Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Verteidiger wollen Haftbefehl aufheben lassen
Cannabis-Prozess: Dringender Tatverdacht des Angeklagten sei nicht gegeben, Zeugen seien unglaubwürdig
WEINGARTEN - Der elfte Prozesstag gegen einen 31-Jährigen Mann, der sich wegen der Beteiligung an unerlaubtem Handel mit Rauschgift in nicht geringer Menge vor dem Landgericht Ravensburg verantworten muss, hat am Dienstag eine entscheidende Wende gebracht: Die Verteidiger beantragten, den Haftbefehl gegen ihren Mandanten aufzuheben. Begründung: Es liege kein dringender Tatverdacht vor, weil zwei Zeugen unglaubwürdig seien.
Dem 31-jährigen Angeklagten wirft die Staatsanwaltschaft vor, im April 2014 einer der Hintermänner eines Drogendeals gewesen zu sein. In einer Wohnung in der WilhelmBraun-Straße in Weingarten konnte die Polizei damals insgesamt 22 Kilogramm Marihuana sicherstellen. Marktwert des Rauschgifts: 150 000 Euro. Weil er von einem 38-jährigen Komplizen, der auch der Mieter der Bunkerwohnung war, verraten wurde, konnten die Beamten den 31-Jährigen im Ausland verhaften und nach Deutschland bringen. Zwischenzeit- lich wurde dem 38-Jährigen wegen anderer Drogendeals der Prozess gemacht. Das Gericht verurteilte ihn zu einer Gesamtstrafe von sechs Jahren und fünf Monaten. Und diesem Zeugen wird nun von den Verteidigern Unglaubwürdigkeit unterstellt.
In seiner ersten Vernehmung durch die Polizei unmittelbar nach seiner Verhaftung spielte der 38-Jährige die Rolle des Angeklagten bei dem Drogenhandel noch herunter. Dem 31-Jährigen gehöre das Marihuana nicht. Eigentümer sei ein zweiter Hintermann, den die Polizei bislang nicht ermitteln konnte. Gleichzeitig beschuldigte er ihn aber, Drahtzieher eines anderen Drogendeals zu sein. An Ostern 2014 sollten als FetakäseLieferung getarnt mindestens 200 Kilogramm Marihuana nach Deutschland geschmuggelt werden. Die polizeiliche Überwachung der Grenzen brachte allerdings kein Ergebnis.
Zusätzlich belastete der 38-Jährige einen weiteren Mann, die 22 Kilogramm Marihuana in die WilhelmBraun-Straße transportiert zu haben. Dieser Mann saß daraufhin sieben Tage in Untersuchungshaft. Da sich jedoch keine weiteren Tatbeteiligungsbeweise fanden, stellte die Polizei die Ermittlungen gegen diesen Mann ein. Zu Beginn des Prozesses gegen den 31-Jährigen im Januar dieses Jahres wollte der 38-Jährige nicht als Zeuge gegen seinen Komplizen aussagen. Erst am neunten Verhandlungstag brach er sein Schweigen und belastete den Angeklagten schwer. Er habe ihn im Oktober 2013 kennengelernt und mit ihm gemeinsam im März 2014 die Lieferung der 22 Kilogramm Marihuana in die WilhelmBraun-Straße eingefädelt.
Zeuge hatte gelogen Mit dieser Aussage wurde der 38-Jährige zum Hauptbelastungszeugen. Ob er allerdings glaubwürdig ist, ist fraglich. Wie er weiter aussagte, habe er bei seiner Vernehmung durch die Polizei nach seiner Verhaftung im April 2014 teilweise gelogen. Er habe die Lieferung der 200 Kilogramm Marihuana, die als Fetakäse getarnt an Ostern 2014 nach Deutschland kommen sollte, frei erfunden. Mit dieser Geschichte habe er seinem Komplizen Zeit zum Verschwinden schaffen wollen. Aufgrund seiner widersprüchlichen Aussagen ist der 38Jährige in der Argumentation der Verteidigung kein Belastungszeuge. Auch sei die Aussage seiner Frau kein Beweis für einen dringenden Tatverdacht, da sie von der Mittäterschaft des Angeklagten lediglich vom Hören sagen weiß.
Zum Zünglein an der Waage wird aktuell die Beurteilung der ChatKommunikation aus den sichergestellten Smartphones des 38-Jährigen und einem Facebook-Eintrag. Doch auch hier sieht die Verteidigung keine unmittelbare Tatbeteiligung ihres Mandanten. Es sei zwar offensichtlich, dass es darin um Drogengeschäfte gehe, allerdings fehle für einen Strafbestand ein klares „Jetzt geht es los“seitens des Angeklagten. Außerdem sei der 31-Jährige niemals am Tatort in der Wilhelm-Braun-Straße gewesen. Eine entsprechender DNAund Fingerabdruckvergleich war negativ ausgefallen.
Unterdessen droht dem 38-Jährigen Komplizen ein weiteres Verfahren. Die Verteidigung stellte zusätzlich einen Strafantrag gegen ihn we- gen falscher Beschuldigung des angeblichen Transporteurs, die mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr geahndet wird, falls der Beschuldigte – wie in diesem Fall geschehen – sieben Tage in Untersuchungshaft sitzt.
Staatsanwaltschaft hält dagegen Falls das Gericht dem Antrag der Verteidigung auf Aufhebung des Haftbefehls gegen den 31-Jährigen stattgibt, brechen für die Staatsanwaltschaft zwei wichtige Zeugen weg. Allerdings, so Staatsanwältin Düffert im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“, sei die Anklage nicht auf die Zeugen angewiesen, da zu Beginn des Prozesses überhaupt nicht feststand, ob sie aussagen würden. Ihre Argumentation baue auf die Beweislage in den Chats. Näheres würde sich in ihrem Plädoyer ergeben. Deshalb trat sie dem Antrag der Verteidigung entgegen. Fürs erste bleibt der 31-Jährige deshalb in Haft. Die Annahme des Antrags bedeutet für ihn, er könnte für die weitere Dauer des Prozesses auf freien Fuß kommen. Am 19. Mai wird die Verhandlung fortgesetzt.