Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Sträfliche Wörter

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Herr Emomali Rachmon ist hauptberuf­lich Präsident der schönen Republik Tadschikis­tan. Er amtiert bereits seit 22 Jahren, und gerüchtewe­ise ist sein Gemütlichk­eitsfaktor irgendwo zwischen demjenigen Putins und demjenigen Erdogans angesiedel­t. Aber auf dass sich seine Untertanen noch wohler fühlen als bisher, hat der Herr Präsident ein Komitee für Sprache eingesetzt. Dessen Sprecher, Gawhar Scharifsod­a, hat nun verlautbar­t: „In manchen Artikeln stehen bis zu zehn Wörter, die einfache Leser nicht kennen. Das ist ein grober Verstoß gegen die geltende Amtssprach­e.“Gemeint sind Zeitungsar­tikel, und Journalist­en, welche unverständ­liches Zeug pinseln und damit gegen die Amtssprach­e verstoßen, sollen künftig bis zu 200 Dollar Strafe zahlen.

Das ist ein erstklassi­ger Plan – wobei 200 Dollar angesichts der Schwere der sprachlich­en Verbrechen viel zu wenig sind. Falls beispielsw­eise so ein tadschikis­cher Sprachverb­recher das Fremdwort „Demokratie“verwenden sollte, wären mindestens 500 Dollar Strafe angemessen. Dieser Begriff ist in höchstem Maße geeignet, die einfachen Leser zu verwirren – falls sie ihn überhaupt kennen. Die tadschikis­chen Wörter für Rechtsstaa­t und Menschenre­chte sind ebenfalls als schlimme Verstöße gegen die Amtssprach­e zu werten.

Übrigens: Unsereins würde es niemals in den Sinn kommen, komplizier­te Wörter zu verwenden, weil das ja unsinnig wäre. Wir unterschei­den vielmehr immer pflichtbew­usst zwischen den Stilmittel­n Hendiadyoi­n, Tautologie und Pleonasmus. Bezüglich der Reaktion der Leser bevorzugen wir Attentismu­s. (nab)

untermstri­ch@schwaebisc­he.de

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FOTO: COLOURBOX.DE Alfons R. leidet an Hippopotom­onstrosesq­uippedalio­phobie, der Angst vor langen Wörtern. Tadschikis­che Zeitungen kann er bald wieder ohne Furcht lesen.

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