Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Nur mit den Toren hapert es
Beim 1:0 gegen Nordirland präsentiert sich die deutsche Mannschaft stark verbessert
PARIS (sz) - Nach dem Erreichen des ersten EM-Zwischenziels gingen Matchwinner Mario Gomez und Co. zum Dank in die deutsche Fankurve und freuten sich bereits auf die packende K.o.-Runde. Trotz fahrlässiger Chancenverwertung hat FußballWeltmeister Deutschland als Gruppensieger das Achtelfinale erreicht. Durch das erste Pflichtspieltor von Gomez seit 2012 kam die Mannschaft von Joachim Löw zu einem viel zu niedrigen 1:0 (1:0) gegen Nordirland in Paris. Im Achtelfinale trifft sie nun am Sonntag (18 Uhr) in Lille auf die Slowakei oder Albanien, im Viertelfinale heißt der Gegner wohl Spanien oder Italien, die sich im Achtelfinale duellieren dürften.
Immerhin zeigte die DFB-Auswahl eine deutlich spielerische Leistungssteigerung im Vergleich zu den holprigen Auftritten gegen die Ukraine (2:0) und Polen (0:0). Allerdings vergab die Offensive auch elf Großchancen. „Wenn die K.o.-Spiele kommen, muss man die wenigen Chance eiskalt verwerten und nicht damit spaßen“, forderte Löw mehr Konzentration vor dem Tor. „Wir haben zu viele Chancen vergeben. Wir hätten schon zur Halbzeit 3:0 oder 4:0 führen müssen.“
Gomez schoss in der 29. Minute vor 44 125 Zuschauern im Prinzenpark den 25. Sieg einer deutschen Mannschaft in der EM-Geschichte heraus. Zugleich blieb der dreimalige Europameister in der gesamten Vorrunde ohne Gegentor, was letztmals beim Titelgewinn 1996 gelang.
„Wir sind Gruppenerster, das ist, was zählt bei einer EM. Jetzt hoffen wir, dass wir auch noch die Tore schießen. Vielleicht haben wir uns die Tore für die K.o.-Phase aufgehoben“, sagte Gomez, und Müller betonte: „Wir haben das umgesetzt, was wir trainiert haben. Nur die Tore haben gefehlt. Allein ich hätte in der ersten Halbzeit mit Gareth Bale gleichziehen können. Da war auch Unvermögen dabei, zumindest in zwei von vier Situationen. Wir waren aber gierig und haben uns reingebissen.“
Weniger das Ergebnis als vielmehr die Spielweise dürfte Löw zufrieden stimmen. Mehr Bewegung, mehr Durchschlagskraft und deutlich mehr Abschlüsse brachte die zuletzt kritisierte deutsche Mannschaft zustande. Einzig die Chancenverwertung blieb das große Manko, allein im ersten Durchgang vergaben Müller und Kollegen noch acht weitere Hochkaräter und hätten das Fernduell mit Polen schon nach 45 Minuten für sich entscheiden können.
Torschütze Gomez und EM-Debütant Joshua Kimmich, die Löw neu ins Team gebracht hatte, gehörten zu den großen Gewinnern. Mit Gomez erhielt das deutsche Angriffsspiel deutlich mehr Torgefahr, verdienter Lohn war sein Tor. Letztmals hatte er beim 2:1 gegen die Niederlande während der EM 2012 in einem Pflichtspiel getroffen. Kimmich, der den defensiveren Benedikt Höwedes als rechten Außenverteidiger ersetzte, leitete einige Angriffe ein, flankte gefährlich und spielte insgesamt stark.
Klar besser als zuletzt war auch Mesut Özil, der im dritten Spiel endlich in die Rolle des Spielmachers rückte und gegen die „ultra-defensiven“und total überforderten Nordiren einen großen Aktionsradius besaß. Pechvogel im deutschen Team war dagegen Müller, der in der ersten Halbzeit Pfosten (27.) und Latte (34.) traf und zwei weitere Großchancen ungenutzt ließ (8. und 23.). Damit wartet Müller, der bei zwei Weltmeisterschaften zehn Treffer erzielte, weiter auf sein erstes Tor bei einer EM.
Löw war auf der Bank sichtlich zufrieden mit dem Spiel seiner Mannschaft. Extrem offensiv war das DFBTeam ausgerichtet. Die Außenverteidiger Kimmich und Jonas Hector agierten fast schon als Flügelspieler. Einzig Mario Götze fiel in einer starken deutschen Mannschaft ab. Das Sorgenkind vom FC Bayern wirkte pomadig, leistete sich viele Ballverluste und vergab auch drei gute Torchancen (12., 52. und 53.).
Der WM-Held von Rio hatte schon in den ersten beiden Spielen als sogenannte falsche Neun nicht überzeugt, diesmal kam er auf dem linken Flügel zum Einsatz. Folgerichtig musste der Ausnahmetechniker nach 55 Minuten vom Platz, für ihn kam der Wolfsburger André Schürrle ins Spiel.
Die deutsche Abwehr war kaum gefordert. Ein harmloser Torschuss von Jamie Ward (26.), mehr hatte der EM-Neuling nicht zu bieten. An der Unterstützung des eigenen Anhangs lag es jedenfalls nicht. Lautstark feuerten die Fans die Green & White Army an, auch Edelfan und Golfstar Rory McIlroy war eingeflogen. Mit drei Punkten müssen die Nordiren als Gruppendritter noch um das Weiterkommen zittern.
Die verschwenderische Chancenverwertung setzten die Deutschen im zweiten Durchgang fort. Nach den beiden Götze-Möglichkeiten kurz nach der Pause war es Sami Khedira, der den nordirischen Schlussmann Michael McGovern prüfte, den Abpraller vergab Gomez per Kopf.
Spielpraxis sammeln durfte auch Kapitän Bastian Schweinsteiger, der in der 69. Minute kam und weiter von Löw ans Turnier herangeführt wird. Mit seinem 15. EM-Einsatz stieg der Mittelfeldmann von Manchester United zum deutschen Rekordspieler auf. Phillip Lahm hat 14 Spiele absolviert.
Nordirland – Deutschland 0:1 ( 0: 1) Nordirland: McGovern - Hughes, McAuley, Cathcart, J. Evans - Davis, C. Evans ab 84. McGinn, Norwood - Ward ab 70. Magennis, Dallas - Washington ab 59. Lafferty. – Deutschland: Neuer/Bayern (30/68) - Kimmich/Bayern (21/2), Boateng/Bayern (27/62) ab 76. Höwedes/Schalke (28/37), Hummels/Dortmund (27/ 48), Hector/ Köln ( 26/ 17) - Khedira/ Turin ( 29/ 63) ab 69. Schweinsteiger/ Man. United ( 31/ 117), Kroos/ R. Madrid ( 26/ 68) - Özil/ Arsenal ( 27/ 76), Müller/ Bayern ( 26/ 74), Götze/ Bayern ( 24/ 55) ab 55. Schürrle/ Wolfsburg ( 25/ 55) - Gomez/ B. Istanbul ( 30/ 66). – Schiedsrichter: Turpin ( Frankreich). – Tor: 0:1 Gomez (30.). – Zuschauer: 44 125.