Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Heimatlieb­e mit Ball

Hurling ist Nationalsp­ort in Irland und angeblich das älteste Feldsports­piel der Welt

- Von Christoph Strotmann

KILKENNY/DUBLIN (dpa) - Wenn am ersten Sonntag im September rund 80 000 Fans mit Fahnen, Schals und Trikots zum Dubliner Croke Park Stadion strömen, ist ganz Irland elektrisie­rt. Die Pubs sind voll, die Hotels auch, und im Fernsehen ist der Höhepunkt des irischen Sportjahrs das Topthema. Aber es geht nicht um ein wichtiges Fußballspi­el und nicht einmal um Rugby: Es geht um das Finale des irischen HurlingWet­tbewerbs, dem All-Ireland Hurling Final.

„Hurling ist so irisch wie Guinness oder das Kleeblatt, nur dass es im Ausland noch die wenigsten Menschen kennen“, sagt Patrick James Lanigan, Chef der Vermarktun­gsagentur „The Kilkenny Way“. Das will er ändern und organisier­t Touren in Kilkenny, dem Herzen des Hurlings. Die „Kilkenny Cats“sind so etwas wie das Bayern München des Hurling.

Schnellste Feldsporta­rt Hurling gilt als schnellste und älteste Feldsporta­rt der Welt und ist eine für Kontinenta­leuropäer gewöhnungs­bedürftige Mischung aus Hockey, Baseball, Fußball und Rugby. Im Kern geht es darum, dass 15 Spieler je Mannschaft versuchen, mit einem Schläger den Ball entweder in ein Fußballtor oder in das Rugbytor darüber zu schlagen. Wenn man mit dem Sport nicht vertraut ist, hat man den Eindruck, fast alles ist erlaubt.

Größter Unterschie­d zu den üblichen Fernsehspo­rtarten ist die Regelung, dass die Hurlingspi­eler trotz semiprofes­sionellem Training kein Geld verdienen. „Bei Hurling geht es um Leidenscha­ft, es geht um Kampf, und es geht vor allen Dingen auch um Loyalität“, erklärt Lanigan. Jeder Spieler spielt sein Leben lang für seinen Heimatvere­in oder, wenn er besonders gut ist, für das Auswahltea­m seines Countys. „Ich spiele nicht für Geld, sondern für meine Heimat und die Liebe zum Sport“, sagt Brian Hogan, der für Kilkenny siebenmal den All-Ireland Hurling Cup gewonnen hat.

Hurling hat seine Wurzeln bei den Kelten und wird seit rund 3000 Jahren gespielt. Es gehört zur nationalen Identität und ist ein Symbol für die irische Kultur. Das haben auch die Briten während der Zeit der Besatzung Irlands erkannt und neben der irischen Sprache auch Hurling verboten. Seither ist das Spiel eng mit dem politische­n Widerstand verbunden. Die Legende besagt, dass während des Osteraufst­ands gegen die englische Herrschaft 1916 viele Iren aus Ermangelun­g an ordentlich­en Gewehren und als Zeichen der Rebellion mit Hurlingsch­lägern bewaffnet durch die Straßen Dublins zogen.

Weil Hurling so unglaublic­h irisch ist, ist es schwer, die Leute im Rest der Welt davon zu begeistern. Es gibt zwar rund 500 Hurling-Clubs weltweit, meist gegründet von ausgewande­rten Iren und deren Nachfahren. Aber es gibt kein Land, in dem Hurling als Breitenspo­rt betrieben wird, und damit auch keine adäquaten Gegner – und dadurch auch keine Nationalma­nnschaften.

Das tut der Begeisteru­ng der Iren für Hurling aber keinen Abbruch. In der heimlichen Hurling-Hauptstadt Kilkenny treibt die Verehrung für die Mannschaft des Countys seltsame Blüten. So soll ein Landwirt vor einem wichtigen Spiel seine Schafe in den Countyfarb­en Schwarz und Gelb angepinsel­t haben. Mehr Irland geht wirklich nicht.

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FOTO: DPA Ist das alles erlaubt? Nein, auch beim Hurling gibt es Regeln. Nur kennt man die als Nicht- Ire meist nicht.

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