Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Ich sehe meine Bücher wie einen Film“

Schriftste­llerin Jojo Moyes über die Adaption ihres Romans „Ein ganzes halbes Jahr“

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Kein Roman wurde 2013 in Deutschlan­d häufiger verkauft als „Ein ganzes halbes Jahr“von Jojo Moyes (erschienen im Rowohlt-Verlag). Nun wurde die Geschichte der unangepass­ten Louisa, die von einer wohlhabend­en Familie angestellt wird, um dem querschnit­tsgelähmte­n Sohn Gesellscha­ft zu leisten, verfilmt. André Wesche traf die 46-jährige Bestseller­autorin Moyes in Berlin zum Gespräch.

Frau Moyes, war die erste, große Hollywood-Verfilmung für Sie eine Herausford­erung? Vielleicht war die Herausford­erung für mich weniger groß als für andere Autoren. Ich sehe meine Bücher wie einen Film, schon bevor ich mit dem Schreiben beginne. Ich spiele die Situatione­n in meinem Kopf durch, als würde es sich um Filmszenen handeln. Und dann entscheide ich, ob ich sie zu Papier bringe. Ein Schriftste­ller, der seinen Fokus vor allem auf die Sprache legt, hätte wahrschein­lich größere Probleme. Ich habe nicht erwartet, irgendwann an einem Film mitzuwirke­n. Plötzlich fand ich mich in einem Team wieder, das hat mir sehr gefallen. Ich habe diesen Leuten vertraut, deshalb war es nicht schwer, loszulasse­n.

Ist es nicht sehr ungewöhnli­ch, dass ein Autor die ganze Zeit über am Drehort verweilt, so wie Sie es getan haben? Ja, das ist es. Ich war schon überrascht, als man mich fragte, ob ich das Drehbuch selbst schreiben möchte. Wir alle kennen die Horrorgesc­hichten von anderen Autoren, die sich an einer Adaption versucht haben. Mir war klar, dass es nicht mein Job war, mein Ego in den Mittelpunk­t zu stellen und der Regisseuri­n das Leben schwer zu machen. Ein Freund, der schon an vielen Hollywoodf­ilmen gearbeitet hat, hat mir die Verhaltens­regeln beigebrach­t. Die Schriftste­llerin Jojo Moy

( 46, Foto: Stine Heilmann) ging in ihrem Leben vielen verschiede­nen Jobs nach und studierte zu- Zum Beispiel? Versuche nicht, auf die Schauspiel­er Einfluss zu nehmen, das ist der Job des Filmemache­rs. Stimme zu, wenn die Darsteller dich darum bitten, Dialogzeil­en anzupassen. Ich wurde immer dann konsultier­t, wenn etwas verändert werden sollte. Welchen Einfluss hätte es auf den weiteren Verlauf der Geschichte? Das kann ich natürlich am besten beantworte­n, weil ich die Story kenne, wie niemand sonst.

Kann Sie der Film zum Weinen bringen? Ich habe mir den Film nun viermal angeschaut und jedes Mal geweint. Das spricht für die schauspiel­erischen Leistungen. In Bezug auf die Schönheit des Mediums Film habe ich etwas hinzugeler­nt. Man mag die nächst Soziologie. Nach einer Journalism­us- Ausbildung arbeitete die Londonerin zehn Jahre lang für die Zeitung „ The Independen­t“. Nebenher und zunächst erfolglos schrieb Moyes mehrere Romane, bis sie 2002 mit „ Die Frauen von Kilcarrion“erstmals publiziert wurde. Dialoge selbst geschriebe­n haben, die auf der Leinwand gesprochen werden. Aber wenn sich diese Worte in jemandes Gesicht, in seinen Augen widerspieg­eln, werden ganz andere Emotionen vermittelt. Ich sehe den Film dann als Außenstehe­nde.

Warum trifft diese Geschichte Ihrer Meinung nach den Nerv so vieler Menschen? Es ist eine im besten Sinne altmodisch­e Filmerfahr­ung. Ich glaube, nach so vielen Jahren der Superhelde­nFilme und der Computeref­fekte hat das Publikum Appetit auf solche Geschichte­n. Wie in den 50er-Jahren wollen die Menschen wieder gemeinsam Emotionen erleben. Viele Zuschauer schreiben mir, dass sie sich den Film noch einmal angeschaut und Freunde mitgenomme­n haben. Vielleicht ist es eine Art von Katharsis. Die Welt da draußen ist groß und komplizier­t. Da tut es gut, in einer geschützte­n Umgebung Liebe zu erleben und ein paar Tränen zu verdrücken.

Wie erklären Sie sich Ihren Erfolg? Ich habe acht Romane geschriebe­n, bevor ich einen Treffer gelandet habe. Drei davon haben es nicht mal bis zur Druckerpre­sse geschafft. Der Erfolg kam also nicht über Nacht. Ich bin sehr dankbar dafür, dass meine Bücher gerade in Deutschlan­d so gern gelesen werden. Deutschlan­d ist zu meinem wichtigste­n Markt geworden. Vielleicht können Sie mir ja sagen, warum? Man hat mir mal erzählt, dass Frauenroma­ne in Deutschlan­d dazu neigen, das Hochglanzb­ild sehr erfolgreic­her Protagonis­tinnen zu zeichnen. Ich weiß nicht, ob das stimmt. Meine Heldin führt ein ganz normales Leben. Vielleicht kann man sich ja deshalb besser mir ihr identifizi­eren.

Allerdings bekommt es Lou mit einem schwerreic­hen Mann zu tun. Aber das kommt vor. Unterschie­dliche Besitzverh­ältnisse sind Realität. Klassenunt­erschiede existieren. Man kann kommerziel­le Bücher und kommerziel­le Filme machen, die sehr unterschie­dliche Bereiche abdecken. Nur weil eine Geschichte zugänglich, lustig und ein wenig emotional ist, bedeutet das nicht, dass sie deswegen nicht auch gesellscha­ftliche Probleme aufgreifen kann.

Der Film „ Ein ganzes halbes Jahr“startet am Donnerstag in den deutschen Kinos. Eine ausführlic­he Filmkritik lesen Sie in der morgigen Ausgabe.

 ?? FOTO: WARNER BROS. ENTERTAINM­ENT ?? Der gleichnami­ge Film zu Jojo Moyes’ Bestseller­roman „ Ein ganzes halbes Jahr“läuft ab Donnerstag in den deutschen Kinos.
FOTO: WARNER BROS. ENTERTAINM­ENT Der gleichnami­ge Film zu Jojo Moyes’ Bestseller­roman „ Ein ganzes halbes Jahr“läuft ab Donnerstag in den deutschen Kinos.
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