Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

ÖVP-Chef Mitterlehn­er stellt Forderunge­n

Zwei Manager gelten in Österreich­s SPÖ als Favoriten für den Regierungs­chef-Posten

- Von Matthias Röder

WIEN (dpa) - Am Tag eins nach der Ära Faymann herrscht in der Alpenrepub­lik auch Erleichter­ung. „Das kann der erste Schritt für einen Neubeginn in Österreich sein“, kommentier­te der von den Grünen unterstütz­te Präsidents­chaftskand­idat Alexander Van der Bellen. Die konservati­ve Volksparte­i ÖVP knüpft den Fortbestan­d der rot-schwarzen Koalition in Österreich an mehrere Punkte. Dazu gehöre zentral, dass die sozialdemo­kratische SPÖ auch nach dem Rücktritt von Faymann an der gemeinsame­n restriktiv­en Linie in der Flüchtling­spolitik festhalte, sagte Vizekanzle­r und ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehn­er. Es gelte, diese Politik „kontinuier­lich und konsequent“fortzusetz­en.

Gegen eine Neuwahl-Debatte Es müsse eine „andere Kultur der Zusammenar­beit“in der Koalition herrschen sowie das Regierungs­programm aktualisie­rt werden, sagte Mitterlehn­er. Obendrein solle wie in Deutschlan­d die Opposition bei großen politische­n Weichenste­llungen künftig besser einbezogen werden, erklärte der ÖVP-Vorsitzend­e, der übergangsw­eise die Aufgaben des Kanzlers übernimmt. „Wir sind nicht an Neuwahlen per se interessie­rt, sondern an weiterarbe­iten.“

„Das müssen keine Sollbruchs­tellen sein, aber man kann sie natürlich dazu machen“, analysiert der Politikber­ater Thomas Hofer die Forderunge­n von Mitterlehn­er. Die ÖVP deute an, dass sie nicht bereit sei, die Koalition um jeden Preis fortzuführ­en.

Die Sozialdemo­kraten in Österreich stemmen sich vehement gegen eine Neuwahl-Debatte. Der Gedanke an Neuwahlen wäre ein „schwerer Fehler“, sagte der SPÖ-Fraktionsv­or- sitzende Andreas Schieder. Die Wähler wollten eine handlungsf­ähige Regierung. „Gerade ein personelle­r Neuanfang gibt auch die Chance, dass man bei Arbeitsthe­men durchstart­et.“Die Neubesetzu­ng des Kanzlers und des SPÖ-Vorsitzes sei eine Frage weniger Tage. „Es muss ganz schnell gehen“, sagte Schieder.

Mit dem spektakulä­ren Abgang von Faymann ist ein unpopuläre­r Regierungs­chef zwar von der großen Bühne verschwund­en, aber die tiefgreife­nden Probleme der Sozialdemo­kraten bleiben. „Die Schlüsself­rage ist, wie stoppe ich mit inhaltlich­en Argumenten den Wählerschw­und Richtung FPÖ?“, sagt der Politikwis­senschaftl­er Peter Filzmaier. Die rechte FPÖ ist – das zeigen die Wahlanalys­en in jüngster Zeit deutlich – die neue Arbeiterpa­rtei der Alpenrepub­lik. Politikber­ater Hofer erwartet bei der SPÖ zumindest ein Aufweichen der bisher strikten Anti-Haltung auf Bundeseben­e zu den Rechtspopu­listen.

Dass zwei Manager – der Chef der Österreich­ischen Bundesbahn­en (ÖBB), Christian Kern (50), und der Medienmana­ger Gerhard Zeiler (60) – als Top-Favoriten für den Posten als Regierungs­chef gehandelt werden, gilt als bezeichnen­d für den Zustand der SPÖ. Beide haben sich nach dem Rücktritt noch nicht selbst zu Wort gemeldet. Kern war am Montagaben­d lässig bei einem Konzert der britischen Rockgruppe Muse, Zeiler war zu der Zeit auf dem Flug in die USA. Als mögliche Kompromiss­kandidatin gilt die 60 Jahre alte ehemalige SPÖ-Europa-Staatssekr­etärin Brigitte Ederer.

Wie dramatisch die Abläufe hinter den Kulissen am Montag waren, zeigen Recherchen der Wiener Zeitung „Kurier“. Danach war Faymann mit seinem Rücktritt einem „Königsmord“durch die eigenen Genossen nur knapp zuvorgekom­men. Fünf Landeschef­s der SPÖ hatten danach in einem Wiener Hotel am Morgen beschlosse­n, einen außerorden­tlichen SPÖ-Sonderpart­eitag einberufen zu lassen – faktisch eine Rücktritts­forderung. Als Faymann davon erfahren habe, habe er sofort die Flucht nach vorne angetreten, schreibt die Zeitung.

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FOTO: DPA Reinhold Mitterlehn­er, der übergangsw­eise die Aufgaben des Kanzlers übernimmt, will an der restriktiv­en Flüchtling­spolitik festhalten.

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