Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Lehenshof, Sommerresidenz, Militärstandort
Hofgut Nessenreben hat eine bewegte Geschichte – Name Klosterfestspiele gerechtfertigt
WEINGARTEN - Sie hat für jede Menge Diskussionen in Weingarten gesorgt. Die Verlagerung der Klosterfestspiele vom Martinsberg nach Nessenreben, vom Klosterhof ins Hofgut. Eigentlich sollte man meinen, dass damit auch der Anspruch auf den Namen Klosterfestspiele erlischt, schließlich wird nicht mehr in der Klosteranlage auf dem Martinsberg gespielt. Doch dieser Eindruck täuscht. Denn ein Blick in die Geschichte Nessenrebens zeigt: Das Hofgut hatte jahrzehntelang einen festen Platz in der klösterlichen Kultur.
Bereits aus dem Jahr 1153 liegen Aufzeichnungen vor, in denen Nessenreben erwähnt wird. Schon damals soll es sich um einen Lehenshof des Reichsklosters Weingarten gehandelt haben. Viel mehr weiß man allerdings nicht. Das änderte sich erst im 16. Jahrhundert. Für das Jahr 1545 sind 53 Jauchert Acker – etwa 17,5 Hektar und damit knapp 25 Fußballfelder – und drei Mannsmahd Wiesenland – etwa ein Fußballfeld – ausgewiesen. Die Art der Nutzung änderte sich etwas stärker im darauffolgenden Jahrhundert, wahrscheinlich unter Abt Gerwig Blarer (1520 bis 1567). Die Pferdezucht soll so gut gewesen sein, dass Tiere Reichsfürsten geschenkt wurden.
Etwas undeutlicher ist die Quellenlage bezüglich des Erbauers des Wohnhauses, das auch als Schlösschen bekannt ist. In der WeingartenChronik wird an einer Stelle Abt Johannes Hablizel (1567 bis 1575) genannt, mit dem Verweis auf sein Wappen, das über dem ehemaligen Portal als Steinrelief eingefasst ist. An anderer Stelle wird seinem Nachfolger Abt Johannes IV. Raitner (1575 bis 1590) der Bau des Schlösschens nachgesagt. Wohl erst deutlich später kamen die beiden großen Stallungen hinzu. Jedenfalls sind sie auf einem geometrischen Abriss von 1659 noch nicht eingezeichnet.
Doch entwickelte sich Nessenreben in den folgenden Jahren zu einer wahren Erholungsstätte. Die Mönche bauten das Hofgut Stück für Stück zu einer Sommerresidenz der Äbte aus. Auch den Mönchen sollte es der „Rekreation“, also Erholung dienen. Und das fiel in den Parkanlagen mit den geometrisch angeordneten sieben Teichen, die vom Stillen Bach gespeist wurden, wohl auch nicht schwer. Dabei soll das Wasser durch einen 90 Meter langen und bis zu zehn Meter tiefen kleinen Kanal geführt worden sein, der an der Sohle etwa zweieinhalb Meter lang war.
Doch stand der Begriff Erholung damals für noch viel mehr. So soll es am Waldrand ein Spital gegeben haben. Dort wurde mithilfe von Blutegeln besonders der Aderlass praktiziert. Doch wurde dieses Gebäude höchstwahrscheinlich Anfang des 19. Jahrhunderts abgerissen. Auch eine Kapelle aus dem Jahr 1515, die noch 1836 erwähnt wurde, gibt es heute nicht mehr.
Eindrucksvoller Reisebericht Wie idyllisch es aber über Jahrzehnte hinweg in Nessenreben gewesen sein muss, lässt sich anhand eines Reiseberichtes des Salzburger Paters Constantin Stampfer erahnen. Er schreibt über den 23. September 1784: „[...] ein Schloss hat die schönste Lage, die man sich einbilden kann. Das Gebäude ist sehr schön eingerichtet. Es ist mit einer Kapelle versehen. Um das Schloss liegt ein Garten, teils mit Springbrunnen belebt, teils mit Alleen und Obstbäumen geziert.“
Doch dieser Idylle wurde durch die Säkularisation von 1804 ein Ende bereitet. Nessenreben wurde zur Staatsdomäne und fortan als Pacht von Bauern bewirtschaftet. Der Weingarten-Chronik zufolge soll dort um 1830 guter Käse hergestellt worden sein. Als dann das Kloster 1868 in einen Garnisonsstandort verwandelt wurde, entfernte man sich vom ursprünglichen Zweck der Erholung. In der Nähe der Gebäude wurden Schießstände errichtet. Diese wurden nach Ende des Ersten Weltkrieges von der Polizei genutzt. Unter den Nationalsozialisten und im Zuge der Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht wurde die Garnison 1935 weiter ausgebaut. Das gesamte Gelände wurde nun zum Exerzierplatz. Nach einem kurzen Nachkriegs-Intermezzo, in dem die Anlage wieder landwirtschaftlich genutzt wurde, übernahm bald wieder das Militär das Gelände.
Klosterfestspiele Weingarten
Aus Schießanlage wird Bike-Trail Doch erst im Jahr 2006 gab die Bundeswehr Nessenreben endgültig auf. Daraufhin erwarb die Stadt Weingarten die mittlerweile unter Denkmalschutz stehende Anlage vom Land Baden-Württemberg. Die Schießanlage wurde zu einem Bike-Trail umgebaut. Fortan soll das Hofgut dauerhaft als Spielort der Klosterfestspiele genutzt werden.