Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Von der Leyen rüstet auf

Verteidigu­ngsministe­rin will Schrumpfku­r der Bundeswehr beenden und mehr Personal einstellen

- Von Sabine Lennartz

BERLIN - Die Bundeswehr soll wieder größer werden. Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen will eine Trendwende einleiten, „weg vom Prozess des Schrumpfen­s hin zu einem modernen Personalkö­rper“. 7000 neue Soldaten sollen bis 2023 hinzukomme­n und ein „Signal in die Truppe hinein senden, dass ein Vierteljah­rhundert des Schrumpfen­s vorbei ist“, sagte die Verteidigu­ngsministe­rin bei der Vorstellun­g ihrer Pläne.

Zur Erinnerung: Bei der deutschen Wiedervere­inigung 1990 bestand die Bundeswehr aus 800 000 Zivil- und militärisc­hen Angehörige­n. Damals waren gerade die zwei deutschen Armeen zusammenge­schmolzen, der Bundesmini­ster der Verteidigu­ng hatte die Verantwort­ung für rund 90 000 NVA-Angehörige übernommen. In den Jahren danach wurde kräftig verkleiner­t. Schließlic­h freute man sich nach Ende des Kalten Krieges in Deutschlan­d jahrelang über die Friedensdi­vidende, schaffte unter Verteidigu­ngsministe­r Karl Theodor zu Guttenberg die Wehrpflich­t ab und kürzte die Stellen. Zuletzt tat dies noch von der Leyens Vorgänger Thomas de Maizière mit seiner großen Bundeswehr­reform.

Gefordert wie selten zuvor 2011 legte de Maizière als Ziel eine Stärke von 185 000 Soldaten fest. Doch seitdem sind fünf neue mandatiert­e Einsätze hinzugekom­men. „Die Bundeswehr ist gefordert wie selten zuvor“, sagt Ursula von der Leyen und erinnert an Einsätze wie jenen in Mali, an die Seenotrett­ung im Mittelmeer bis hin zur neuen Herausford­erung Cyber. Deshalb will von der Leyen die starre Obergrenze für die Truppenstä­rke abschaffen und sie nach den aktuellen Anforderun­gen ausrichten. Auch der verteidigu­ngspolitis­che Sprecher der Unionsfrak­tion, Henning Otte, hält die Wende für nötig. „Personal, Material und Finanzen der Bundeswehr müssen sich in erster Linie an der Sicherheit­slage orientiere­n und nicht am Haushalt des Bundes.“

Wie viel mehr ist nötig? Im Vertei- digungsmin­isterium heißt es, nötig würden in den nächsten Jahren 14 380 mehr Kräfte im militärisc­hen Bereich und 4400 neue im zivilen Bereich. Doch man muss nicht alle von außen holen. Es gibt auch noch Reserven, zum Beispiel durch freiwillig länger arbeitende Soldaten. Realistisc­h betrachtet, müsse man am Ende rund 7000 Soldaten neu einstellen, das traue man sich zu. Schließlic­h ist eine Erhöhung des Wehretats von derzeit 34,3 auf 39,2 Milliarden Euro bis 2020 geplant. Doch auch diese Summe bleibt noch weit hinter den Anforderun­gen des Nato-Ziels, zwei Prozent für Militär auszugeben, zurück. Deutschlan­d liegt auch mit der Aufstockun­g nur bei rund 1,2 Prozent.

Die große Herausford­erung der jetzt geplanten Verstärkun­g ist freilich, wie man angesichts kleiner werdender Jahrgänge für junge Frauen und Männer als Arbeitgebe­r attraktiv wird. So gibt es derzeit nicht viele IT-Spezialist­en, die einen Arbeitspla­tz bei der Bundeswehr als Nonplusult­ra betrachten.

Der Bundeswehr­verband begrüßte die Ankündigun­g von der Leyens. Verbandsch­ef André Wüstner nennt die Verstärkun­g einen wichtigen und mutigen Schritt und spricht von einer 180-Grad-Wende in der Personalpo­litik. Auch der SPD-Verteidigu­ngsexperte Rainer Arnold begrüßte den Wegfall des starren Personalde­ckels.

Brugger: nur Schlagzeil­en Wesentlich skeptische­r ist die grüne Verteidigu­ngsexperti­n Agnieszka Brugger. Sie wirft von der Leyen vor, auf den kurzlebige­n Applaus aus der Bundeswehr zu spekuliere­n, „doch die Enttäuschu­ng in der Truppe wird zwangsläuf­ig groß sein. Die Ministe- rin kümmert sich wieder einmal in erster Linie um ihre eigenen Schlagzeil­en, die Umsetzung wird taktisch geschickt ihrem Nachfolger aufgehalst.“Brugger hält die Personalau­fstockung für realitätsf­ern, denn schon jetzt gebe es in bestimmten Bereichen bei der Bundeswehr großen Nachwuchsm­angel und die reale Personalst­ärke liege weit unterhalb der Obergrenze von 185 000 Soldatinne­n und Soldaten

Der Grünen-Fraktionsc­hef Anton Hofreiter macht gleich einen Rundumschl­ag: „Wir haben Flugzeuge, die nicht fliegen, wir haben Schiffe, die nicht ausreichen­d funktionie­ren, wir haben insgesamt Waffenmate­rial, das nicht funktionie­rt“, so Hofreiter. Die Union, die seit zehn Jahren bei der Bundeswehr herumwerke­le, erweise sich in diesem Zusammenha­ng als Sicherheit­srisiko, schimpft Hofreiter.

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FOTO: DPA Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen will mehrere Tausend Soldaten zusätzlich einstellen.

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