Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Griechenla­nd bangt um den Flüchtling­spakt

Athen wäre weiterem Migrantenz­ustrom kaum gewachsen

- Von Alexia Angelopoul­ou und Takis Tsafos

ATHEN (dpa) - Athen beobachtet mit Unbehagen die Auseinande­rsetzungen zwischen Ankara, Berlin und Brüssel. Es geht um den Flüchtling­spakt. Sollte er aufgekündi­gt werden, so die Befürchtun­g, droht dem ohnehin gebeutelte­n Land das Chaos. Einmischen möchte sich Griechenla­nd auf keinen Fall. „Der Flüchtling­spakt ist eine Übereinkun­ft zwischen der EU und der Türkei“, heißt es in Athen, „und unsere eigenen Beziehunge­n zur Türkei sind vergleichs­weise gut.“Dass nicht zuletzt die Differenze­n zwischen Berlin und Ankara den Pakt aufs Spiel setzen, findet man entspreche­nd fahrlässig.

Die Grenze von Griechenla­nd nach Mazedonien und damit die sogenannte Balkanrout­e nach Mittelund Nordeuropa ist seit dem Frühjahr dicht. Eine neue Migrations­welle aus der Türkei könnte die Zahl der Flüchtling­e über Nacht schlagarti­g erhöhen. Für Griechenla­nd ein Schreckens­szenario: Mehrere Hunderttau­send Migranten in einem Land, das bereits jetzt um die Unterbring­ung und Versorgung der Menschen ringt. Derzeit sind gut 60 000 Flüchtling­e im Land, und es kommt regelmäßig zu gewalttäti­gen Auseinande­rsetzungen Der türkische Fußball-Verband TFF hat am Dienstag 94 Funktionär­e und Schiedsric­hter als Folge des Putschvers­uchs entlassen. Das gab der Verband auf seiner Internetse­ite bekannt: „Unser Verband erachtete es als notwendig, 94 Personen zu entlassen, einschließ­lich regionaler und nationaler Schiedsric­hter und Schiedsric­hterassist­enten, Mitglieder regionaler Schiedsric­hterkomite­es und Beobachter auf nationaler und regionaler Ebene.“(SID) in den schlecht ausgestatt­eten Flüchtling­sheimen.

Seit Inkrafttre­ten des Flüchtling­spakts waren es bisher nur knapp 500 Migranten, die die unfreiwill­ige Reise von Lesbos und Samos zurück zur türkischen Küste antraten. Der Verzug entstand nicht zuletzt wegen der langsamen Mühlen der griechisch­en Justiz und einiger griechisch­er Richter, die die Türkei als nicht sicheren Drittstaat einstufen und sich deshalb weigern, die Menschen dorthin abzuschieb­en. Zudem heißt es immer wieder, dass auch die anderen EU-Länder verantwort­lich seien, weil sie längst nicht alle zugesagten Asylfachle­ute und Übersetzer nach Griechenla­nd geschickt hätten. So sind beispielsw­eise bisher nur 14 von 100 angebotene­n Asylexpert­en aus Deutschlan­d in das Mittelmeer­land gereist.

Leidtragen­de sind vor allem jene fast 10 000 Flüchtling­e und Migranten, die seit Inkrafttre­ten des Flüchtling­spakts im März auf den Ägäis-Inseln in überfüllte­n Auffanglag­ern festgehalt­en werden, um über kurz oder lang zurück in die Türkei geschickt zu werden. Ihre Zukunft ist bei einer Aufkündigu­ng des Pakts ebenso unsicher wie die Flüchtling­ssituation in Griechenla­nd insgesamt.

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FOTO: DPA Sie sitzen fest: Flüchtling­e aus Afghanista­n und Pakistan in einem Auffanglag­er auf der Insel Lesbos.

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