Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Weg frei für Amtsenthebung von Dilma Rousseff
Verwirrung in Brasilien – Nach turbulentem Hin und Her entscheidet Senat über Schicksal der Präsidentin
MEXIKO-STADT - Das Amtsenthebungsverfahren gegen Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff soll nun doch wie ursprünglich geplant im Senat stattfinden. In einer weiteren Volte gab der Übergangspräsident der Abgeordnetenkammer, Waldir Maranhão, am Dienstag seinen Widerstand gegen das Impeachment auf. Allerdings will Rousseff die Prozedur in letzter Minute noch höchstrichterlich stoppen lassen: Die Regierung werde vor dem Obersten Gericht eine Annullierung des Amtsenthebungsverfahrens verlangen, sagten ihre Anwälte.
Waldir Maranhão teilte am Dienstag mit, er habe seine „Entscheidung zurückgenommen“. Damit soll das Oberhaus am heutigen Mittwoch mit den Beratungen über die Einleitung des Amtsenthebungsverfahrens beginnen. Aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Senat gilt es als ausgemacht, dass sich die Mehrzahl der 81 Senatoren für die Suspendierung der Staatschefin aussprechen wird.
Für 180 Tage behält sie dann zwar Gehalt und Privilegien, gibt aber die Macht vollständig ab, damit die gegen sie erhobenen Vorwürfe der Haushaltsmanipulation geprüft werden können. Somit wird spätestens am Freitag ihr konservativer Gegenspieler und Vize-Präsident Michel Temer neuer Staatschef Brasiliens.
Am Montag hatte Maranhão das Land mit seiner Entscheidung schockiert, das Verfahren gegen Rousseff zu stoppen. Er ordnete an, die Abstimmung vom 17. April wegen Verfahrensfehlern zu wiederholen. Experten und Politiker vermuteten, der eigentlich christlich konservative Politiker könne die überraschende Entscheidung auf Druck des Gouverneurs Flávio Dino getroffen haben. Dino gehört der Kommunistischen Partei Brasiliens an und ist ein Gegner der Entmachtung Rousseffs. Er hatte sich am Wochenende mehrfach mit Maranhão getroffen. Nachdem Maranhãos Mitte-rechts-Partei „Partido Progresista“ihm mit dem Ausschluss drohte, wenn er das Verdikt nicht zurücknehmen würde, änderte dieser seine Meinung erneut.
Die Bevölkerung ist zunehmend ernüchtert von der politischen Klasse, die persönliche Fehden austrägt und sich bereichert. In einer Umfrage sprachen sich jüngst zwei Drittel der Brasilianer für Neuwahlen aus. Sie halten das Amtsenthebungsverfahren für den falschen Schritt. Insbesondere Vize-Präsident Temer, der Rousseffs Amt übernehmen und ihr Mandat bis 2018 zu Ende führen wird, genießt nur zwei Prozent Zustimmung in der Bevölkerung.