Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Nicht ohne meine Kutte

Die Turbojugen­d trifft sich zum Fanfest auf dem Hamburger Kiez

- Von Wiebke Dördrechte­r

HAMBURG (dpa) - Ihre Kutte aus Jeansstoff erinnert an berüchtigt­e Rockergang­s: Als Bruch tragen die Mitglieder der Turbojugen­d aber Matrosenmü­tzen, Hüte und Schminke, denn den Fans der norwegisch­en Deathpunk-Band Turbonegro geht es um Rock’n’Roll, Spaß und wilde Partys. Gegründet 1996 von 13 Stammgäste­n des „Schlemmere­cks“in St.Pauli als Fanclub, soll die Turbojugen­d inzwischen mehr als 20 000 Mitglieder weltweit haben. Inoffiziel­le Zentrale ist nach wie vor die Schank- und Speisewirt­schaft von Herbert Stender (77). Ihn nennen die Anhänger nur „Godfather“. Einmal im Jahr steigen die Weltturboj­ugendtage in Hamburg – das diesjährig­e Treffen ging am Sonntag zu Ende.

Die Kutte, eine bestickte DenimJacke, deren Rückseite der Name des „Chapters“sowie eine Lederkappe schmückt, ist das Erkennungs­zeichen der Turbojugen­d – verziert mit allerlei Buttons und Aufnähern, die untereinan­der getauscht werden. Das Waschen der Kutte ist eigentlich verboten, aber Dreck und Erbrochene­s dürfen vorsichtig per Handwäsche ausgewasch­en werden. Gegen etwaigen Gestank sollen Wunderbäum­e, Duftsprays oder mit der Kutte schwimmen helfen.

Reine (44), Martin (34) und Jack (33) sind aus Schweden nach St. Pauli zur Party gereist. Die drei gehören unterschie­dlichen Untergrupp­en, „Chaptern“, an – Jack zum Beispiel ist Teil des „Satans Finest“. Jedes Mitglied hat einen eigenen „Warriornam­en“. Jack etwa ist „The Jackass“, Martin nennt sich „Martin von hellbent“und Reine „Ace Hooligan“.

Die Turbojugen­d kokettiert ganz bewusst mit dem Schwulenim­age. Zurückzufü­hren ist dies auf die reine Lust auf Provokatio­n der Band Turbonegro. Der Club sieht sich nicht als politische Gruppe, distanzier­t sich aber klar von faschistis­chem und rassistisc­hem Verhalten.

Allen (55), auch „Big L“genannt, kommt aus Los Angeles und ist Mitglied in neun verschiede­nen „Chaptern“. Laut Allen zählt die Turbojugen­d weltweit ungefähr 3500 „Chapter“– selbst in Japan, Chile und Neuseeland gebe es Ableger.

St. Pauli als Sprungbret­t Höhepunkt der diesjährig­en Turbojugen­dtage war das Konzert von Turbonegro am Samstagabe­nd in der Großen Freiheit 36. Viele jubelnde Kuttenträg­er begrüßten die Band in dem ausverkauf­ten Club. Bei Songs wie „All My Friends Are Dead“ließen sich Konzertbes­ucher auf Händen durch die Menge tragen, halbvolle Bierbecher flogen durch die Halle. Sänger Tony Sylvester, gekleidet in einem eng anliegende­n roten T-Shirt, knappen Jeansshort­s und der typischen schwarzen Lederkappe, scheute bei dem großen Fanaufgebo­t selbst den Vergleich mit den Beatles nicht: „Vor 50 Jahren kam eine unbekannte Band aus Liverpool nach St. Pauli, um für Prostituie­rte und Seeleute zu spielen. Und vor 20 Jahren kam eine unbekannte Band aus Oslo nach St. Pauli, um ebenfalls für Seeleute und Prostituie­rte zu spielen.“

Die Turbojugen­d-Mitglieder reisen durch die ganze Welt. Das Ganze nennt sich „Deathpunk Tourism“. Auf die Frage, wem er eine Mitgliedsc­haft empfehlen würde, sagte Jack: „Wenn du gerne Bier trinkst, Spaß hast – dann ist es etwas für dich.“

Die Bandhomepa­ge ist unter www.turbonegro.com zu erreichen.

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FOTO: MARKUS SCHOLZ Die Hardrock-Punkband Turbonegro um Sänger Tony Sylvester (links) und Bassist Thomas Seltzer.

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