Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Griechenland bangt um den Flüchtlingspakt
Athen wäre weiterem Migrantenzustrom kaum gewachsen
ATHEN (dpa) - Athen beobachtet mit Unbehagen die Auseinandersetzungen zwischen Ankara, Berlin und Brüssel. Es geht um den Flüchtlingspakt. Sollte er aufgekündigt werden, so die Befürchtung, droht dem ohnehin gebeutelten Land das Chaos. Einmischen möchte sich Griechenland auf keinen Fall. „Der Flüchtlingspakt ist eine Übereinkunft zwischen der EU und der Türkei“, heißt es in Athen, „und unsere eigenen Beziehungen zur Türkei sind vergleichsweise gut.“Dass nicht zuletzt die Differenzen zwischen Berlin und Ankara den Pakt aufs Spiel setzen, findet man entsprechend fahrlässig.
Die Grenze von Griechenland nach Mazedonien und damit die sogenannte Balkanroute nach Mittelund Nordeuropa ist seit dem Frühjahr dicht. Eine neue Migrationswelle aus der Türkei könnte die Zahl der Flüchtlinge über Nacht schlagartig erhöhen. Für Griechenland ein Schreckensszenario: Mehrere Hunderttausend Migranten in einem Land, das bereits jetzt um die Unterbringung und Versorgung der Menschen ringt. Derzeit sind gut 60 000 Flüchtlinge im Land, und es kommt regelmäßig zu gewalttätigen Auseinandersetzungen Der türkische Fußball-Verband TFF hat am Dienstag 94 Funktionäre und Schiedsrichter als Folge des Putschversuchs entlassen. Das gab der Verband auf seiner Internetseite bekannt: „Unser Verband erachtete es als notwendig, 94 Personen zu entlassen, einschließlich regionaler und nationaler Schiedsrichter und Schiedsrichterassistenten, Mitglieder regionaler Schiedsrichterkomitees und Beobachter auf nationaler und regionaler Ebene.“(SID) in den schlecht ausgestatteten Flüchtlingsheimen.
Seit Inkrafttreten des Flüchtlingspakts waren es bisher nur knapp 500 Migranten, die die unfreiwillige Reise von Lesbos und Samos zurück zur türkischen Küste antraten. Der Verzug entstand nicht zuletzt wegen der langsamen Mühlen der griechischen Justiz und einiger griechischer Richter, die die Türkei als nicht sicheren Drittstaat einstufen und sich deshalb weigern, die Menschen dorthin abzuschieben. Zudem heißt es immer wieder, dass auch die anderen EU-Länder verantwortlich seien, weil sie längst nicht alle zugesagten Asylfachleute und Übersetzer nach Griechenland geschickt hätten. So sind beispielsweise bisher nur 14 von 100 angebotenen Asylexperten aus Deutschland in das Mittelmeerland gereist.
Leidtragende sind vor allem jene fast 10 000 Flüchtlinge und Migranten, die seit Inkrafttreten des Flüchtlingspakts im März auf den Ägäis-Inseln in überfüllten Auffanglagern festgehalten werden, um über kurz oder lang zurück in die Türkei geschickt zu werden. Ihre Zukunft ist bei einer Aufkündigung des Pakts ebenso unsicher wie die Flüchtlingssituation in Griechenland insgesamt.