Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Entlarvend­er Winkelzug

- Von Klaus Nachbaur k. nachbaur@ schwaebisc­he. de

Nein, es geht nicht um den Mann, der es mit seinem verqueren Welt- und Menschenbi­ld in den baden-württember­gischen Landtag geschafft hat. Sonderling­e, auch verkappte Antisemite­n, finden sich in allen Parteien. Man täte diesem AfD-Politiker Wolfgang Gedeon deshalb zu viel der Ehre an, würde man sich ernsthaft mit seinen Thesen beschäftig­en. Wer Neonazis wie den verurteilt­en HolocaustL­eugner Ernst Zündel als „Dissidente­n“bezeichnet, hat entweder eine psychiatri­sche Behandlung nötig – oder aber die verbrecher­ische Gesinnung eines Mittäters.

Es geht bei der Auseinande­rsetzung mit Gedeon um seine Partei AfD, ihren Vorsitzend­en Jörg Meuthen, die Co-Chefin Frauke Petry und all die angeblich wertkonser­vativen Abgeordnet­en und Mitglieder, die Gedeons Antisemiti­smus für nicht so schlimm halten. Noch einmal: Man findet Juden- und IsraelHass­er wahrschein­lich in allen Parteien. Aber in jeder demokratis­chen Partei wäre es eine Selbstvers­tändlichke­it, sich von einem wie Gedeon zu trennen. Bei der AfD ist dies nicht der Fall. Der taktische Winkelzug, auf den sich die Landtagsfr­aktion geeinigt hat, wirft ein gleicherma­ßen erbärmlich­es wie entlarvend­es Bild auf sie. Für einen Rausschmis­s Gedeons aus der Fraktion fehlte offensicht­lich die Mehrheit. Meuthen, der damit seine politische Zukunft verknüpft hatte, steht als Verlierer da – geriert sich aber wie ein Sieger. Als Ergebnis bleibt: Die meisten AfDAbgeord­neten haben kein Problem damit, dass der Antisemit Wolfgang Gedeon nach einer Schamfrist wieder in die Fraktion zurückkehr­en könnte. Parteimitg­lied bleibt er bis auf Weiteres ebenfalls.

Ein Gutachten soll es nun richten. Das ist die nächste Zumutung. Jörg Meuthen ist von Beruf Hochschull­ehrer. Er müsste es eigentlich wissen: Gutachten sind dazu da, strittige Sachverhal­te, Einschätzu­ngen, Positionen zu klären. Die Gutachter im Fall Gedeon sollen dagegen klären, ob offenkundi­ger Antisemiti­smus wirklich Antisemiti­smus ist. Aber vielleicht ist Wolfgang Gedeon ja nur ein Dissident.

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