Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Grüne wollen wie Kretschmann siegen
Aber nicht alle in der Bundespartei befürworten seinen Kurs – Steuerpläne wanken noch
BERLIN - Elfmal hat sich in den vergangenen zwei Jahren die Koordinierungsgruppe Finanz- und Steuerpolitik der Grünen getroffen. Doch in einigen Punkten hat man sich noch nicht geeinigt. Hier gehen rechte und linke Ansichten auseinander. Die Grünen wollen zwar siegen wie Baden-Württembergs konservativer grüner Regierungschef Winfried Kretschmann im Frühjahr dieses Jahres, aber nicht unbedingt alles so machen wie dieser. Umstritten ist in der Partei nach wie vor die Steuerpolitik als Stellschraube, in welche Richtung die Partei gehen soll.
Kretschmann-Kurs, das hieße Ja zu den großzügigen Regelungen bei der Erbschaftsteuer, die in Kürze den Vermittlungsausschuss erreichen, und es hieße, keine neue Vermögensteuer zu planen.
In der grünen Parteizentrale in Berlin bereitet man sich auf den Wahlkampf vor. Will man nach dem 30,3 Prozent Ergebnis aus Stuttgart von dort lernen? Manches spricht dafür. So wird in diesem Jahr erstmals nicht mehr die Werbeagentur „Zum goldenen Hirschen“zuständig sein, sondern eine Agentur, die nur für diesen Wahlkampf gebildet wird. ZBA – ziemlich beste Antworten. Im Team sind federführend zwei, die schon Kretschmanns Wahlkampagne mit geführt haben: Matthias Riegel und Maike Gosch.
Was aber kann man genau von Baden-Württemberg lernen? „Wir können vom Stil der politischen Kommunikation lernen: zuhören, auf die Menschen zugehen und dabei den Zeigefinger unten lassen“, sagt Robert Heinrich, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit und Wahlkampfmanager der Grünen. „Die potenzielle Grünen-Wählerschaft wird immer größer, aber auch vielfältiger und bunter. Wir erreichen sie, wenn wir verständlich, authentisch und durchaus auch emotional kommunizieren.“
Allerdings sagt Heinrich auch: „Jeder Wahlkampf ist anders.“So hat Baden-Württemberg ein ausgesprochen bürgerliches Publikum, die Grünen haben einen entsprechend konservativen Wahlkampf geführt. Der grüne Europapolitiker und ExParteichef Reinhard Bütikofer hatte die Frage nach dem KretschmannKurs deshalb auf die Formel gebracht: „Kapieren, nicht kopieren.“
Im Bundesrat agiert Kretschmann vielen Grünen und erst recht der SPD und den Linken zu nah am schwarzen Lager. Von den sicheren Herkunftsstaaten bis zur Erbschaftsteuer kann er viele Vorhaben mittragen. Doch Kretschmanns Kurs folgen längst nicht alle Grünen. Am Beispiel Vermögensteuer wird dies deutlich. Kretschmann hatte im Juli öffentlich gesagt: „Ich bin ein Gegner der Vermögensteuer.“Dagegen betont Parteichefin Simone Peter: „Wir sind uns einig, dass wir der extremen und wachsenden Vermögensungleichheit mit einer Vermögensbesteuerung entgegenwirken wollen.“
Der Realo-Flügel der Grünen warnt dagegen vor der Vermögensteuer. So meinte etwa der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer, er kenne kein Konzept, das relevant Geld einbringe, ohne die mittelständische Wirtschaft zu stark zu belasten. Wieder andere in der Partei halten die Erbschaftsteuer für das bessere Instrument, Vermögen abzuschöpfen.
Nun soll der Parteitag entscheiden „Hinreichend unkonkret“, so lästern einige Grüne, sei deshalb ihr neues Steuerkonzept. Nachdem das eher magere Ergebnis der Grünen bei der Bundestagswahl 2013 auf die recht umfangreich geplanten Steuererhöhungen zurückgeführt wurde, legen sich die Grünen für 2017 noch nicht so ganz fest. Eine Kommission, die zwei Jahre gearbeitet hat, konnte sich beim Thema Vermögen- und Erbschaftsteuer nicht einigen, im November soll nun der grüne Parteitag in Münster entscheiden.
Einig ist man sich, Steuerflucht besser zu bekämpfen und eine Finanztransaktionssteuer einzuführen. Außerdem möchten die Grünen die 25-prozentige Abgeltungssteuer auf Kapitaleinkünfte abschaffen und die Einkünfte wieder nach dem individuellen, meist höheren Steuersatz besteuern. Den Solidaritätszuschlag wollen sie erhalten, um marode Infrastruktur wieder flott zu kriegen.