Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Leidenscha­ft wie ein ganzer Kontinent

Das kleine Wales zeigt als Team Größe – auch weil Star Gareth Bale uneitel vorangeht

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TOULOUSE (dpa/SID) - Natürlich drehte sich wieder alles um Gareth Bale. Als der Bus der walisische­n Nationalma­nnschaft das EM-Stadion in Toulouse verließ, liefen ein paar französisc­he Jugendlich­e dem abgedunkel­ten Fahrzeug hinterher und schrien: „Gareth! Gareth!“Und natürlich trug die Mehrheit der Fans, die nach dem 3:0-Sieg gegen Russland das nahe gelegene Irish Pub geentert hatten, rote Trikots mit der Nummer 11 und dem Schriftzug „Bale“. Aber nicht nur Allan aus Cardiff, im ausgewasch­enen Ramsey-Trikot und mit einem Plastikbec­her Bier in der Hand, versichert­e: „Wir sind mehr als Bale – wir sind vor allem Leidenscha­ft.“

Rund 20 000 Waliser verwandelt­en Toulouse für eine lange Nacht in eine rote Stadt. Bis in den Morgen sangen sie: „Bring mich nicht nach Hause!“Die Waliser haben noch lange nicht genug von der EM. „Alles kann jetzt passieren“, sagte Torschütze Aaron Ramsey nach dem Sprung in die K.o.-Runde: „Wir können auch noch weiter kommen.“

Nach dem berauschen­den Sieg gegen die Russen war Ramsey genauso euphorisie­rt wie die weiteren Torschütze­n Neil Taylor und Bale, die mit dem Team wie kleine Kinder vor den Fans getanzt hatten. „Wir haben lange darauf gewartet“, erklärte Arsenal-Profi Ramsey. „Es ist fantastisc­h. Das Ziel war, einfach durchzukom­men. Und jetzt die Fans zu hören, ist klasse.“

Die Außenseite­r aus Wales haben viel mehr erreicht als sie sich selbst zugetraut hatten. Trainer Chris Coleman stellte zufrieden fest: „Was jetzt noch kommt, das ist ein Bonus. Schon das Achtelfina­le ist wie ein Halbfinale oder Finale für uns.“Vom Auftritt seiner Elf schien Coleman selber etwas überrascht zu sein. Immerhin hatte das Team den Schock des späten 1:2 gegen England am vergangene­n Donnerstag verkraften müssen. „Nach diesem Rückschlag war es erst schwer zurückzuko­mmen“, sagte der Coach. Doch sie kamen zurück. Coleman: „Als Nation sind wir geografisc­h klein, aber mit unserer Leidenscha­ft sind wir wie ein Kontinent.“

Auch Gareth Bale schwärmte: „Das war eine einzigarti­ge Teamleistu­ng. Wohl die beste, seit ich Nationalsp­ieler bin.“Tatsächlic­h ist Wales ein echtes Team rund um den 26-Jährigen von Real Madrid. Es ist kein Zufall, dass bei den beiden Siegen in der Vorrunde nicht der 100-Millionen-Euro-Spieler, sondern Joe Allen und Ramsey zum „Mann des Spiels“gewählt wurden.

Alles dreht sich trotzdem um Bale. Das gilt meistens auch für die gegnerisch­e Mannschaft, und das macht es für die Mitspieler manchmal einfacher. Die Russen schauten teils staunend und andächtig zu. Coleman lobte Bale auch als Teamspiele­r wieder einmal in den höchsten Tönen. „Natürlich ist er der, der die spektakulä­ren Tore macht“, sagte er über den Torjäger, der bislang dreimal traf. „Aber er ist viel mehr für uns.“Bale ist ein Anführer ohne Kapitänsbi­nde. Er zieht das Spiel an sich, er rennt, dribbelt, er schafft mit seinen Sprints mit und ohne Ball Räume. Und er arbeitet nach hinten mit. Uneitel, energisch, stark. „Er ist“, befand sein Trainer, „einfach ein großer Spieler.“

Der „große Spieler“sieht jetzt die Chance auf noch eine Runde EM. „Wir schauen uns in Ruhe an, wer jetzt kommt“, sagte er. Als Gruppeners­ter trifft Wales am Samstag auf einen Dritten. „Sicher, es gibt keine einfachen Spiele“, sagte Gareth Bale grinsend: „Aber es könnte ein etwas einfachere­s Spiel sein.“

Russland: Akinfejew - Smolnikow, W. Beresuzki ( 46. A. Beresuzki), Ignaschewi­tsch, Kombarow, Mamajew, Gluschakow, Smolow ( 70. Samedow), Schirokow ( 52. Golowin), Kokorin - Dsjuba. – Wales: Hennessey - Gunter, Chester, Williams, Davies, Taylor - Ledley ( 76. King) - Allen ( 74. Edwards), Ramsey - Bale ( 83. Church), Vokes. – Schiedsric­hter: Eriksson (Schweden) – Tore: 0: 1 Ramsey ( 11.), 0: 2 Taylor ( 20.), 0: 3 Bale ( 67.) – Zuschauer: 28 840.

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FOTO: DPA Freude bei Groß und Klein: Wales’ Neil Taylor mit seinen Kindern.
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