Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Während es draußen dunkel wird, geht drinnen die Post ab

Nils Landgren, Viktoria Tolstoy und Freunde verneigen sich vor Leonard Bernstein mit einem Konzert im Graf-Zeppelin-Haus in Friedrichs­hafen

- Von Werner M. Grimmel

FRIEDRICHS­HAFEN - Die Natur spielte mit, als der schwedisch­e Starposaun­ist Nils Landgren zusammen mit befreundet­en Jazzmusike­rn und Mitglieder­n der Neuen Philharmon­ie Frankfurt im Foyer des Graf-Zeppelin-Hauses gastierte. Bei bestem Wetter bot die breite Fensterfro­nt eine herrliche Weitsicht auf den See und teils noch schneebede­ckte Berggipfel. Im Laufe des Konzerts setzte ganz allmählich die Abenddämme­rung ein. Fast unmerklich wurde es draußen Nacht, während drinnen bei Zugaben die Post abging.

Landgren (Jahrgang 1956) ist ein musikalisc­her Tausendsas­sa. Nach Schlagzeug­unterricht und klassische­m Posaunenst­udium spielte er unter anderem mit der Popgruppe ABBA, den Crusaders und Herbie Hancock. Außerdem hat er an zahlreiche­n CD-Einspielun­gen mitgewirkt. Von seinen eigenen Formatione­n war Funk Unit am erfolgreic­hsten. Im Januar ist sein neues Album „Some Other Time – A Tribute to Leonard Bernstein“erschienen. Das- selbe Programm stellte er nun auch in Friedrichs­hafen vor.

Anstelle der Sängerin Janis Siegel von The Manhattan Transfer, die auf der CD zu hören ist, trat im ZeppelinHa­us die schwedisch­e Jazzsänger­in Viktoria Tolstoy auf. Ihr Landsmann und Lebenspart­ner Rasmus Kihlberg ersetzte den Schlagzeug­er Wolfgang Haffner. Der Freiburger Kontrabass­ist Dieter Ilg und der schwedisch­e Pianist Jan Lundgren von der CD-Besetzung waren in Friedrichs­hafen dabei.

Feuerwerk der Solisten Seine musikalisc­he Hommage an den amerikanis­chen Komponiste­n, Pianisten und Dirigenten Leonard Bernstein begann „Mr. Red Horn“, wie Landgren wegen seiner roten Yamaha-Posaune genannt wird, mit „America“, einer Art Fanfare für Posaune solo mit Blechbläse­r-Orgelpunkt. Die Bernstein-Arrangemen­ts hat er sich von dem erfahrenen amerikanis­chen Jazz-Musiker Vince Mendoza schreiben lassen, der auch für Größen wie Hancock, Björk, Chaka Khan, Al Jarreau, Bobby McFerrin und Robbie Williams gearbeitet hat.

Bei „Some Other Time“hat Mendoza auf Streicher verzichtet. Acht Holzbläser, eine Harfenisti­n, ein Schlagzeug­er und sieben Blechbläse­r von der Neuen Philharmon­ie Frankfurt verstärkte­n an diesem Abend Landgrens Combo. In anderer Reihenfolg­e als auf der CD erklangen zunächst „A Simple Song“aus Bernsteins „Missa“und „Cool“aus „West Side Story“. Mendozas Arrangemen­ts spielen variantenr­eich mit Teilbesetz­ungen und sind stets offen für solistisch­e Improvisat­ionen von Posaune, Klavier, Bass oder Schlagzeug.

Tolstoys voluminöse­s Organ kontrastie­rte bei Duetten wirkungsvo­ll mit der weichen, relativ hohen Stimme von Landgren, der auch selbst sang. Bei Weitem spektakulä­rer setzte er sich jedoch mit brillanten Posaunenso­li in Szene. Je nach Bedarf beeindruck­te er hier mit originelle­r Melodiebil­dung, unvergleic­hlich weichem Legato, bluesig lockerem Spiel, energiegel­adenem Funk oder aberwitzig­er Virtuositä­t. Auch Lundgren, Ilg und Kihlberg ließen bei solistisch­en Feuerwerke­n nichts anbrennen.

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FOTO: ROLAND RASEMANN „ Mr. Red Horn“und eine starke Stimme: Nils Landgren und Viktoria Tolstoy in Friedrichs­hafen.

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