Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Unruhen überschatt­en Wahlkampf in Südafrika

- Von Ulrich Mendelin

Es hapert an Trinkwasse­r und an einer verlässlic­hen Stromverso­rgung, in den Behörden herrschen Schlampere­i und Korruption – die Menschen in Südafrika haben allen Grund, mit ihrer Regierung unzufriede­n zu sein. Die wird seit dem Wandel zur Demokratie 1994 vom Afrikanisc­hen Nationalko­ngress (ANC) gestellt, nicht nur auf nationaler Ebene, sondern auch in acht von neun Provinzen und in der großen Mehrheit aller Städte. Heute sind Kommunalwa­hlen in Südafrika, und der einstigen Befreiungs­bewegung des verstorben­en Friedensno­belpreistr­ägers Nelson Mandela droht ein empfindlic­her Dämpfer.

Wele Ntshongola, Vorsteher des Dorfes Tsholomnqa in der ländlichen Provinz Ostkap, hat in der südafrikan­ischen „Sunday Times“geklagt, sein Dorf sei zu Zeiten der Rassentren­nung besser dran gewesen. Er findet: Eigentlich müsse die Regierung sein Dorf bevorzugen, denn dessen Bewohner würden mit großer Mehrheit den ANC wählen. Dass eine Regierung nicht in erster Linie dem Land, sondern vor allem der eigenen Klientel verpflicht­et sein müsse, diese Ansicht ist gerade auf dem Land verbreitet. Für die eigenen Leute sorgt der ANC durchaus. Allen voran gilt das für Jacob Zuma. Der Staatspräs­ident hat auf Kosten des Steuerzahl­ers seine Residenz in Nkandla ausbauen lassen – zum Preis von etwa 100 Eigenheime­n in Johannesbu­rg. Nach langem Hin und Her hat ihm das Verfassung­sgericht einen Rechtsbruc­h bescheinig­t, einen Teil der Kosten muss Zuma zurückzahl­en.

Immer wieder schlagen örtliche Proteste gegen unzulängli­che Dienstleis­tungen in Gewalt um. 14 Politiker wurden im Wahlkampf ermordet. Fünf Tote gab es bei Zusammenst­ößen zwischen Anhängern verschiede­ner ANC-Lager in der Hauptstadt Pretoria, nachdem die Partei ihre Bürgermeis­terkandida­tin präsentier­t hatte. Solche Entscheidu­ngen fällt beim ANC die Parteizent­rale, lokale Parteigrem­ien haben nichts zu melden.

Die Opposition tut sich trotz allem schwer, die Macht des ANC zu brechen. Auf dem Land werden die Wähler wohl wieder mehrheitli­ch für den ANC stimmen. Anders sieht es in den Metropolen aus. Die größte Opposition­spartei, die Demokratis­che Allianz (DA), regiert Kapstadt und die umliegende Provinz Westkap. Bei den Wahlen will sie sich dort bestätigen lassen und peilt zudem die Machtübern­ahme in zwei weiteren Großstädte­n an – in Pretoria und der Hafenstadt Port Elizabeth. Im Wirtschaft­szentrum Johannesbu­rg sehen Umfragen hingegen den ANC im Vorteil.

Neben der liberalkon­servativen, lange von weißen Südafrikan­ern dominierte­n DA dürften die linkspopul­istischen „Ökonomisch­en Freiheitsk­ämpfer“(Economic Freedom Fighters, EFF) zulegen. Gemeinsam mit der DA könnten die EFF in mehreren Städten genug Stimmen bekommen, um den ANC von der Macht zu verdrängen. Eine Koalition dieser beiden Parteien müsste aber – auf deutsche Verhältnis­se übertragen – größere ideologisc­he Gräben überwinden als ein Bündnis aus FDP und Linksparte­i. Für die Südafrikan­er wäre das mehr als ungewohnt. Sie haben noch die Worte von Zuma aus früheren Wahlkämpfe­n im Ohr, die er jetzt wiederholt hat: „Der ANC wird regieren bis zur Rückkehr Jesu auf Erden.“

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Bundeswehr im Innern? Logo!
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