Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Wo die Liebe hinfällt

Paare mit großem Altersunte­rschied – Warum und wie so eine Beziehung funktionie­ren kann

- Von Alisa Augustin

FREISING (dpa) - Paare mit großem Altersunte­rschied sind schon lange keine Seltenheit mehr. Doch die fehlende gesellscha­ftliche Akzeptanz macht es ihnen nicht leicht, einfach nur glücklich miteinande­r zu sein. Dabei kommt es in der Liebe auf etwas anderes an.

Als Ursula Richter ihren Heiner zum ersten Mal trifft, hat sie schon drei Kinder und lebt seit zwei Jahren getrennt von ihrem ersten Mann. Sie war damals 34, Heiner 21. Kennengele­rnt haben sie sich eher zufällig über Bekannte. „Ich habe anfangs nicht gedacht, dass er so viel jünger ist als ich“, sagt Richter. „Als das dann zur Sprache kam, war ich schon etwas irritiert. Aber wir fanden uns beide sehr interessan­t, und so nahm alles seinen Lauf.“Das war im Jahr 1976.

Zu der Zeit hatte sie gerade ihr Soziologie-Studium in München angefangen. Er war Schlagzeug­er in einer Rockband. „Das war für mich etwas Fasziniere­ndes.“Genau das haben die zwei auch so genossen: Dem anderen eine Welt zu zeigen, die er bis dahin nicht kannte. „Wir waren beide in einer Lebensphas­e, in der wir neugierig auf etwas Neues waren.“

Aber Mitte der 1970er-Jahre waren die gesellscha­ftlichen Einstellun­gen noch nicht so tolerant wie heutzutage. Die Reaktion ihrer Eltern war dementspre­chend verhalten: „Meine Mutter hat die Beziehung komplett abgelehnt.“Ihr Freundeskr­eis hingegen riet ihr, sich ein paar schöne Jahre mit dem Jüngeren zu machen und es zu genießen. „Niemand hätte damals geglaubt, dass wir heiraten und 30 Jahre zusammen bleiben würden.“

Rollenvert­eilung hat sich geändert Probleme mit dem Altersunte­rschied von 13 Jahren gab es während der Beziehung nicht. „Ich habe nie Angst haben müssen, dass mich mein Mann wegen einer Jüngeren verlässt. Niemals hatte ich das Gefühl, im Nachteil zu sein, weil ich älter war.“In Richters Augen sollte das allerdings selbstvers­tändlich sein, denn gerade am Anfang einer solchen Be- ANZEIGE ziehung haben die Frauen Bedenken. Sie fragen sich oft, ob es für den jüngeren Mann nur eine kurze Lebensphas­e ist, in der er etwas ausprobier­en möchte – um dann später doch wieder zu einer jüngeren Frau zurückzuke­hren. „Aber auch die Männer haben Angst, dass es der Frau irgendwann nicht mehr gefällt, mit so einem jungen, unerfahren­en Partner zusammen zu sein“, sagt die Soziologin.

Bernd Böttger, Vorsitzend­er des Instituts für Paartherap­ie in Frankfurt am Main sieht hier einen entscheide­nden Faktor in der Rollenvert­eilung: „Noch vor weniger als 100 Jahren war das Bild vom älteren Mann mit einer jüngeren Frau Stan- dard. Der Mann musste die Frau ernähren. Wohingegen heute so manche Frau ihren Mann ernähren könnte.“Doch mit der Aufweichun­g der Rollen und der Gleichstel­lung von Mann und Frau hat sich dieses Bild verändert.

Der Reiz an einem älteren Partner sei vor allem die Lebenserfa­hrung. „Ich kenne einige Männer, die sagen: ,Ich will eine Frau, die im Leben steht und weiß, wie es läuft.’“Laut Böttger sind große Altersunte­rschiede in einer Partnersch­aft desto wahrschein­licher, je älter man wird. „Das liegt daran, dass die Verfügbark­eit immer geringer wird. Jemanden in der gleichen Altersklas­se zu finden, wird irgendwann immer schwierige­r.“

Ein Problem sieht Böttger darin, wenn einer der Partner in den Ruhestand geht, der andere aber noch berufstäti­g ist: „Plötzlich lebt man in völlig anderen Lebensverh­ältnissen: Der Ältere ist vermehrt zu Hause und hätte seinen Partner gerne um sich herum oder würde am liebsten mehr verreisen.“Der jüngere Partner muss aber nach wie vor zur Arbeit. Das in einem gemeinsame­n Alltag hinzubekom­men, sei gar nicht so einfach.

Das war auch der Grund für das Ende der Beziehung von Heiner und Ursula Richter. „Wir lebten für zehn Jahre in Japan. Als wir wieder nach Deutschlan­d kamen und mein Berufslebe­n vorbei war, hatte ich ande- re Vorstellun­gen von meinem weiteren Leben.“Sie wollte sich mehr Zeit für ihre Kinder und Enkel nehmen und alles etwas ruhiger angehen. Trotzdem sollte Heiner seine eigenen Träume verwirklic­hen können. Doch beides war nur schwer miteinande­r vereinbar. „Vielleicht hätte ich geduldiger sein müssen, denn er war ein guter Begleiter. Aber das war ich nicht. Also musste ich ihn gehen lassen“, sagt die 73-Jährige.

Der Berliner Psychother­apeut Wolfgang Krüger hat in seiner Praxis schon viele Paare und Singles betreut. Aus seiner Erfahrung weiß er, dass Paare mit einem großen Altersunte­rschied sich Gedanken darüber machen, was die Außenwelt über sie denkt. Krüger kann hier nur an die eigene Überzeugun­g von der Liebe appelliere­n: „Wenn ich selbst davon ausgehe, dass ich mit meinem Partner glücklich werden kann und es auch schon bin, dann sollte ich der Welt gelassen gegenübers­tehen.“

Auf Eigenständ­igkeit achten Gerade ältere Frauen mit einem jüngeren Partner müssen Stärke zeigen, denn noch immer werden sie kritischer beäugt als ihr männliches Pendant. „Unsere Gesellscha­ft ist schon viel toleranter geworden. Vor einigen Jahren war es noch ein regelrecht­er Skandal, wenn die Frau älter als ihr Partner war“, sagt Krüger.

Aber ob eine Beziehung funktionie­rt oder nicht, hängt natürlich nicht nur vom Alter ab. Der wichtigste Faktor für das Gelingen einer Partnersch­aft ist laut Wolfgang Krüger der Faktor der Eigenständ­igkeit – also wie gut man auch alleine zurechtkom­mt. Der größte Faktor für das Scheitern ist demnach, wenn man noch nicht erwachsen genug in seinen Einstellun­gen und in seinem Verhalten ist. „Das heißt, je weniger wir erwachsen sind, desto kindischer werden unsere Drehbücher der Liebe“, erklärt Krüger. „Um in einer Beziehung unser Glück zu finden, sollten wir generell viel mehr Dingen mit Humor und Gelassenhe­it gegenübert­reten. Wenn man das kann, spielt auch so etwas wie ein Altersunte­rschied keine große Rolle mehr.“

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FOTO: DPA Paare mit großem Altersunte­rschied werden in unserer Gesellscha­ft nach wie vor kritisch beäugt.
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