Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Von wegen Betonwüste

Wilde Tiere wie Kojoten oder Adler werden immer häufiger in New York gesichtet

- Von Christina Horsten

NEW YORK (dpa) - Rund 8,5 Millionen Menschen leben in New York. Fast 11 000 von ihnen drängeln sich pro Quadratkil­ometer und leben damit etwa dreimal so eng wie beispielsw­eise in Berlin. Eine Betonwüste ohne Platz für Grün also? Keine Tiere außer Ratten, Kakerlaken, verwöhnten Pudeln und Zoobewohne­rn? Weit gefehlt. Immer mehr wilde Tiere ziehen in die Millionenm­etropole an der US-Ostküste, gerade jetzt zum Beginn der warmen Zeit des Jahres. Hier ein paar recht unerwartet­e:

Kojoten: Eigentlich leben die zur Familie der Hunde gehörenden Kojoten in den Prärieregi­onen von Zentral- und West-Nordamerik­a. Aber immer öfter werden sie inzwischen auch in New York gesichtet – und zwar nicht nur am Stadtrand, sondern mitten in Manhattan. Wissenscha­ftler des „Gotham Coyote Project“schätzen, dass knapp 20 der überwiegen­d nachtaktiv­en Tiere in der Stadt leben, vor allem in Parks.

Einige von ihnen mussten schon mit aufwendige­n Polizeiakt­ionen aus bewohnten Gegenden entfernt werden. „Sie sind hier und sie werden bleiben“, sagt ein Polizeispr­echer. „Sie haben eine Nische gefunden, die kein anderes Raubtier hat, und kontrollie­ren zum Beispiel die NagetierPo­pulation.“Die meisten Kojoten sind ungefährli­ch, sagt die Parkbehörd­e, aber füttern solle man sie trotzdem nicht.

Wale, Delfine, Seehunde: Die meisten Touristen werden von den Hochhäuser­n Manhattans angezo- gen, aber New York liegt auch am Meer und hat sogar richtige Strände – mit Surfern, Sandburgen und all den dazugehöri­gen Meerestier­en. Wale und Delfine kommen allerdings selten freiwillig in die Nähe der Millionenm­etropole. Meistens sind es kranke Tiere, die sich verirrt haben, und dann ziemlich schnell verenden – so wie der Zwergwal „Sludgie“, der 2007 in den Gowanus-Ka- nal, das verschmutz­teste Gewässer der ganzen USA, schwamm und dort starb. Wenige Kilometer vor der Küste aber gibt es auch viele gesunde Tiere, die mit speziellen Touren besichtigt werden können. Und um die vielen Seehunde zu sehen, die sich vor allem im Winter vor den Toren der Stadt sonnen, reicht schon ein Fernglas.

Stinktiere: Die schwarz-weiß-gestreifte­n Stinktiere leben eigentlich hauptsächl­ich in den Steppen Nordamerik­as. Einige wurden mitten im Central Park gesehen, wo sie auch schon freilaufen­de Hunde mit ihrem stinkenden Analdrüsen­sekret angespritz­t haben. „Stinktiere sind eingeboren­e New Yorker“, sagt ein Sprecher der New Yorker Parkverwal­tung. „Sie gehören zur Tierwelt der Stadt dazu.“Im vergangene­n Jahr rettete die Polizei sogar zwei BabyStinkt­iere aus einer U-Bahn-Station im Stadtteil Bronx.

Waschbären: Auf den ersten Blick sehen Waschbären niedlich aus – aber die Stadt New York warnt eindringli­ch vor ihnen: „Waschbären können Tollwut haben und Sie oder Ihr Haustier beißen. Waschbären können Ihr Haus und Ihr Eigentum beschädige­n.“Die Tiere haben sich in der Metropole extrem ausgebreit­et. 2015 erreichten die stadtweite Notrufnumm­er fast doppelt so viele Beschwerde­n und Hilferufe im Zusammenha­ng mit Waschbären wie im Jahr davor. Überall in der Stadt und sogar in Restaurant­s wurden die Tiere schon gesichtet. „Sie sind un- glaublich in ihrer Anpassungs­fähigkeit“, sagt Professor Samuel Zeveloff von der Weber State University im Bundesstaa­t Utah, der ein wissenscha­ftliches Buch über Waschbären geschriebe­n hat.

Adler (und andere Vögel): Dem Lärm von Autos, Lastwagen, Sirenen und 8,5 Millionen Menschen zum Trotz: Auch in New York hört man die Vögel zwitschern – aber anders. „Die Vögel hier werden häufiger gestört und wachen deswegen früher auf“, sagt der Zoologe John Rowden von der New Yorker Audubon Society, einer Vogel-Vereinigun­g. Wegen des vielen Lärms und der vielen anderen Vögel auf engem Raum singen die Männchen auch häufig lauter, um ihr Territoriu­m abzugrenze­n. „Sie wollen sich im Konkurrenz­kampf absetzen. Vögel in New York sind Überlebens­künstler.“

Aber trotz der harten Bedingunge­n ist die Vielfalt immens: Dutzende Arten hat Vogelliebh­aber und Schriftste­ller Jonathan Franzen alleine schon vom Fenster seiner Wohnung im Viertel Upper East Side erspäht. Dokumentie­rt sind neben den üblichen Tauben und Spatzen unter anderem Papageien – und sogar ein Weißkopfse­eadler, der Wappenvoge­l der USA, wurde gesichtet.

Der wohl bekanntest­e und beliebtest­e Vogel New Yorks aber ist „Pale Male“(auf Deutsch etwa: Blasses Männchen). Der Rotschwanz­bussard nistet seit Jahrzehnte­n an einem Luxushaus an der noblen Fifth Avenue und ist zur Touristena­ttraktion geworden.

 ??  ?? Eine Tafel weist in New York auf das Maskottche­n einer Schule, den Rotschwanz­bussard „ Pale Male" hin, von dem ein Exemplar in New York nistet.
Eine Tafel weist in New York auf das Maskottche­n einer Schule, den Rotschwanz­bussard „ Pale Male" hin, von dem ein Exemplar in New York nistet.
 ?? FOTOS: DPA ?? Verirrter Waschbär in der Stadt: Manche dieser Tiere wagen sich sogar ins Innere von Restaurant­s vor.
FOTOS: DPA Verirrter Waschbär in der Stadt: Manche dieser Tiere wagen sich sogar ins Innere von Restaurant­s vor.

Newspapers in German

Newspapers from Germany