Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„Das Wichtigste ist der Kitt der Gesellschaft“
Der designierte Sozialminister Manfred Lucha über die richtige Art zu helfen
STUTTGART - Das neu zugeschnittene Sozialministerium, das künftig auch den Bereich Integration umfasst, bezeichnet Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) als ein Kernressort. Als neuen „Gesellschaftsminister“hat er Manfred Lucha, besser bekannt als Manne Lucha, berufen. Die Vereidigung folgt am Donnerstag im Stuttgarter Landtag. Im Gespräch mit Kara Ballarin erklärt der Ravensburger Landtagsabgeordnete Lucha, was er als seine künftigen Kernaufgaben sieht.
Herr Lucha, wie haben Sie erfahren, dass Sie Sozialminister werden sollen? Durch einen Anruf von Ministerpräsident Kretschmann letzte Woche.
Sie haben während der Koalitionsgespräche in der Arbeitsgruppe Soziales mitverhandelt. Hatten Sie den Ministerposten erwartet? Wir im Oberland sind ja noch ein bissl zweckpessimistisch, halten erstmal den Ball flach. Aber beim Zuschnitt hatte ich das schon überlegt, als ich im vergangenen Jahr Vorsitzender des Arbeitskreises Soziales der Grünen-Fraktion und Leiter der Projektgruppe „Flüchtlinge“war. Ich habe immer wieder gesagt: Die zwei Dinge muss man zusammenfügen. Der Ministerpräsident hat sich persönlich dafür eingesetzt, dass das Ministerium jetzt so zugeschnitten wird.
Und Sie an der Spitze stehen ... Der Ministerpräsident hat den gesellschaftlichen, sozialen Zusammenhalt in den vergangenen fünf Jahren zu seinem Thema gemacht. Seit 30 Jahren ist mein Hauptthema die Frage: Wie schaffen wir es, dass alle Menschen eine Teilhabe am ge- sellschaftlichen Leben haben? Das Wichtigste ist der Kitt der Gesellschaft, Respekt voreinander, sich gegenseitig zu helfen, egal ob Alt oder Jung, mit oder ohne Beeinträchtigungen. Bärbl Mielich (Luchas künftige Staatssekretärin, Anm. d. Red.) und ich sind beide Praktiker. Wir wissen, was wir tun müssen. Denn wir wollen keinen einzigen Menschen verlieren.
Was müssen Sie denn dafür tun? Wir brauchen keine sektoralen, sondern systemische Hilfen. Das heißt: Wir wollen Quartiere schaffen, in denen nicht einzelne Gruppen leben, sondern solche, in denen es möglichst viel Hilfe für alle gibt. Barrierefreiheit zum Beispiel ist nicht nur für ältere Menschen mit Rollatoren, sondern auch für die junge Mutter mit dem Kinderwagen wichtig. Ein Leben im Alter mit sozialer Unterstützung zu ermöglichen, ist eine große Aufgabe für uns. Mein Leitgedanke dabei ist: Nicht viel hilft viel, sondern richtig hilft viel. Und dafür müssen viele zusammenarbeiten. Wie gehen Sie mit Ihrer Würdigung um? Weiter auf dem Boden bleiben. Ich würde für mich reklamieren, dass ich normal geblieben bin. Klar kann ich auch mal was raushauen, mir kann man aber auch mal was an den Grind werfen. Dass man gerade Bärbl Mielich und mir, zwei normalen, engagierten Bürgern, die sich fürs Gemeinwohl einsetzen, solch eine Chance gibt, ist auch ein Zeichen in die Gesellschaft. Ordentliches Schaffen wird gewürdigt. Das Thema des gesellschaftlichen Zusammenhalts ist das zentrale Thema der kommenden fünf Jahre.
Ihr Thema also, das Sie auch gegen Angriffe von außen verteidigen können? Wenn eine Partei einer ganzen Gruppe, wie zum Beispiel die AfD in ihrem Parteiprogramm Menschen islamischen Glaubens, die Teilhabe an der Gesellschaft verweigert, dann kann ich mich auch hinstellen und für diese Menschen einstehen.