Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„Hier ist ein nicht unerheblicher Schaden entstanden“
Thomas Kutschaty (Foto: dpa), Justizminister von Nordrhein-Westfalen und Vorsitzender der SPD in Essen, verteidigt sich im Gespräch mit Rasmus Buchsteiner. Er habe die notwendige Konsequenz im Fall Petra Hinz gezeigt, sagt Kutschaty. Das Parteiordnungsverfahren liegt nun in den Händen der Schiedskommission.
Die Essener SPD hat der Bundestagsabgeordneten Petra Hinz ein Ultimatum für den angekündigten Mandatsverzicht gestellt. Haben Sie Anhaltspunkte für ein Einlenken? Ich habe bereits seit knapp zwei Wochen keinen direkten Kontakt mehr zu Petra Hinz. Am Montagabend habe ich ihr nach unserer Vorstandssitzung in Essen noch eine E-Mail mit unserem Beschluss geschickt und sie noch einmal eindringlich aufgefordert, ihr Bundestagsmandat und alle Parteiämter innerhalb von 48 Stunden niederzulegen. Eine Antwort habe ich bisher nicht erhalten. Ich weiß nicht, wo sich Frau Hinz zurzeit aufhält. Aus der Presse weiß ich, dass sie sich krankgemeldet hat.
Wie groß ist der Vertrauensschaden, der durch die Affäre entstanden ist? Hier ist ein nicht unerheblicher Schaden entstanden. Wir als Sozialdemokraten sind eigentlich immer stolz, dass wir von unseren Mandatsträgern kein Abitur und kein Hochschulstudium erwarten. Für uns sind Glaubwürdigkeit und Integrität entscheidend. Das ist das A und O für politische Arbeit. Wer seinen Lebenslauf fälscht, betrügt nicht nur die Wählerinnen und Wähler, sondern nährt auch Vorurteile gegenüber allen Berufspolitikern.
Haben Sie Fehler im Umgang mit dem Fall Hinz gemacht? Als ich am 19. Juli erfahren hatte, dass Petra Hinz ihren Lebenslauf gefälscht hat, habe ich sie sofort angerufen und zum unverzüglichen Mandatsverzicht aufgefordert – später dann auch öffentlich. Ich denke, ich habe die notwendige Konsequenz in dieser Angelegenheit an den Tag gelegt. Wir haben im Vorstand der Essener SPD einstimmig beschlossen, dass Petra Hinz ihr Mandat als Bundestagsabgeordnete und sämtlich Parteiämter niederlegen muss.
Hätten die Tricksereien nicht früher erkannt werden müssen? Es ist natürlich eine interessante Frage, wie man über 30 Jahre mit einer solchen Lebenslauf-Lüge leben kann. Man lebt dabei ja dauerhaft in der Gefahr aufzufliegen. Petra Hinz hat es offenbar geschafft, ihr Problem in den entscheidenden Momenten zu überspielen. Mir widerstrebt es, mir von Kandidaten Zeugnisse vorlegen zu lassen. Die Basis für die Arbeit in der SPD ist immer noch Vertrauen. Aber ich werde mir in Zukunft genau Gedanken über die Lebensläufe von Kandidaten machen.
Die Hürden für einen Parteiausschluss sind hoch. Warum ist dieser Schritt im Fall Hinz dringend geboten? Diesen Weg muss man gehen, wenn parteischädigendes Verhalten vorliegt. Ich glaube, dass Frau Hinz der Partei großen Schaden zugefügt hat: Einmal durch ihre Lüge, jetzt durch das Kleben am Mandat. Das schadet dem Ansehen der SPD. Deshalb ist es nötig, dass die unabhängige Schiedskommission im Unterbezirk Essen den Sachverhalt überprüft und geeignete Sanktionen vorschlägt.