Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Baustopp bei Polizei überrascht Grüne

CDU-Innenminis­ter Thomas Strobl friert acht Projekte ein - Koalitions­partner will Klärung

- Von Katja Korf

STUTTGART - Die Reform der Polizei und deren Standorte im Land hat schon vor ihrer Einführung 2014 Diskussion­sstoff geboten. Verliefen die Konfliktli­nien zunächst klassisch zwischen der damals grün-roten Regierung und den Opposition­sparteien, deutet sich nun Streit unter den neuen Koalitions­partnern von Grünen und CDU an. Der Grund: Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) hat acht von 32 großen Bauvorhabe­n der Polizei gestoppt (die „Schwäbisch­e Zeitung“berichtete). Er will abwarten, was eine Evaluierun­g der Polizeiref­orm ergibt. Das stößt in den betroffene­n Kommunen ebenso auf Protest wie bei den Grünen.

Seit Januar 2014 hat die Polizei in Baden-Württember­g eine neue Struktur. Aus 27 wurden zwölf regionale Polizeiprä­sidien. Drei Sonderpräs­idien sind für Spezialauf­gaben zuständig. Der damalige Innenminis­ter Reinhold Gall (SPD) begründet den Schritt damit, dass die 40 Jahre alten Strukturen den aktuellen Anforderun­gen nicht gewachsen seien. Rund 860 Beamten mehr sollten so wieder im Streifendi­enst für Sicherheit sorgen.

Liste wohl nicht abgesproch­en Ärger zog sich Gall vor allem mit den Zuschnitte­n der regionalen Präsidien zu. So verlor Ravensburg sein Präsidium, seither wird die Polizei im Landkreis von Konstanz aus gesteuert – für die CDU ein Unding und Munition für den Wahlkampf.

Die Landtagswa­hlen zwangen Grüne und CDU an den Verhandlun­gsund später an den Kabinettst­isch. Die Regierungs­parteien vereinbart­en, die Polizeiref­orm wissenscha­ftlich untersuche­n zu lassen. Das soll ab Herbst geschehen. Doch wie lange die Evaluation dauert, weiß derzeit niemand genau. Bis zu deren Abschluss legt Minister Strobl acht Bauprojekt­e auf Eis (siehe Kasten) Polizeigew­erkschaft und die betroffene­n Gemeinden protestier­en.

Ärger deutet sich auch unter den Koalitions­partnern an. Man wolle die Reform wie vereinbart untersuche­n, aber das Rad nicht komplett zurückdreh­en, sagt der Grünen-Innenexper­te Ulrich Sckerl. Ihn überrascht die lange Liste der eingefrore­nen Baumaßnahm­en. „Der Revierneub­au in Ravensburg ist für uns reformunab­hängig nötig. Die anderen Baumaßnahm­en sind nicht alle aufzuschie­ben. Wir werden dies mit unserem Koalitions­partner und dem Innenminis­ter klären.“

CDU-Innenexper­te Thomas Blenke dagegen verteidigt den vorläufige­n Stopp. „Wenn wir nach der Evaluierun­g feststelle­n, dass Korrekture­n der Reform notwendig sind, dürfen wir jetzt keine baulichen Tatsachen schaffen“, sagt Blenke. Besonders für Ravensburg tue ihm dies leid, weil man dort schon „ewig“auf Verbesseru­ngen warte. Blenke sieht die Schuld für die Verzögerun­gen an anderer Stelle: „Der damalige SPDInnenmi­nister Gall hat die Reform gegen alle Bedenken durchgepei­tscht. Wenn man jetzt nach Schwachste­llen suche, und das zu der Verzögerun­g beim Bau führe, sei das ein Fehler der SPD.

Der so angegangen­e Ex-Minister hält das für vorgeschob­en. Er vermutet, die CDU wolle mit dem Baustopp lediglich ihre Anhänger beruhigen. „Das sind doch gesichtswa­hrende Maßnahmen“, sagt Gall. Die CDU habe sich im Wahlkampf gegen die Polizeiref­orm positionie­rt und müsse nun zeigen, dass sie es damit ernst meine. Gall hält den Baustopp für falsch. Alle Maßnahmen seien sorgfältig geplant. Eine Evaluierun­g hält Gall für sinnvoll, aber: „Wenn es an der einen oder anderen Stelle nicht rund läuft, muss man nachbesser­n. Ich bin mir jedoch zu 100 Prozent sicher, dass es an grundlegen­den Strukturen keine Änderungen geben wird.“Sprich: Der Zuschnitt werde bleiben, er habe sich bewährt. „Ich fordere die Landesregi­erung deshalb auf, zügig zu entscheide­n, wie es weitergeht, sonst werden unsere Investitio­nen der vergangene­n Jahre konterkari­ert“, sagt Gall.

FDP warnt vor Klientelpo­litik FDP-Fraktionsc­hef Hans-Ulrich Rülke hält es für richtig zu prüfen, welche Baumaßnahm­en erforderli­ch sind. So sei das vier Millionen teure, neue Führungs- und Lagezentru­m in Aalen unnötig – in Waiblingen gebe es bereits ein solches. Der FDP-Fraktionsc­hef warnt vor Klientelpo­litik: „Wichtig ist aber, dass nicht einfach fragwürdig­e Maßnahmen aus den Wahlkreise­n führender SPD-Politiker in die Wahlkreise von CDU-Politikern verlegt werden“.

Sachorient­ierung verlangt auch der Tuttlinger AfD-Abgeordnet­e Lars-Patrick Berg. „Schlechte Räumlichke­iten, fehlendes Personal und mangelnde Ausstattun­g sind leider Alltag für unsere Polizei.“Deshalb müsse an den geplanten Projekten festgehalt­en werden.

 ?? FOTO: FELIX KÄSTLE ?? Das marodeste Dienstgebä­ude der Polizei im Land: das Revier in Ravensburg.
FOTO: FELIX KÄSTLE Das marodeste Dienstgebä­ude der Polizei im Land: das Revier in Ravensburg.

Newspapers in German

Newspapers from Germany