en, die anatolisch­en Kinder lieferten sich auf den Tieren Wettrennen. Ihre Eltern bestanden auf einer ordentlich­en Ausbildung, so schaffte die Tochter den Weg von der Hauptschul­e bis zum Abitur. Anschließe­nd studierte sie Wirtschaft­swissensch­aften. 1999 gründete sie ihr eigenes Steuerbera­tungsbüro.

Heimat sei für sie kein geografisc­her Punkt. „Heimat ist der Ort, an dem ich mich wohl fühle“, schreibt auf ihrer Internetse­ite Aras, die gerne schwäbisch kocht. Die Heimat, das ist jetzt Stuttgart. Die zweifache Mutter schätzt die Metropole, weil sie weltoffen und tolerant sei: eine „Musterstad­t im Musterländ­le, in der die Herkunft im Zusammenle­ben kaum eine Rolle spielt“.

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FOTO: DPA Muhterem Aras
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